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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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quemere und minder kostspielige Route aufsuchte und dieselbe auch dann noch
beibehielt, als die ganze Südbahnlinie dem Verkehr bereits übergeben war.
Auch in politischer und militärischer Hinsicht hatte die Sache arge Nachtheile.
Und während dieser Zeit hatten sich bei den Bahnen in den nördlichen und öst¬
lichen Provinzen große Veränderungen zugetragen.

Die Nordbahn, welche eine gute Weile sich in ziemlich mißlichen Umständen
befunden hatte, nahm, seitdem der aus dem Staatsdienste ausgetretene Frances-
coni an die Spitze getreten, die Verbindung mit den preußischen Bahnen her¬
gestellt und man mit den anschließenden Staatsbahnen über eine gleichförmigere
Manipulation einig geworden war, einen zuvor kaum geahnten Aufschwung.
Desto übler sah es bei der nördlichen und südöstlichen -- mittlerweile bis Pesth
vollendeten und östlich bis Temesvar verlängerten, sowie bei der Wien-Naaber
Staatsbahn aus und selbst als der Betrieb dieser Bahnen zum Theile der Leitung
der Nordbahn unterstellt wurde, wollte es nicht besser gehe".

Es zeigte sich hier wieder recht auffällig die Wahrheit des Satzes, daß
der Staat der schlechteste Verwalter sei. Ein übergroßer Veamtenctat, von
weichen die Hälfte nicht des Betriebes wegen, sondern zur Aufsicht über die
andere Hälfte aufgestellt war, keine Aneiferung durch eine gute Bezahlung sowie
kein Interesse für die Erhöhung des Gewinnes: was konnte da wohl auch er¬
wartet werden! Dennoch war die Möglichkeit eines besseren Erträgnisses nicht
ausgeschlossen und es würde, selbst wenn gar kein Gewinn erzielt worden wäre,
noch keineswegs genügende Veranlassung gewesen sei, diese Bahnen um einen
Spottpreis und obendrein an eine ausländische Gesellschaft zu verschleudern.

Aber die Herren Bach und Baum garder wußten, daß der Staat un¬
geachtet des bereits zum vierten Theile eingezahlten Nationalanlehcns Geld
bedürfte (man wollte wissen, die beiden Minister hätten dieses Bedürfniß ge¬
theilt) und -- der Kaufcontract wurde abgeschlossen. Eine Gesellschaft fran¬
zösischer Kapitalisten, an deren Spitze die Brüder Pereira standen, über¬
nahm diese Bahnen unter Bedingungen, welche den Begriff "Kauf" zur Ironie
machten und gleichzeitig dem Ansehen der Regierung und dem Vertrauen aus
die Finanzen derselben eine unheilbare Wunde schlugen.

Unter diesen Bedingungen würden sich sicher auch im Inlande Käufer ge¬
funden haben und namentlich würden die Actionäre der ^Nordbahn, denen der
Kauf schon vorher angetragen worden sein soll, bei einer abermaligen Auffor¬
derung sich willig gezeigt haben, so daß das Geld wenigstens dem Lande
erhalten geblieben wäre. Aber das Aergste an der Sache war die von dem
Staate übernommene Zinsengarantie sowie die ertheilte Vergünstigung, den
Tarifen einen Agiozuschlag beizufügen. Welchen Vorschub Trägheit und Un¬
redlichkeit durch die Zinsengarantien erhielten, ist leicht einzusehen. Sahen
die Verwaltungsräthe, gegen deren Thätigkeit die Negierung obendrein fast


quemere und minder kostspielige Route aufsuchte und dieselbe auch dann noch
beibehielt, als die ganze Südbahnlinie dem Verkehr bereits übergeben war.
Auch in politischer und militärischer Hinsicht hatte die Sache arge Nachtheile.
Und während dieser Zeit hatten sich bei den Bahnen in den nördlichen und öst¬
lichen Provinzen große Veränderungen zugetragen.

Die Nordbahn, welche eine gute Weile sich in ziemlich mißlichen Umständen
befunden hatte, nahm, seitdem der aus dem Staatsdienste ausgetretene Frances-
coni an die Spitze getreten, die Verbindung mit den preußischen Bahnen her¬
gestellt und man mit den anschließenden Staatsbahnen über eine gleichförmigere
Manipulation einig geworden war, einen zuvor kaum geahnten Aufschwung.
Desto übler sah es bei der nördlichen und südöstlichen — mittlerweile bis Pesth
vollendeten und östlich bis Temesvar verlängerten, sowie bei der Wien-Naaber
Staatsbahn aus und selbst als der Betrieb dieser Bahnen zum Theile der Leitung
der Nordbahn unterstellt wurde, wollte es nicht besser gehe».

Es zeigte sich hier wieder recht auffällig die Wahrheit des Satzes, daß
der Staat der schlechteste Verwalter sei. Ein übergroßer Veamtenctat, von
weichen die Hälfte nicht des Betriebes wegen, sondern zur Aufsicht über die
andere Hälfte aufgestellt war, keine Aneiferung durch eine gute Bezahlung sowie
kein Interesse für die Erhöhung des Gewinnes: was konnte da wohl auch er¬
wartet werden! Dennoch war die Möglichkeit eines besseren Erträgnisses nicht
ausgeschlossen und es würde, selbst wenn gar kein Gewinn erzielt worden wäre,
noch keineswegs genügende Veranlassung gewesen sei, diese Bahnen um einen
Spottpreis und obendrein an eine ausländische Gesellschaft zu verschleudern.

