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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Formen die wohlbegründeten Landesrechte der deutschen Herzogthümer vor däni¬
schen Ehrgeiz und dänischer Selbstsucht schützen wollte.

Fürwahr, wäre die Personalunion noch rechtlich möglich, so würde man
heute noch, um Schleswig-Holstein vor den gedachten Eigenschaften der Dänen
sicher zu stellen, sich entschließen müssen, die in Rede stehenden Versassungs-
artikel gelten zu lassen. Wollte man dies ablehnen, so hätte man nur die
Wahl zwischen fortdauernder militärischer Besetzung oder dem Schauspiel wieder¬
kehrender Gewaltherrschaft der Dänen in deutschen Landen.

Wenn man ferner das Einkammersystem tadelt, zu dem sich das
Staatsgrundgesctz Schleswig-Holsteins bekennt, und wenn man an dem all¬
gemeinen Stimmrecht Anstoß nimmt, welches das zu demselben gehörige
Wahlgesetz vom 20. October 1848 verleihen soll, so ist auch dies unbegründet.

Für das Einkammersystem spricht zunächst, daß sich zwei Kammern nur
für große Staaten empfehlen, Schleswig-Holstein aber mit noch nicht einer
Million Einwohnern an einer vollkommen Genüge hat. Sodann aber ver¬
einigt die eine Kammer der Schleswig-holsteinischen Verfassung so viele conser-
vative Elemente in sich, daß bei ihr an eine Ueberstürzung bei der Berathung
und Beschlußfassung kaum zu denken ist. Denn das allgemeine Stimmrecht
gilt nicht für alle Deputaten, aus denen die Landesvcrsammlung zusammen¬
gesetzt ist, sondern nur für die Hälfte derselben.

Die Landesversammlung, welche aus directen Wahlen hervorgeht und hun¬
dert Mitglieder zählt, wird aus zwei Bestandtheilen, gewissermaßen Elementen
zu einer zweiten und andrerseits Elementen zu einer ersten Kammer, zusammen¬
gesetzt. Die eine Hälfte der Abgeordneten geht aus directen und ganz allge¬
meinen Wahlen hervor, die andere dagegen wird dergestalt gebildet, daß 20 Ab¬
geordnete von solchen Städtern und Bewohnern städtische Gewerbe treibender
Flecken, welche einen Grundbesitz zum Brandkassenwcrth von mindestens
000 Thlrn. oder ein reines Einkommen von mehr als 130 Thlrn. haben, 20 fernere
Abgeordnete von ebenso qualificirten Landbewohnern und 10 Abgeordnete durch
größere Landeigenthümer, die einen Grundbesi^ von mehr als 30,000 Thlrn/)
haben, gewählt werden.

Wir sehen hieraus, daß durch diese Censuswahlen für ein Gegengewicht
gegen etwaige üble Folgen der allgemeinen Boltswahlen gesorgt ist, wenn auch
der eine oder der andere Bedenkliche für die Wähler der Städte einen höheren
Census wünschen mag. Wir finden ferner, daß auch der große Grundbesitz
nach diesem Wahlgesetz zur Geltung kommt, wenngleich vielleicht in nicht völlig
genügendem Maße. Dazu kommt sodann noch die Bestimmung des Art. 94



') Hier wie oben Schleswig-holsteinische Courcmtthalcr zu 3 Mark oder 1 Thlr. 6 Sgr.
preußisch.

Formen die wohlbegründeten Landesrechte der deutschen Herzogthümer vor däni¬
schen Ehrgeiz und dänischer Selbstsucht schützen wollte.

Fürwahr, wäre die Personalunion noch rechtlich möglich, so würde man
heute noch, um Schleswig-Holstein vor den gedachten Eigenschaften der Dänen
sicher zu stellen, sich entschließen müssen, die in Rede stehenden Versassungs-
artikel gelten zu lassen. Wollte man dies ablehnen, so hätte man nur die
Wahl zwischen fortdauernder militärischer Besetzung oder dem Schauspiel wieder¬
kehrender Gewaltherrschaft der Dänen in deutschen Landen.

Wenn man ferner das Einkammersystem tadelt, zu dem sich das
Staatsgrundgesctz Schleswig-Holsteins bekennt, und wenn man an dem all¬
gemeinen Stimmrecht Anstoß nimmt, welches das zu demselben gehörige
Wahlgesetz vom 20. October 1848 verleihen soll, so ist auch dies unbegründet.

Für das Einkammersystem spricht zunächst, daß sich zwei Kammern nur
für große Staaten empfehlen, Schleswig-Holstein aber mit noch nicht einer
Million Einwohnern an einer vollkommen Genüge hat. Sodann aber ver¬
einigt die eine Kammer der Schleswig-holsteinischen Verfassung so viele conser-
vative Elemente in sich, daß bei ihr an eine Ueberstürzung bei der Berathung
und Beschlußfassung kaum zu denken ist. Denn das allgemeine Stimmrecht
gilt nicht für alle Deputaten, aus denen die Landesvcrsammlung zusammen¬
gesetzt ist, sondern nur für die Hälfte derselben.

