Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

neu, welche zwar bereits die Concession besitzen, ober von der Ausführung noch
so weit entfernt sind, daß ihr Name in Wahrheit das Einzige ist, was von
ihnen existirt.

Fast alle Striche der Windrose, die meisten Provinzen und größeren Haupt¬
städte, sowie die gesammte kaiserliche Familie von A bis Z reichten kaum aus,
um die Namen für alle Bahnen und deren größere Zweige aufzubringen und
es ist thatsächlich vorgekommen, daß man um die Benennung einer bereits pro-
jectirten Strecke in Verlegenheit war. Ist aber nun die Anzahl der einzelnen
Bahnen schon bedeutend, so sind die Gattungen der Eiscnbahneffecten noch weit
zahlreicher, da es bei den meisten älteren Bahnen alte und neue, verzinsliche
und verlosbare Actien, Prioritätsobligationen u, tgi. giebt. Dies hat seinen
Grund theils in dein häufigen Wechsel der Besitzer, theils in den wiederholten
und bedeutenden Umgestaltungen, welche das Verwaltungssystcm erfuhr.

War nun diese Vermehrung der Bahnen immer und überall nur Folge
des sich mehrenden Verkehrs, oder umgekehrt , steigerte sich mindestens der Ver¬
kehr in Folge der Vermehrung der Bahnen in einer für die allgemeine Wohl¬
fahrt ersprießlichen Weise, oder fanden endlich die Actionäre einen befriedigen¬
den Gewinn und die bei diesen Anstalten Angestellten ein wenn auch knapp aus¬
reichendes, so doch sicheres Auskomme"? -- Oder haben vielleicht patriotisch
gesinnte Männer, indem sie auf eine glänzende Verzinsung ihres Capitals ver¬
zichteten und nur das Wohl ihres Vaterlandes sowie die Beförderung der Ci¬
vilisation im Auge hatten, mit seltener Aufopferung eine erst in der Zukunft
Früchte tragende Verbindung der verschiedenen Länder und Völker geschaffen?
Oder hat man vielleicht, alles Andere bei Seite setzend und die Unterstützung
und Förderung des Verkehrs, der Industrie und Bodcncultur sowie die Ver¬
zinsung des aufgewendeten Capitals dem Zufalle überlassend, nur die kriege¬
rische Wehrhaftigkeit des Staates bedacht und daher die Bahnen einzig den
strategischen Anforderungen entsprechend angelegt? --

Uns will es scheinen, als ob kaum in zwei Fällen auch nur eine dieser
Fragkategorien zuträfe. Deun vollkommen bejahende Antwort ist kaum zu geben.
Cin kurzer Rückblick auf die Geschichte einiger Bahnen wird dies darlegen.

Die älteste, aber auch nur ihres Alters wegen zu berücksichtigende Bahn
ist jene von Budweis nach Linz. Sie war anfänglich Pferdebahn und hatte
hauptsächlich die Verfrachtung des in dem Böhmerwalde geschlagenen Holzes
und des in Böhmen benöthigten Salzes zum Zwecke, weshalb später noch eine
andere Pferdebahn von Linz nach Gmunden angelegt wurde. In der neuesten
Zeit sind beide Bahnen sür den Verkehr mit Locvmotiven eingerichtet worden,
freilich mit großen Schwierigkeiten und mit nur unvollständigem Erfolge, da
eigentlich eine gänzliche Ncuanlage erforderlich gewesen wäre, an welche man
jedoch kein Geld wenden wollte und konnte.


28"

neu, welche zwar bereits die Concession besitzen, ober von der Ausführung noch
so weit entfernt sind, daß ihr Name in Wahrheit das Einzige ist, was von
ihnen existirt.

Fast alle Striche der Windrose, die meisten Provinzen und größeren Haupt¬
städte, sowie die gesammte kaiserliche Familie von A bis Z reichten kaum aus,
um die Namen für alle Bahnen und deren größere Zweige aufzubringen und
es ist thatsächlich vorgekommen, daß man um die Benennung einer bereits pro-
jectirten Strecke in Verlegenheit war. Ist aber nun die Anzahl der einzelnen
Bahnen schon bedeutend, so sind die Gattungen der Eiscnbahneffecten noch weit
zahlreicher, da es bei den meisten älteren Bahnen alte und neue, verzinsliche
und verlosbare Actien, Prioritätsobligationen u, tgi. giebt. Dies hat seinen
Grund theils in dein häufigen Wechsel der Besitzer, theils in den wiederholten
und bedeutenden Umgestaltungen, welche das Verwaltungssystcm erfuhr.