Aber die Herren Bach und Baum garder wußten, daß der Staat un¬
geachtet des bereits zum vierten Theile eingezahlten Nationalanlehcns Geld
bedürfte (man wollte wissen, die beiden Minister hätten dieses Bedürfniß ge¬
theilt) und — der Kaufcontract wurde abgeschlossen. Eine Gesellschaft fran¬
zösischer Kapitalisten, an deren Spitze die Brüder Pereira standen, über¬
nahm diese Bahnen unter Bedingungen, welche den Begriff „Kauf" zur Ironie
machten und gleichzeitig dem Ansehen der Regierung und dem Vertrauen aus
die Finanzen derselben eine unheilbare Wunde schlugen.

Unter diesen Bedingungen würden sich sicher auch im Inlande Käufer ge¬
funden haben und namentlich würden die Actionäre der ^Nordbahn, denen der
Kauf schon vorher angetragen worden sein soll, bei einer abermaligen Auffor¬
derung sich willig gezeigt haben, so daß das Geld wenigstens dem Lande
erhalten geblieben wäre. Aber das Aergste an der Sache war die von dem
Staate übernommene Zinsengarantie sowie die ertheilte Vergünstigung, den
Tarifen einen Agiozuschlag beizufügen. Welchen Vorschub Trägheit und Un¬
redlichkeit durch die Zinsengarantien erhielten, ist leicht einzusehen. Sahen
die Verwaltungsräthe, gegen deren Thätigkeit die Negierung obendrein fast


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[0228] quemere und minder kostspielige Route aufsuchte und dieselbe auch dann noch beibehielt, als die ganze Südbahnlinie dem Verkehr bereits übergeben war. Auch in politischer und militärischer Hinsicht hatte die Sache arge Nachtheile. Und während dieser Zeit hatten sich bei den Bahnen in den nördlichen und öst¬ lichen Provinzen große Veränderungen zugetragen. Die Nordbahn, welche eine gute Weile sich in ziemlich mißlichen Umständen befunden hatte, nahm, seitdem der aus dem Staatsdienste ausgetretene Frances- coni an die Spitze getreten, die Verbindung mit den preußischen Bahnen her¬ gestellt und man mit den anschließenden Staatsbahnen über eine gleichförmigere Manipulation einig geworden war, einen zuvor kaum geahnten Aufschwung. Desto übler sah es bei der nördlichen und südöstlichen — mittlerweile bis Pesth vollendeten und östlich bis Temesvar verlängerten, sowie bei der Wien-Naaber Staatsbahn aus und selbst als der Betrieb dieser Bahnen zum Theile der Leitung der Nordbahn unterstellt wurde, wollte es nicht besser gehe». Es zeigte sich hier wieder recht auffällig die Wahrheit des Satzes, daß der Staat der schlechteste Verwalter sei. Ein übergroßer Veamtenctat, von weichen die Hälfte nicht des Betriebes wegen, sondern zur Aufsicht über die andere Hälfte aufgestellt war, keine Aneiferung durch eine gute Bezahlung sowie kein Interesse für die Erhöhung des Gewinnes: was konnte da wohl auch er¬ wartet werden! Dennoch war die Möglichkeit eines besseren Erträgnisses nicht ausgeschlossen und es würde, selbst wenn gar kein Gewinn erzielt worden wäre, noch keineswegs genügende Veranlassung gewesen sei, diese Bahnen um einen Spottpreis und obendrein an eine ausländische Gesellschaft zu verschleudern. Aber die Herren Bach und Baum garder wußten, daß der Staat un¬ geachtet des bereits zum vierten Theile eingezahlten Nationalanlehcns Geld bedürfte (man wollte wissen, die beiden Minister hätten dieses Bedürfniß ge¬ theilt) und — der Kaufcontract wurde abgeschlossen. Eine Gesellschaft fran¬ zösischer Kapitalisten, an deren Spitze die Brüder Pereira standen, über¬ nahm diese Bahnen unter Bedingungen, welche den Begriff „Kauf" zur Ironie machten und gleichzeitig dem Ansehen der Regierung und dem Vertrauen aus die Finanzen derselben eine unheilbare Wunde schlugen. Unter diesen Bedingungen würden sich sicher auch im Inlande Käufer ge¬ funden haben und namentlich würden die Actionäre der ^Nordbahn, denen der Kauf schon vorher angetragen worden sein soll, bei einer abermaligen Auffor¬ derung sich willig gezeigt haben, so daß das Geld wenigstens dem Lande erhalten geblieben wäre. Aber das Aergste an der Sache war die von dem Staate übernommene Zinsengarantie sowie die ertheilte Vergünstigung, den Tarifen einen Agiozuschlag beizufügen. Welchen Vorschub Trägheit und Un¬ redlichkeit durch die Zinsengarantien erhielten, ist leicht einzusehen. Sahen die Verwaltungsräthe, gegen deren Thätigkeit die Negierung obendrein fast

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/228>, abgerufen am 03.07.2024.