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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Vieles hiervon zwar treffen wir in allen constitutionellen Ländern und nament-
lieh in Preußen in ähnlicher Weise an. anderes indessen unterscheidet die Ver¬
fassung Schleswig-Holsteins auffällig von denen aller übrigen deutschen Staa¬
ten und findet unseres Wissens nur in Norwegen, Dänemark und Belgien theil¬
weise ein Analogon. Hierher gehört zunächst der Artikel 34: "Vor dem An¬
tritt der Regierung leistet der Herzog den folgenden Eid entweder schrift¬
lich oder vor der Landesversammlung persönlich: Ich gelobe und schwöre, die
Verfassung und die Gesetze der Herzogthümer Schleswig-Holstein zu beobachten
und die Rechte des Volkes aufrecht zu erhalten. So wahr mir Gott helfe und
sein heiliges Wort. Die Urkunde über den geleisteten Eid wird in dem Archiv
der Landesversammlung aufbewahrt. Bevor der Herzog den Eid gelei¬
stet hat, steht ihm keine Regierungsgewalt zu." Letztere Bestimmung
verstößt gegen die Bundcsgesetze. Ferner muß der Herzog, wenn er zugleich
Oberhaupt eines nicht deutschen Staates ist, "so oft und so lange er sich außer¬
halb der Grenzen der Herzogthümer befindet, alle kraft des Grundgesetzes und
der Gesetze ihm zustehenden Rechte durch einen Statthalter selbständig ausüben
lassen." "Der Statthalter kann durch keine Befehle und Jnstructionen des Her¬
zogs beschränkt werden" (Art. 46). "Derselbe muß Mitglied eines deutschen
Fürstenhauses oder Schleswig-holsteinischer Staatsbürger sein (Art. 47); seine
Ernennung wird erst wirksam, nachdem er einen ähnlichen Eid geleistet hat
wie der Herzog vor seinem Regierungsantritt (Art. 48), und er hat am Sitz
der Regierung zu wohnen und darf in einem Jahre nicht länger als drei Mo¬
nate außerhalb der Grenzen des Staatsgebiets sich aufhalten (Art. 49)." Der
Herzog hat sodann kein absolutes, sondern nur ein suspensives
Veto. Art. 70 besagt: "Wird während der Herzog Oberhaupt eines andern,
nicht deutschen Staates ist, ein Gesetzantrag auf drei verschiedenen Landtagen
von der Landesversammlung mit einer Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen
unverändert angenommen, so kann der Herzog seine Zustimmung zu demselben
nicht verweigern und verkündet ihn als Gesetz." Unter der nämUchcn Voraus¬
setzung, daß der Herzog zugleich Souverän eines anderen Staates ist, können
nach Art. 54 "Verträge mit diesem Staate (also nicht Verträge überhaupt)
nur unter Zuziehung von besonders Bevollmächtigten der Landesversammlung
und unter Vorbehalt der Ratification unterhandelt werden. Die Ratifikation
geschieht von dem Herzoge und der Landesversammlung." Weitere Beschrän¬
kungen der Regierungsgewalt des Herzogs finden sich dann in den Artikeln
132 und 134. nach welchen Schleswig-holsteinische Truppen nur mit Einwilligung
der Landesversammlung oder auf Verfügung der deutschen Centralgewalt die
Grenzen des deutschen Staatsgebietes überschreiten dürfen und Truppen nicht-
deutscber Staaten nur mit Zustimmung der Landesvertretung gestattet werden
kann, in die Herzogthümer einzurücken.