War nun diese Vermehrung der Bahnen immer und überall nur Folge
des sich mehrenden Verkehrs, oder umgekehrt , steigerte sich mindestens der Ver¬
kehr in Folge der Vermehrung der Bahnen in einer für die allgemeine Wohl¬
fahrt ersprießlichen Weise, oder fanden endlich die Actionäre einen befriedigen¬
den Gewinn und die bei diesen Anstalten Angestellten ein wenn auch knapp aus¬
reichendes, so doch sicheres Auskomme»? — Oder haben vielleicht patriotisch
gesinnte Männer, indem sie auf eine glänzende Verzinsung ihres Capitals ver¬
zichteten und nur das Wohl ihres Vaterlandes sowie die Beförderung der Ci¬
vilisation im Auge hatten, mit seltener Aufopferung eine erst in der Zukunft
Früchte tragende Verbindung der verschiedenen Länder und Völker geschaffen?
Oder hat man vielleicht, alles Andere bei Seite setzend und die Unterstützung
und Förderung des Verkehrs, der Industrie und Bodcncultur sowie die Ver¬
zinsung des aufgewendeten Capitals dem Zufalle überlassend, nur die kriege¬
rische Wehrhaftigkeit des Staates bedacht und daher die Bahnen einzig den
strategischen Anforderungen entsprechend angelegt? —

Uns will es scheinen, als ob kaum in zwei Fällen auch nur eine dieser
Fragkategorien zuträfe. Deun vollkommen bejahende Antwort ist kaum zu geben.
Cin kurzer Rückblick auf die Geschichte einiger Bahnen wird dies darlegen.

Die älteste, aber auch nur ihres Alters wegen zu berücksichtigende Bahn
ist jene von Budweis nach Linz. Sie war anfänglich Pferdebahn und hatte
hauptsächlich die Verfrachtung des in dem Böhmerwalde geschlagenen Holzes
und des in Böhmen benöthigten Salzes zum Zwecke, weshalb später noch eine
andere Pferdebahn von Linz nach Gmunden angelegt wurde. In der neuesten
Zeit sind beide Bahnen sür den Verkehr mit Locvmotiven eingerichtet worden,
freilich mit großen Schwierigkeiten und mit nur unvollständigem Erfolge, da
eigentlich eine gänzliche Ncuanlage erforderlich gewesen wäre, an welche man
jedoch kein Geld wenden wollte und konnte.


