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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Denn schon 1846, also kaum ein Jahr nach Eröffnung der Ollmütz-Prager
Bahn, wurde ein großer Theil der aus Anlaß des galizischen Aufstandes zu¬
sammengezogenen Corps auf den Schienen befördert und man hatte alle Ursache
mit den hierbei erlangten Resultaten zufrieden zu sein.

Gleichzeitig wurden mehre andere Bahnlinien in Angriff genommen. So
von Pesth aufwärts bis Waizen und ostwärts bis Czegled. von Mürzzuschlag
abwärts bis Gratz, und von da bis Marburg und später bis Cilly; von Wien
nach Brück an der Leytha und endlich in Italien an mehren Punkten z. B.
von Venedig über die Lagunenbrücke nach Treviso und Padua, und von Mai¬
land oft- und westwärts. Dieser Eifer, überall thätig zu sein, brachte indeß
den großen aber natürlichen Uebelstand mit sich, daß man stets nur mit be¬
schränkten Mitteln auftreten konnte und so kam es, daß Oestreich, als die Re¬
volution hereinbrach, außer gegen Norden und Nordwesten hin, auch nicht Eine
vollständig aufgebaute Bahnlinie besaß. Es siel sehr ins Gewicht, daß die
nach Italien beorderten Truppen die Eisenbahn nur streckenweise benutzen konn¬
ten und daß die nach Pesth führende Bahn zwar schon projectirt, aber zwischen
Preßburg und Walzen kaum aufgesteckt war. Bon der ungarischen Regierung
ihrerseits jedoch wurde noch während des Krieges für die Vollendung
der im Bau begriffenen Bahnen sehr viel gethan und namentlich die Linie
Pesth-Czeglcd bis Szolnok und von da abwärts bis Szcgcdin verlängert, wenn
auch noch nicht eröffnet.

Nach Beendigung der ungarischen und italienischen Kämpfe ging man mit
frischem Muthe an den Ausbau des Schiencnnetzes und zugleich begann sich
unter den Kapitalisten wieder eine günstigere Stimmung für Eisenbahnen be¬
merkbar zu machen. Es gab eine Zeit, wo fast wöchentlich ein Gesuch um Be¬
willigung zum Bau einer neuen Bahn bei der Regierung einlief. Nur an die
Bollendung der Südbahn wollte sich niemand wagen, da die Furcht vor den
Kosten der Sömmcringstrccke alle zurückschreckte; ja die Negierung hielt es sogar
für nothwendig, die bisher einer Privatgesellschaft gehörende Strecke Wien-
Gloggnitz käuflich an sich zu bringen. Immerhin wurden die staunenswür¬
digen Sömmeringbautcn in verhältnißmäßig kurzer Zeit vollendet, wogegen der
Ausbau der Strecke Laibach-Nabresina wegen der bodenlosen laibacher Torfmoore
"ut wegen des Karstüberganges bei Nabresina. zuletzt aber und nicht zum wenigsten
wegen des erst zu schaffenden Raumes für den triester Bahnhof -- auf vorher kaum
geahnte und darum desto schlimmere Schwierigkeiten stieß. Und diese Verzögerung
des Baues der Südbahn zog die empfindlichsten Folgen nach sich. Die aus der
Levante und ans Ostindien kommenden Waaren brauchten 7--10 Tage zu dem
Transporte nach Laibach (im Winter oft das Doppelte) und nebenbei waren die
Kosten hierfür größer als jene des Transportes auf der Eisenbahn bis Wien. Was
Wunder also, daß sich der Verkehr eine andere kürzere oder wenigstens be-


Denn schon 1846, also kaum ein Jahr nach Eröffnung der Ollmütz-Prager
Bahn, wurde ein großer Theil der aus Anlaß des galizischen Aufstandes zu¬
sammengezogenen Corps auf den Schienen befördert und man hatte alle Ursache
mit den hierbei erlangten Resultaten zufrieden zu sein.

Gleichzeitig wurden mehre andere Bahnlinien in Angriff genommen. So
von Pesth aufwärts bis Waizen und ostwärts bis Czegled. von Mürzzuschlag
abwärts bis Gratz, und von da bis Marburg und später bis Cilly; von Wien
nach Brück an der Leytha und endlich in Italien an mehren Punkten z. B.
von Venedig über die Lagunenbrücke nach Treviso und Padua, und von Mai¬
land oft- und westwärts. Dieser Eifer, überall thätig zu sein, brachte indeß
den großen aber natürlichen Uebelstand mit sich, daß man stets nur mit be¬
schränkten Mitteln auftreten konnte und so kam es, daß Oestreich, als die Re¬
volution hereinbrach, außer gegen Norden und Nordwesten hin, auch nicht Eine
vollständig aufgebaute Bahnlinie besaß. Es siel sehr ins Gewicht, daß die
nach Italien beorderten Truppen die Eisenbahn nur streckenweise benutzen konn¬
ten und daß die nach Pesth führende Bahn zwar schon projectirt, aber zwischen
Preßburg und Walzen kaum aufgesteckt war. Bon der ungarischen Regierung
ihrerseits jedoch wurde noch während des Krieges für die Vollendung
der im Bau begriffenen Bahnen sehr viel gethan und namentlich die Linie
Pesth-Czeglcd bis Szolnok und von da abwärts bis Szcgcdin verlängert, wenn
auch noch nicht eröffnet.

Nach Beendigung der ungarischen und italienischen Kämpfe ging man mit
frischem Muthe an den Ausbau des Schiencnnetzes und zugleich begann sich
unter den Kapitalisten wieder eine günstigere Stimmung für Eisenbahnen be¬
merkbar zu machen. Es gab eine Zeit, wo fast wöchentlich ein Gesuch um Be¬
willigung zum Bau einer neuen Bahn bei der Regierung einlief. Nur an die
Bollendung der Südbahn wollte sich niemand wagen, da die Furcht vor den
Kosten der Sömmcringstrccke alle zurückschreckte; ja die Negierung hielt es sogar
für nothwendig, die bisher einer Privatgesellschaft gehörende Strecke Wien-
Gloggnitz käuflich an sich zu bringen. Immerhin wurden die staunenswür¬
digen Sömmeringbautcn in verhältnißmäßig kurzer Zeit vollendet, wogegen der
Ausbau der Strecke Laibach-Nabresina wegen der bodenlosen laibacher Torfmoore
»ut wegen des Karstüberganges bei Nabresina. zuletzt aber und nicht zum wenigsten
wegen des erst zu schaffenden Raumes für den triester Bahnhof — auf vorher kaum
geahnte und darum desto schlimmere Schwierigkeiten stieß. Und diese Verzögerung
des Baues der Südbahn zog die empfindlichsten Folgen nach sich. Die aus der
Levante und ans Ostindien kommenden Waaren brauchten 7—10 Tage zu dem
Transporte nach Laibach (im Winter oft das Doppelte) und nebenbei waren die
Kosten hierfür größer als jene des Transportes auf der Eisenbahn bis Wien. Was
Wunder also, daß sich der Verkehr eine andere kürzere oder wenigstens be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/227>, abgerufen am 03.07.2024.