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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Noch unbedeutender ist die von Prag ausgehende sogenannte Launabahn,
auf welcher kein Personenverkehr stattfindet und ausschließlich Brennholz, Stein¬
kohlen und Salz transportirt wird. Sie ist noch jetzt Pferdebahn und könnte
auch, so wie sie ist. nicht für Locomotivverkehr eingerichtet werden.

Die älteste Dampfeisenbahn oder überhaupt die älteste östreichische Eisen¬
bahn, wenn man die vorerwähnten mehr kindlichen Versuchen als der wirtlichen
Ausführung gleichenden Schienenwege übergeht, ist die Kaiser-Ferdinands-
Nvrdbahn. Rothschild erkannte mit richtigem Blicke den ungeheuren Ge¬
winn, welchen das von ihm"angeregte Unternehmen, die Anlage einer Eisenbahn
nach den ebenso bevölkerten als wohlhabenden nördlichen Gebieten, zumal nach
dem übcrfruchtbaren Mähren, abwerfen müßte. Der Umstand, daß keine Wasser¬
straße dem Schienenwege Concurrenz machen konnte, erhöhte die Bürgschaft
des günstigen Erfolges bis zur Gewißheit. Gleichwohl ging man schüchtern
genug ans Werk.

Nicht nur wurde alles mit der größten Oekonomie und in möglichst be¬
schränktem Maßstabe angelegt" und die Bahn vorerst gleichsam zum Versuche
nur bis zu dem etwas über zwei Meilen entfernten Wagram tracirt und aus¬
geführt, sondern es begehrten und erhielten auch die Gründer von der Regie¬
rung ein ausschließliches Privilegium, welches nicht nur auf zwei Menschenalter
hinaus jede Concurrenz ausschloß, sondern auch der Bahn noch anderweitige
wichtige Vortheile sicherte.

Daß die ersten Locomotiven vom Auslande bezogen und zu deren Leitung
einige Engländer angestellt wurden, war unter den damaligen Verhältnissen
begreiflich. Befänden sich die technischen Anstalten in Oestreich im Vergleiche
zu den ausländischen im Allgemeinen schon aus einer sehr niedrigen Stufe, so
waren die Eisenbahnen vollends eine terru, inooguita. Die Wahrnehmung,
daß die um Oestreich verdientesten Männer in den meisten Fällen keine gebornen
Oestreicher sind oder wenigstens ihre Bildung im Auslande erlangt haben, traf
auch hier wieder zu. Denn die Seele des Baues war der Ingenieur Hermene-
gild Francesco ni, ein Mann, welcher zwar in Oestreich sich eingebürgert,
aber seine Studien an einer französisch-italienischen Militärakademie (unter
Napoleons Negierung) gemacht hatte. Francesconi kann mit Recht der Schöpfer
des östreichischen Eisenbahnwesens genannt werden. Für die Fehler, welche er
gemacht hat, ist in sehr vielen Fällen die geringere Einsicht und Erfahrung
jener Männer verantwortlich zu machen, die ihn unterstützen sollten. Auch
unter diesen jedoch waren die Kapacitäten Ausländer oder sie hatten ihr Wissen
auf auswärtigen Unterrichtsanstalten erworben, so z. B. Negrelli, Ghega u. A.

Die günstig ausgefallenen Probefahrten hoben den Muth der Actionäre
und ziemlich rasch ging nun der Ausbau der Strecke bis Lundenburg, wo sich
die Bahn theilte und Zweige nach Brunn und Prerau und von da weiter aus


Noch unbedeutender ist die von Prag ausgehende sogenannte Launabahn,
auf welcher kein Personenverkehr stattfindet und ausschließlich Brennholz, Stein¬
kohlen und Salz transportirt wird. Sie ist noch jetzt Pferdebahn und könnte
auch, so wie sie ist. nicht für Locomotivverkehr eingerichtet werden.

Die älteste Dampfeisenbahn oder überhaupt die älteste östreichische Eisen¬
bahn, wenn man die vorerwähnten mehr kindlichen Versuchen als der wirtlichen
Ausführung gleichenden Schienenwege übergeht, ist die Kaiser-Ferdinands-
Nvrdbahn. Rothschild erkannte mit richtigem Blicke den ungeheuren Ge¬
winn, welchen das von ihm"angeregte Unternehmen, die Anlage einer Eisenbahn
nach den ebenso bevölkerten als wohlhabenden nördlichen Gebieten, zumal nach
dem übcrfruchtbaren Mähren, abwerfen müßte. Der Umstand, daß keine Wasser¬
straße dem Schienenwege Concurrenz machen konnte, erhöhte die Bürgschaft
des günstigen Erfolges bis zur Gewißheit. Gleichwohl ging man schüchtern
genug ans Werk.

Nicht nur wurde alles mit der größten Oekonomie und in möglichst be¬
schränktem Maßstabe angelegt" und die Bahn vorerst gleichsam zum Versuche
nur bis zu dem etwas über zwei Meilen entfernten Wagram tracirt und aus¬
geführt, sondern es begehrten und erhielten auch die Gründer von der Regie¬
rung ein ausschließliches Privilegium, welches nicht nur auf zwei Menschenalter
hinaus jede Concurrenz ausschloß, sondern auch der Bahn noch anderweitige
wichtige Vortheile sicherte.