Die Landesversammlung, welche aus directen Wahlen hervorgeht und hun¬
dert Mitglieder zählt, wird aus zwei Bestandtheilen, gewissermaßen Elementen
zu einer zweiten und andrerseits Elementen zu einer ersten Kammer, zusammen¬
gesetzt. Die eine Hälfte der Abgeordneten geht aus directen und ganz allge¬
meinen Wahlen hervor, die andere dagegen wird dergestalt gebildet, daß 20 Ab¬
geordnete von solchen Städtern und Bewohnern städtische Gewerbe treibender
Flecken, welche einen Grundbesitz zum Brandkassenwcrth von mindestens
000 Thlrn. oder ein reines Einkommen von mehr als 130 Thlrn. haben, 20 fernere
Abgeordnete von ebenso qualificirten Landbewohnern und 10 Abgeordnete durch
größere Landeigenthümer, die einen Grundbesi^ von mehr als 30,000 Thlrn/)
haben, gewählt werden.

Wir sehen hieraus, daß durch diese Censuswahlen für ein Gegengewicht
gegen etwaige üble Folgen der allgemeinen Boltswahlen gesorgt ist, wenn auch
der eine oder der andere Bedenkliche für die Wähler der Städte einen höheren
Census wünschen mag. Wir finden ferner, daß auch der große Grundbesitz
nach diesem Wahlgesetz zur Geltung kommt, wenngleich vielleicht in nicht völlig
genügendem Maße. Dazu kommt sodann noch die Bestimmung des Art. 94



') Hier wie oben Schleswig-holsteinische Courcmtthalcr zu 3 Mark oder 1 Thlr. 6 Sgr.
preußisch.
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[0196] Formen die wohlbegründeten Landesrechte der deutschen Herzogthümer vor däni¬ schen Ehrgeiz und dänischer Selbstsucht schützen wollte. Fürwahr, wäre die Personalunion noch rechtlich möglich, so würde man heute noch, um Schleswig-Holstein vor den gedachten Eigenschaften der Dänen sicher zu stellen, sich entschließen müssen, die in Rede stehenden Versassungs- artikel gelten zu lassen. Wollte man dies ablehnen, so hätte man nur die Wahl zwischen fortdauernder militärischer Besetzung oder dem Schauspiel wieder¬ kehrender Gewaltherrschaft der Dänen in deutschen Landen. Wenn man ferner das Einkammersystem tadelt, zu dem sich das Staatsgrundgesctz Schleswig-Holsteins bekennt, und wenn man an dem all¬ gemeinen Stimmrecht Anstoß nimmt, welches das zu demselben gehörige Wahlgesetz vom 20. October 1848 verleihen soll, so ist auch dies unbegründet. Für das Einkammersystem spricht zunächst, daß sich zwei Kammern nur für große Staaten empfehlen, Schleswig-Holstein aber mit noch nicht einer Million Einwohnern an einer vollkommen Genüge hat. Sodann aber ver¬ einigt die eine Kammer der Schleswig-holsteinischen Verfassung so viele conser- vative Elemente in sich, daß bei ihr an eine Ueberstürzung bei der Berathung und Beschlußfassung kaum zu denken ist. Denn das allgemeine Stimmrecht gilt nicht für alle Deputaten, aus denen die Landesvcrsammlung zusammen¬ gesetzt ist, sondern nur für die Hälfte derselben. Die Landesversammlung, welche aus directen Wahlen hervorgeht und hun¬ dert Mitglieder zählt, wird aus zwei Bestandtheilen, gewissermaßen Elementen zu einer zweiten und andrerseits Elementen zu einer ersten Kammer, zusammen¬ gesetzt. Die eine Hälfte der Abgeordneten geht aus directen und ganz allge¬ meinen Wahlen hervor, die andere dagegen wird dergestalt gebildet, daß 20 Ab¬ geordnete von solchen Städtern und Bewohnern städtische Gewerbe treibender Flecken, welche einen Grundbesitz zum Brandkassenwcrth von mindestens 000 Thlrn. oder ein reines Einkommen von mehr als 130 Thlrn. haben, 20 fernere Abgeordnete von ebenso qualificirten Landbewohnern und 10 Abgeordnete durch größere Landeigenthümer, die einen Grundbesi^ von mehr als 30,000 Thlrn/) haben, gewählt werden. Wir sehen hieraus, daß durch diese Censuswahlen für ein Gegengewicht gegen etwaige üble Folgen der allgemeinen Boltswahlen gesorgt ist, wenn auch der eine oder der andere Bedenkliche für die Wähler der Städte einen höheren Census wünschen mag. Wir finden ferner, daß auch der große Grundbesitz nach diesem Wahlgesetz zur Geltung kommt, wenngleich vielleicht in nicht völlig genügendem Maße. Dazu kommt sodann noch die Bestimmung des Art. 94 ') Hier wie oben Schleswig-holsteinische Courcmtthalcr zu 3 Mark oder 1 Thlr. 6 Sgr. preußisch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/196>, abgerufen am 01.10.2024.