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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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so hätten die Leute wahrlich an der Ehre sich genügen lassen und im Interesse
ihrer Mitactionäre auf hebe besondere und ungerechtfertigte Besoldung ver>
zichten können.

In diese Epoche siel die Gründung der Pardubitz-Reichenberger Bahn,
auf welche damals die überspanntesten Hoffnungen gesetzt wurden, der Thei߬
bahn, der Karl-Ludwigsbahn in Galizien, der kroatischen und südungarischen
Bahnen und endlich der von Wien ausgehenden Kaiserin - Elisabeth - Wcstbahn.
Mit Ausnahme der Karl-Ludwigsbahn hat bis jetzt aber keine der genannten
Bahnen einen nur annähernd günstigen Ertrag abgeworfen. Bald erhöhte, bald
verminderte man den Agiozuschlag, schraubte die Tarife einmal bis zur Un-
erschwinglichkeit hinauf und suchte dann wieder durch übertriebene Ermäßigung
die Concurrenz zu erdrücken; jetzt vermehrte, dann verminderte man das Per¬
sonal, führte neue Verrechnungsmanipulationen ein. knickerte und verschwendete,
je nachdem die geltenden Anschauungen es begehrten. -- aber alles wollte nicht
helfen.

Abermals brauchte die östreichische Regierung Geld, Sie wußte noch ein
Stück Bahn in ihrem Besitz, also rasch fort damit. Dieses Mai war Herr
Brück der Mittelsmann, welcher -- man argwöhnte gegen gutes Honorar --
die Sache negoeiirte. Und so wurde die ganze mit so ungeheuren Kosten er¬
baute Südbahn einschließlich der kaum erst angekauften Wien-Gloggnitzer Strecke
sammt allen in Italien befindlichen Bahnlinien an eine unter Rothschilds Pro-
tection stehende französisch-italienische Gesellschaft um eine verhältnißmäßig un¬
bedeutende Summe verhandelt und dabei übernahm noch die Negierung die
Verpflichtung zur Herstellung der Verbindungsstrecke Nabresiua-Pordenone, welche
man merkwürdigerweise nicht vollendet hatte, auf ihre eigenen Kosten. Diese
Lücke, die dem Truppentransporte große Hemmnisse in den Weg legte, trug
Viel zudem Mißgeschick des Jahres 1869 bei. Leperriere. welcher mit noch
größerem Gehalte und unbeschränkterer Macht als selbst Marlet die Leitung
dieses Bahncomplexes überkam, trieb die Rücksichtslosigkeit auch höher als dieser
und brachte die Willkür und Erpressung auf den Gipfel. Beide Directoren wur¬
den, da man ein EinVerständniß zwischen ihnen und der französischen Regierung
befürchtete, auf die Dauer des italienischen Krieges suspendirt, später aber wie¬
der eingesetzt.

Unterdessen war es mit den früher genannten Bahnen immer mehr ab¬
wärts gegangen und schließlich forderten sie von dem Staate die Ausbezahlung
der ihnen garantirten Zinsen. Ein- oder zweimal erfolgte diese Zahlung, wo¬
bei es jedoch der Reichsrath nicht an ernsten Mahnungen sowohl gegen den
Finanzminister als gegen die betreffenden Bahnverwaltungen fehlen ließ. In
der letzten Session aber that ersterer, welcher seinen Eifer für die Hebung der
Finanzen an den Tag legen wollte, des Guten zu viel und erklärte ziemlich


so hätten die Leute wahrlich an der Ehre sich genügen lassen und im Interesse
ihrer Mitactionäre auf hebe besondere und ungerechtfertigte Besoldung ver>
zichten können.

In diese Epoche siel die Gründung der Pardubitz-Reichenberger Bahn,
auf welche damals die überspanntesten Hoffnungen gesetzt wurden, der Thei߬
bahn, der Karl-Ludwigsbahn in Galizien, der kroatischen und südungarischen
Bahnen und endlich der von Wien ausgehenden Kaiserin - Elisabeth - Wcstbahn.
Mit Ausnahme der Karl-Ludwigsbahn hat bis jetzt aber keine der genannten
Bahnen einen nur annähernd günstigen Ertrag abgeworfen. Bald erhöhte, bald
verminderte man den Agiozuschlag, schraubte die Tarife einmal bis zur Un-
erschwinglichkeit hinauf und suchte dann wieder durch übertriebene Ermäßigung
die Concurrenz zu erdrücken; jetzt vermehrte, dann verminderte man das Per¬
sonal, führte neue Verrechnungsmanipulationen ein. knickerte und verschwendete,
je nachdem die geltenden Anschauungen es begehrten. — aber alles wollte nicht
helfen.

Abermals brauchte die östreichische Regierung Geld, Sie wußte noch ein
Stück Bahn in ihrem Besitz, also rasch fort damit. Dieses Mai war Herr
Brück der Mittelsmann, welcher — man argwöhnte gegen gutes Honorar —
die Sache negoeiirte. Und so wurde die ganze mit so ungeheuren Kosten er¬
baute Südbahn einschließlich der kaum erst angekauften Wien-Gloggnitzer Strecke
sammt allen in Italien befindlichen Bahnlinien an eine unter Rothschilds Pro-
tection stehende französisch-italienische Gesellschaft um eine verhältnißmäßig un¬
bedeutende Summe verhandelt und dabei übernahm noch die Negierung die
Verpflichtung zur Herstellung der Verbindungsstrecke Nabresiua-Pordenone, welche
man merkwürdigerweise nicht vollendet hatte, auf ihre eigenen Kosten. Diese
Lücke, die dem Truppentransporte große Hemmnisse in den Weg legte, trug
Viel zudem Mißgeschick des Jahres 1869 bei. Leperriere. welcher mit noch
größerem Gehalte und unbeschränkterer Macht als selbst Marlet die Leitung
dieses Bahncomplexes überkam, trieb die Rücksichtslosigkeit auch höher als dieser
und brachte die Willkür und Erpressung auf den Gipfel. Beide Directoren wur¬
den, da man ein EinVerständniß zwischen ihnen und der französischen Regierung
befürchtete, auf die Dauer des italienischen Krieges suspendirt, später aber wie¬
der eingesetzt.

Unterdessen war es mit den früher genannten Bahnen immer mehr ab¬
wärts gegangen und schließlich forderten sie von dem Staate die Ausbezahlung
der ihnen garantirten Zinsen. Ein- oder zweimal erfolgte diese Zahlung, wo¬
bei es jedoch der Reichsrath nicht an ernsten Mahnungen sowohl gegen den
Finanzminister als gegen die betreffenden Bahnverwaltungen fehlen ließ. In
der letzten Session aber that ersterer, welcher seinen Eifer für die Hebung der
Finanzen an den Tag legen wollte, des Guten zu viel und erklärte ziemlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/230>, abgerufen am 03.07.2024.