Daß die ersten Locomotiven vom Auslande bezogen und zu deren Leitung
einige Engländer angestellt wurden, war unter den damaligen Verhältnissen
begreiflich. Befänden sich die technischen Anstalten in Oestreich im Vergleiche
zu den ausländischen im Allgemeinen schon aus einer sehr niedrigen Stufe, so
waren die Eisenbahnen vollends eine terru, inooguita. Die Wahrnehmung,
daß die um Oestreich verdientesten Männer in den meisten Fällen keine gebornen
Oestreicher sind oder wenigstens ihre Bildung im Auslande erlangt haben, traf
auch hier wieder zu. Denn die Seele des Baues war der Ingenieur Hermene-
gild Francesco ni, ein Mann, welcher zwar in Oestreich sich eingebürgert,
aber seine Studien an einer französisch-italienischen Militärakademie (unter
Napoleons Negierung) gemacht hatte. Francesconi kann mit Recht der Schöpfer
des östreichischen Eisenbahnwesens genannt werden. Für die Fehler, welche er
gemacht hat, ist in sehr vielen Fällen die geringere Einsicht und Erfahrung
jener Männer verantwortlich zu machen, die ihn unterstützen sollten. Auch
unter diesen jedoch waren die Kapacitäten Ausländer oder sie hatten ihr Wissen
auf auswärtigen Unterrichtsanstalten erworben, so z. B. Negrelli, Ghega u. A.

Die günstig ausgefallenen Probefahrten hoben den Muth der Actionäre
und ziemlich rasch ging nun der Ausbau der Strecke bis Lundenburg, wo sich
die Bahn theilte und Zweige nach Brunn und Prerau und von da weiter aus


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[0224] Noch unbedeutender ist die von Prag ausgehende sogenannte Launabahn, auf welcher kein Personenverkehr stattfindet und ausschließlich Brennholz, Stein¬ kohlen und Salz transportirt wird. Sie ist noch jetzt Pferdebahn und könnte auch, so wie sie ist. nicht für Locomotivverkehr eingerichtet werden. Die älteste Dampfeisenbahn oder überhaupt die älteste östreichische Eisen¬ bahn, wenn man die vorerwähnten mehr kindlichen Versuchen als der wirtlichen Ausführung gleichenden Schienenwege übergeht, ist die Kaiser-Ferdinands- Nvrdbahn. Rothschild erkannte mit richtigem Blicke den ungeheuren Ge¬ winn, welchen das von ihm"angeregte Unternehmen, die Anlage einer Eisenbahn nach den ebenso bevölkerten als wohlhabenden nördlichen Gebieten, zumal nach dem übcrfruchtbaren Mähren, abwerfen müßte. Der Umstand, daß keine Wasser¬ straße dem Schienenwege Concurrenz machen konnte, erhöhte die Bürgschaft des günstigen Erfolges bis zur Gewißheit. Gleichwohl ging man schüchtern genug ans Werk. Nicht nur wurde alles mit der größten Oekonomie und in möglichst be¬ schränktem Maßstabe angelegt" und die Bahn vorerst gleichsam zum Versuche nur bis zu dem etwas über zwei Meilen entfernten Wagram tracirt und aus¬ geführt, sondern es begehrten und erhielten auch die Gründer von der Regie¬ rung ein ausschließliches Privilegium, welches nicht nur auf zwei Menschenalter hinaus jede Concurrenz ausschloß, sondern auch der Bahn noch anderweitige wichtige Vortheile sicherte. Daß die ersten Locomotiven vom Auslande bezogen und zu deren Leitung einige Engländer angestellt wurden, war unter den damaligen Verhältnissen begreiflich. Befänden sich die technischen Anstalten in Oestreich im Vergleiche zu den ausländischen im Allgemeinen schon aus einer sehr niedrigen Stufe, so waren die Eisenbahnen vollends eine terru, inooguita. Die Wahrnehmung, daß die um Oestreich verdientesten Männer in den meisten Fällen keine gebornen Oestreicher sind oder wenigstens ihre Bildung im Auslande erlangt haben, traf auch hier wieder zu. Denn die Seele des Baues war der Ingenieur Hermene- gild Francesco ni, ein Mann, welcher zwar in Oestreich sich eingebürgert, aber seine Studien an einer französisch-italienischen Militärakademie (unter Napoleons Negierung) gemacht hatte. Francesconi kann mit Recht der Schöpfer des östreichischen Eisenbahnwesens genannt werden. Für die Fehler, welche er gemacht hat, ist in sehr vielen Fällen die geringere Einsicht und Erfahrung jener Männer verantwortlich zu machen, die ihn unterstützen sollten. Auch unter diesen jedoch waren die Kapacitäten Ausländer oder sie hatten ihr Wissen auf auswärtigen Unterrichtsanstalten erworben, so z. B. Negrelli, Ghega u. A. Die günstig ausgefallenen Probefahrten hoben den Muth der Actionäre und ziemlich rasch ging nun der Ausbau der Strecke bis Lundenburg, wo sich die Bahn theilte und Zweige nach Brunn und Prerau und von da weiter aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/224>, abgerufen am 03.07.2024.