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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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dient hervorgehoben zu werden, daß gerade jene auffälligen Bestimmungen der
Verfassung mit nahe an Einstimmigkeit grenzenden Majoritäten beschlossen wurden,
während es doch in der Landesversammlung an gemäßigten und besonnenen
Elementen nicht fehlte, ja während ein gemäßigter Liberalismus in derselben
ganz entschieden die Oberhand hatte.

Das wäre nur eine Erklärung für die Entstehung des Auffälligen in der
Septemberverfassuug. Dasselbe läßt sich aber auch, wie sehr es auf den ersten
Blick das billige Maß der Unterthancnrechte zu übersteigen scheint, vollständig
rechtfertigen, und zwar liegt die Rechtfertigung in der vorhin schon angedeuteten
Thatsache, daß Schleswig-Holstein im Jahre 1848 den Konig von Dänemark
als seinen rechtmäßigen Herzog anerkannte. Daraus ergab sich mit Nothwen¬
digkeit Folgendes:

Da der Herzog Friedrich der Siebente dem deutschen Theile der in Per¬
sonalunion verbundenen Länder nicht frei gegenüberstand, da er als König von
Dänemark unter dem Druck der Volksbewegung in Kopenhagen lebte, so mußte
die Verfassung der Herzogthümer die Bewohner der letzteren gegen die Folgen
dieses Verhältnisses sicher stellen. Dieselbe mußte nicht sowohl gegen den bösen
Willen des Souveräns als gegen die Herrschaft dänischer Minister und Reichs¬
tagsmajoritäten in Schleswig-holsteinischen Angelegenheiten Schutz gewähren.
Die citirten Sätze des Staatsgrundgesetzes der Herzogthümer erhalten erst ihre
richtige Beleuchtung, werden erst recht begreiflich, wenn man sie mit dem Grund¬
gesetz des Königreichs Dänemark vom 9. Juni 1849, dem schließlichen Producte
dieser Entwickelung der Dinge vergleicht, einem Producte, welches schon im
September 1848 vorauszusehen war. Auch das dänische Grundgesetz besagt
unter Anderm, daß dem Könige vor Ableistung des Eides auf die Verfassung
keine Regierungsgewalt zusteht.

Man hatte mit einem Worte diejenigen Schranken aufzubauen, diejenigen
Garantien zu schaffen, unter welchen eine Personalunion des selbständigen und
gleichberechtigten Schleswig-Holstein mit einem constitutionell regierten, die
Macht der Krone fast bis zur Unfreiheit beschränkt haltenden und eifrig auf
Unterwerfung und Ausbeutung der Herzogthümer. mindestens Schleswigs, be¬
dachten Dänemark erträglich erscheinen konnte. Nur dies, nichts Anderes war
der Zweck jener von conservativer Seite jetzt beanstandeten Gesetzgebung von
1848, und wenn ein vorurtheilsfreier Staatsmann, der Verfassungen nicht nach
einer bestimmten Schablone zu beurtheilen gewohnt ist, sich die Maßregeln vor
Augen hält, welche die dänische Regierung in den letztverflossenen dreizehn Jah¬
ren gegen die Herzogthümer und namentlich gegen Schleswig zu verhängen
beliebt hat, und damit jene auffälligen Bestimmungen der fchlcswig-holsteinischen
Verfassung vom September 1848 zusammenhält, so wird er einräumen müssen,
daß auch nicht eine derselben zu entbehren war, wenn man durch rechtliche


dient hervorgehoben zu werden, daß gerade jene auffälligen Bestimmungen der
Verfassung mit nahe an Einstimmigkeit grenzenden Majoritäten beschlossen wurden,
während es doch in der Landesversammlung an gemäßigten und besonnenen
Elementen nicht fehlte, ja während ein gemäßigter Liberalismus in derselben
ganz entschieden die Oberhand hatte.

Das wäre nur eine Erklärung für die Entstehung des Auffälligen in der
Septemberverfassuug. Dasselbe läßt sich aber auch, wie sehr es auf den ersten
Blick das billige Maß der Unterthancnrechte zu übersteigen scheint, vollständig
rechtfertigen, und zwar liegt die Rechtfertigung in der vorhin schon angedeuteten
Thatsache, daß Schleswig-Holstein im Jahre 1848 den Konig von Dänemark
als seinen rechtmäßigen Herzog anerkannte. Daraus ergab sich mit Nothwen¬
digkeit Folgendes:

Da der Herzog Friedrich der Siebente dem deutschen Theile der in Per¬
sonalunion verbundenen Länder nicht frei gegenüberstand, da er als König von
Dänemark unter dem Druck der Volksbewegung in Kopenhagen lebte, so mußte
die Verfassung der Herzogthümer die Bewohner der letzteren gegen die Folgen
dieses Verhältnisses sicher stellen. Dieselbe mußte nicht sowohl gegen den bösen
Willen des Souveräns als gegen die Herrschaft dänischer Minister und Reichs¬
tagsmajoritäten in Schleswig-holsteinischen Angelegenheiten Schutz gewähren.
Die citirten Sätze des Staatsgrundgesetzes der Herzogthümer erhalten erst ihre
richtige Beleuchtung, werden erst recht begreiflich, wenn man sie mit dem Grund¬
gesetz des Königreichs Dänemark vom 9. Juni 1849, dem schließlichen Producte
dieser Entwickelung der Dinge vergleicht, einem Producte, welches schon im
September 1848 vorauszusehen war. Auch das dänische Grundgesetz besagt
unter Anderm, daß dem Könige vor Ableistung des Eides auf die Verfassung
keine Regierungsgewalt zusteht.

Man hatte mit einem Worte diejenigen Schranken aufzubauen, diejenigen
Garantien zu schaffen, unter welchen eine Personalunion des selbständigen und
gleichberechtigten Schleswig-Holstein mit einem constitutionell regierten, die
Macht der Krone fast bis zur Unfreiheit beschränkt haltenden und eifrig auf
Unterwerfung und Ausbeutung der Herzogthümer. mindestens Schleswigs, be¬
dachten Dänemark erträglich erscheinen konnte. Nur dies, nichts Anderes war
der Zweck jener von conservativer Seite jetzt beanstandeten Gesetzgebung von
1848, und wenn ein vorurtheilsfreier Staatsmann, der Verfassungen nicht nach
einer bestimmten Schablone zu beurtheilen gewohnt ist, sich die Maßregeln vor
Augen hält, welche die dänische Regierung in den letztverflossenen dreizehn Jah¬
ren gegen die Herzogthümer und namentlich gegen Schleswig zu verhängen
beliebt hat, und damit jene auffälligen Bestimmungen der fchlcswig-holsteinischen
Verfassung vom September 1848 zusammenhält, so wird er einräumen müssen,
daß auch nicht eine derselben zu entbehren war, wenn man durch rechtliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/195>, abgerufen am 03.07.2024.