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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Zaubcrschaden geschützt hielt. Darauf wurde wieder tapfer Bier gezecht, zu
welchem Behuf zwölf Tonnen angefahren sein mühten, und so lange dieses
Bier anhielt, tanzte alles, jung und alt um den Kronenbaum bis tief in die
Nacht hinein, wie die Kinder Israel um das goldne Kalb.

Regelmäßig weihte man zu Anfang jedes Quartals im Wendlande die
Viehställe und die Häuser ein indem man sie an den vier Ecken mit Bier oder
Branntwein besprengte. Fragte man nach dein Grunde dieser Sitte, so erhielt
man die Antwort: die siebte wolle es so baben, und wenn es unterbliebe,
würde das Vieh nicht gedeihen. Im Dorfe Küsten besprengte man zu gewissen
Zeiten sogar die Schenkstube auf feierliche Weise mit Bier. Ein Gleiches ge¬
schah in jedem Dorfe bei der Reinigung des Gemeindebrunnens. Nachdem
dieses Geschäft beendigt war, wurde Bier in den Brunnen geschüttet, und
sobald sich auf dem Grunde desselben wieder etwas Wasser gesammelt, schöpfte
man von demselben und goß es unter das Bier, welches man zum Vertrinken
bei dem nun folgenden Festgelage bestimmt hatte.

Viel gedacht wird man sich bei solchen Opferspenden schwerlich haben. Es
war eben Herkommen.

Jetzt sind diese augenscheinlich aus heidnischer Zeit stammenden Gebräuche
wie andere Ceremonien und Observanzen -- z. B. die Sitte, daß im ganzen
Wendlandc am Donnerstage, in einigen Dörfern auch am Sonnabende nicht
gesponnen werden durfte -- schon seit mehren Jahrzehnten außer Uebung ge¬
kommen und nur die Alten wissen noch davon zu berichten. Es ist daher mit
Dank anzuerkennen, daß der Verfasser unsrer Schrift sie in seinen Bericht auf¬
genommen und so vor dem Vergessenwerden bewahrt hat.




Die östreichischen Eisenbahnen.

Die Zahl der östreichischen Eisenbahnpapiere mag sich seit den letzten
zehn Jahren verfünffacht, ja vielleicht verzehnfacht haben. Denn nicht nur ha¬
ben die bereits bestehenden Bahnen ihre Linien verlängert und Zweigbahnen
angesetzt, sowie mehre ganz neue Schienenwege dem Verkehre übergeben wor¬
den sind, sondern es wimmelt auch von einer Menge sogenannter junger Bah-


Zaubcrschaden geschützt hielt. Darauf wurde wieder tapfer Bier gezecht, zu
welchem Behuf zwölf Tonnen angefahren sein mühten, und so lange dieses
Bier anhielt, tanzte alles, jung und alt um den Kronenbaum bis tief in die
Nacht hinein, wie die Kinder Israel um das goldne Kalb.

Regelmäßig weihte man zu Anfang jedes Quartals im Wendlande die
Viehställe und die Häuser ein indem man sie an den vier Ecken mit Bier oder
Branntwein besprengte. Fragte man nach dein Grunde dieser Sitte, so erhielt
man die Antwort: die siebte wolle es so baben, und wenn es unterbliebe,
würde das Vieh nicht gedeihen. Im Dorfe Küsten besprengte man zu gewissen
Zeiten sogar die Schenkstube auf feierliche Weise mit Bier. Ein Gleiches ge¬
schah in jedem Dorfe bei der Reinigung des Gemeindebrunnens. Nachdem
dieses Geschäft beendigt war, wurde Bier in den Brunnen geschüttet, und
sobald sich auf dem Grunde desselben wieder etwas Wasser gesammelt, schöpfte
man von demselben und goß es unter das Bier, welches man zum Vertrinken
bei dem nun folgenden Festgelage bestimmt hatte.

Viel gedacht wird man sich bei solchen Opferspenden schwerlich haben. Es
war eben Herkommen.

Jetzt sind diese augenscheinlich aus heidnischer Zeit stammenden Gebräuche
wie andere Ceremonien und Observanzen — z. B. die Sitte, daß im ganzen
Wendlandc am Donnerstage, in einigen Dörfern auch am Sonnabende nicht
gesponnen werden durfte — schon seit mehren Jahrzehnten außer Uebung ge¬
kommen und nur die Alten wissen noch davon zu berichten. Es ist daher mit
Dank anzuerkennen, daß der Verfasser unsrer Schrift sie in seinen Bericht auf¬
genommen und so vor dem Vergessenwerden bewahrt hat.




Die östreichischen Eisenbahnen.

Die Zahl der östreichischen Eisenbahnpapiere mag sich seit den letzten
zehn Jahren verfünffacht, ja vielleicht verzehnfacht haben. Denn nicht nur ha¬
ben die bereits bestehenden Bahnen ihre Linien verlängert und Zweigbahnen
angesetzt, sowie mehre ganz neue Schienenwege dem Verkehre übergeben wor¬
den sind, sondern es wimmelt auch von einer Menge sogenannter junger Bah-


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[0222] Zaubcrschaden geschützt hielt. Darauf wurde wieder tapfer Bier gezecht, zu welchem Behuf zwölf Tonnen angefahren sein mühten, und so lange dieses Bier anhielt, tanzte alles, jung und alt um den Kronenbaum bis tief in die Nacht hinein, wie die Kinder Israel um das goldne Kalb. Regelmäßig weihte man zu Anfang jedes Quartals im Wendlande die Viehställe und die Häuser ein indem man sie an den vier Ecken mit Bier oder Branntwein besprengte. Fragte man nach dein Grunde dieser Sitte, so erhielt man die Antwort: die siebte wolle es so baben, und wenn es unterbliebe, würde das Vieh nicht gedeihen. Im Dorfe Küsten besprengte man zu gewissen Zeiten sogar die Schenkstube auf feierliche Weise mit Bier. Ein Gleiches ge¬ schah in jedem Dorfe bei der Reinigung des Gemeindebrunnens. Nachdem dieses Geschäft beendigt war, wurde Bier in den Brunnen geschüttet, und sobald sich auf dem Grunde desselben wieder etwas Wasser gesammelt, schöpfte man von demselben und goß es unter das Bier, welches man zum Vertrinken bei dem nun folgenden Festgelage bestimmt hatte. Viel gedacht wird man sich bei solchen Opferspenden schwerlich haben. Es war eben Herkommen. Jetzt sind diese augenscheinlich aus heidnischer Zeit stammenden Gebräuche wie andere Ceremonien und Observanzen — z. B. die Sitte, daß im ganzen Wendlandc am Donnerstage, in einigen Dörfern auch am Sonnabende nicht gesponnen werden durfte — schon seit mehren Jahrzehnten außer Uebung ge¬ kommen und nur die Alten wissen noch davon zu berichten. Es ist daher mit Dank anzuerkennen, daß der Verfasser unsrer Schrift sie in seinen Bericht auf¬ genommen und so vor dem Vergessenwerden bewahrt hat. Die östreichischen Eisenbahnen. Die Zahl der östreichischen Eisenbahnpapiere mag sich seit den letzten zehn Jahren verfünffacht, ja vielleicht verzehnfacht haben. Denn nicht nur ha¬ ben die bereits bestehenden Bahnen ihre Linien verlängert und Zweigbahnen angesetzt, sowie mehre ganz neue Schienenwege dem Verkehre übergeben wor¬ den sind, sondern es wimmelt auch von einer Menge sogenannter junger Bah-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/222>, abgerufen am 03.07.2024.