28"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0223" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189847"/>
          <p xml:id="ID_834" prev="#ID_833"> neu, welche zwar bereits die Concession besitzen, ober von der Ausführung noch<lb/>
so weit entfernt sind, daß ihr Name in Wahrheit das Einzige ist, was von<lb/>
ihnen existirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_835"> Fast alle Striche der Windrose, die meisten Provinzen und größeren Haupt¬<lb/>
städte, sowie die gesammte kaiserliche Familie von A bis Z reichten kaum aus,<lb/>
um die Namen für alle Bahnen und deren größere Zweige aufzubringen und<lb/>
es ist thatsächlich vorgekommen, daß man um die Benennung einer bereits pro-<lb/>
jectirten Strecke in Verlegenheit war. Ist aber nun die Anzahl der einzelnen<lb/>
Bahnen schon bedeutend, so sind die Gattungen der Eiscnbahneffecten noch weit<lb/>
zahlreicher, da es bei den meisten älteren Bahnen alte und neue, verzinsliche<lb/>
und verlosbare Actien, Prioritätsobligationen u, tgi. giebt. Dies hat seinen<lb/>
Grund theils in dein häufigen Wechsel der Besitzer, theils in den wiederholten<lb/>
und bedeutenden Umgestaltungen, welche das Verwaltungssystcm erfuhr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_836"> War nun diese Vermehrung der Bahnen immer und überall nur Folge<lb/>
des sich mehrenden Verkehrs, oder umgekehrt , steigerte sich mindestens der Ver¬<lb/>
kehr in Folge der Vermehrung der Bahnen in einer für die allgemeine Wohl¬<lb/>
fahrt ersprießlichen Weise, oder fanden endlich die Actionäre einen befriedigen¬<lb/>
den Gewinn und die bei diesen Anstalten Angestellten ein wenn auch knapp aus¬<lb/>
reichendes, so doch sicheres Auskomme»? &#x2014; Oder haben vielleicht patriotisch<lb/>
gesinnte Männer, indem sie auf eine glänzende Verzinsung ihres Capitals ver¬<lb/>
zichteten und nur das Wohl ihres Vaterlandes sowie die Beförderung der Ci¬<lb/>
vilisation im Auge hatten, mit seltener Aufopferung eine erst in der Zukunft<lb/>
Früchte tragende Verbindung der verschiedenen Länder und Völker geschaffen?<lb/>
Oder hat man vielleicht, alles Andere bei Seite setzend und die Unterstützung<lb/>
und Förderung des Verkehrs, der Industrie und Bodcncultur sowie die Ver¬<lb/>
zinsung des aufgewendeten Capitals dem Zufalle überlassend, nur die kriege¬<lb/>
rische Wehrhaftigkeit des Staates bedacht und daher die Bahnen einzig den<lb/>
strategischen Anforderungen entsprechend angelegt? &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_837"> Uns will es scheinen, als ob kaum in zwei Fällen auch nur eine dieser<lb/>
Fragkategorien zuträfe. Deun vollkommen bejahende Antwort ist kaum zu geben.<lb/>
Cin kurzer Rückblick auf die Geschichte einiger Bahnen wird dies darlegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_838"> Die älteste, aber auch nur ihres Alters wegen zu berücksichtigende Bahn<lb/>
ist jene von Budweis nach Linz. Sie war anfänglich Pferdebahn und hatte<lb/>
hauptsächlich die Verfrachtung des in dem Böhmerwalde geschlagenen Holzes<lb/>
und des in Böhmen benöthigten Salzes zum Zwecke, weshalb später noch eine<lb/>
andere Pferdebahn von Linz nach Gmunden angelegt wurde. In der neuesten<lb/>
Zeit sind beide Bahnen sür den Verkehr mit Locvmotiven eingerichtet worden,<lb/>
freilich mit großen Schwierigkeiten und mit nur unvollständigem Erfolge, da<lb/>
eigentlich eine gänzliche Ncuanlage erforderlich gewesen wäre, an welche man<lb/>
jedoch kein Geld wenden wollte und konnte.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 28"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0223] neu, welche zwar bereits die Concession besitzen, ober von der Ausführung noch so weit entfernt sind, daß ihr Name in Wahrheit das Einzige ist, was von ihnen existirt. Fast alle Striche der Windrose, die meisten Provinzen und größeren Haupt¬ städte, sowie die gesammte kaiserliche Familie von A bis Z reichten kaum aus, um die Namen für alle Bahnen und deren größere Zweige aufzubringen und es ist thatsächlich vorgekommen, daß man um die Benennung einer bereits pro- jectirten Strecke in Verlegenheit war. Ist aber nun die Anzahl der einzelnen Bahnen schon bedeutend, so sind die Gattungen der Eiscnbahneffecten noch weit zahlreicher, da es bei den meisten älteren Bahnen alte und neue, verzinsliche und verlosbare Actien, Prioritätsobligationen u, tgi. giebt. Dies hat seinen Grund theils in dein häufigen Wechsel der Besitzer, theils in den wiederholten und bedeutenden Umgestaltungen, welche das Verwaltungssystcm erfuhr. War nun diese Vermehrung der Bahnen immer und überall nur Folge des sich mehrenden Verkehrs, oder umgekehrt , steigerte sich mindestens der Ver¬ kehr in Folge der Vermehrung der Bahnen in einer für die allgemeine Wohl¬ fahrt ersprießlichen Weise, oder fanden endlich die Actionäre einen befriedigen¬ den Gewinn und die bei diesen Anstalten Angestellten ein wenn auch knapp aus¬ reichendes, so doch sicheres Auskomme»? — Oder haben vielleicht patriotisch gesinnte Männer, indem sie auf eine glänzende Verzinsung ihres Capitals ver¬ zichteten und nur das Wohl ihres Vaterlandes sowie die Beförderung der Ci¬ vilisation im Auge hatten, mit seltener Aufopferung eine erst in der Zukunft Früchte tragende Verbindung der verschiedenen Länder und Völker geschaffen? Oder hat man vielleicht, alles Andere bei Seite setzend und die Unterstützung und Förderung des Verkehrs, der Industrie und Bodcncultur sowie die Ver¬ zinsung des aufgewendeten Capitals dem Zufalle überlassend, nur die kriege¬ rische Wehrhaftigkeit des Staates bedacht und daher die Bahnen einzig den strategischen Anforderungen entsprechend angelegt? — Uns will es scheinen, als ob kaum in zwei Fällen auch nur eine dieser Fragkategorien zuträfe. Deun vollkommen bejahende Antwort ist kaum zu geben. Cin kurzer Rückblick auf die Geschichte einiger Bahnen wird dies darlegen. Die älteste, aber auch nur ihres Alters wegen zu berücksichtigende Bahn ist jene von Budweis nach Linz. Sie war anfänglich Pferdebahn und hatte hauptsächlich die Verfrachtung des in dem Böhmerwalde geschlagenen Holzes und des in Böhmen benöthigten Salzes zum Zwecke, weshalb später noch eine andere Pferdebahn von Linz nach Gmunden angelegt wurde. In der neuesten Zeit sind beide Bahnen sür den Verkehr mit Locvmotiven eingerichtet worden, freilich mit großen Schwierigkeiten und mit nur unvollständigem Erfolge, da eigentlich eine gänzliche Ncuanlage erforderlich gewesen wäre, an welche man jedoch kein Geld wenden wollte und konnte. 28"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/223
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/223>, abgerufen am 03.07.2024.