Vieles hiervon zwar treffen wir in allen constitutionellen Ländern und nament-
lieh in Preußen in ähnlicher Weise an. anderes indessen unterscheidet die Ver¬
fassung Schleswig-Holsteins auffällig von denen aller übrigen deutschen Staa¬
ten und findet unseres Wissens nur in Norwegen, Dänemark und Belgien theil¬
weise ein Analogon. Hierher gehört zunächst der Artikel 34: „Vor dem An¬
tritt der Regierung leistet der Herzog den folgenden Eid entweder schrift¬
lich oder vor der Landesversammlung persönlich: Ich gelobe und schwöre, die
Verfassung und die Gesetze der Herzogthümer Schleswig-Holstein zu beobachten
und die Rechte des Volkes aufrecht zu erhalten. So wahr mir Gott helfe und
sein heiliges Wort. Die Urkunde über den geleisteten Eid wird in dem Archiv
der Landesversammlung aufbewahrt. Bevor der Herzog den Eid gelei¬
stet hat, steht ihm keine Regierungsgewalt zu." Letztere Bestimmung
verstößt gegen die Bundcsgesetze. Ferner muß der Herzog, wenn er zugleich
Oberhaupt eines nicht deutschen Staates ist, „so oft und so lange er sich außer¬
halb der Grenzen der Herzogthümer befindet, alle kraft des Grundgesetzes und
der Gesetze ihm zustehenden Rechte durch einen Statthalter selbständig ausüben
lassen." „Der Statthalter kann durch keine Befehle und Jnstructionen des Her¬
zogs beschränkt werden" (Art. 46). „Derselbe muß Mitglied eines deutschen
Fürstenhauses oder Schleswig-holsteinischer Staatsbürger sein (Art. 47); seine
Ernennung wird erst wirksam, nachdem er einen ähnlichen Eid geleistet hat
wie der Herzog vor seinem Regierungsantritt (Art. 48), und er hat am Sitz
der Regierung zu wohnen und darf in einem Jahre nicht länger als drei Mo¬
nate außerhalb der Grenzen des Staatsgebiets sich aufhalten (Art. 49)." Der
Herzog hat sodann kein absolutes, sondern nur ein suspensives
Veto. Art. 70 besagt: „Wird während der Herzog Oberhaupt eines andern,
nicht deutschen Staates ist, ein Gesetzantrag auf drei verschiedenen Landtagen
von der Landesversammlung mit einer Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen
unverändert angenommen, so kann der Herzog seine Zustimmung zu demselben
nicht verweigern und verkündet ihn als Gesetz." Unter der nämUchcn Voraus¬
setzung, daß der Herzog zugleich Souverän eines anderen Staates ist, können
nach Art. 54 „Verträge mit diesem Staate (also nicht Verträge überhaupt)
nur unter Zuziehung von besonders Bevollmächtigten der Landesversammlung
und unter Vorbehalt der Ratification unterhandelt werden. Die Ratifikation
geschieht von dem Herzoge und der Landesversammlung." Weitere Beschrän¬
kungen der Regierungsgewalt des Herzogs finden sich dann in den Artikeln
132 und 134. nach welchen Schleswig-holsteinische Truppen nur mit Einwilligung
der Landesversammlung oder auf Verfügung der deutschen Centralgewalt die
Grenzen des deutschen Staatsgebietes überschreiten dürfen und Truppen nicht-
deutscber Staaten nur mit Zustimmung der Landesvertretung gestattet werden
kann, in die Herzogthümer einzurücken.


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[0193] Vieles hiervon zwar treffen wir in allen constitutionellen Ländern und nament- lieh in Preußen in ähnlicher Weise an. anderes indessen unterscheidet die Ver¬ fassung Schleswig-Holsteins auffällig von denen aller übrigen deutschen Staa¬ ten und findet unseres Wissens nur in Norwegen, Dänemark und Belgien theil¬ weise ein Analogon. Hierher gehört zunächst der Artikel 34: „Vor dem An¬ tritt der Regierung leistet der Herzog den folgenden Eid entweder schrift¬ lich oder vor der Landesversammlung persönlich: Ich gelobe und schwöre, die Verfassung und die Gesetze der Herzogthümer Schleswig-Holstein zu beobachten und die Rechte des Volkes aufrecht zu erhalten. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort. Die Urkunde über den geleisteten Eid wird in dem Archiv der Landesversammlung aufbewahrt. Bevor der Herzog den Eid gelei¬ stet hat, steht ihm keine Regierungsgewalt zu." Letztere Bestimmung verstößt gegen die Bundcsgesetze. Ferner muß der Herzog, wenn er zugleich Oberhaupt eines nicht deutschen Staates ist, „so oft und so lange er sich außer¬ halb der Grenzen der Herzogthümer befindet, alle kraft des Grundgesetzes und der Gesetze ihm zustehenden Rechte durch einen Statthalter selbständig ausüben lassen." „Der Statthalter kann durch keine Befehle und Jnstructionen des Her¬ zogs beschränkt werden" (Art. 46). „Derselbe muß Mitglied eines deutschen Fürstenhauses oder Schleswig-holsteinischer Staatsbürger sein (Art. 47); seine Ernennung wird erst wirksam, nachdem er einen ähnlichen Eid geleistet hat wie der Herzog vor seinem Regierungsantritt (Art. 48), und er hat am Sitz der Regierung zu wohnen und darf in einem Jahre nicht länger als drei Mo¬ nate außerhalb der Grenzen des Staatsgebiets sich aufhalten (Art. 49)." Der Herzog hat sodann kein absolutes, sondern nur ein suspensives Veto. Art. 70 besagt: „Wird während der Herzog Oberhaupt eines andern, nicht deutschen Staates ist, ein Gesetzantrag auf drei verschiedenen Landtagen von der Landesversammlung mit einer Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen unverändert angenommen, so kann der Herzog seine Zustimmung zu demselben nicht verweigern und verkündet ihn als Gesetz." Unter der nämUchcn Voraus¬ setzung, daß der Herzog zugleich Souverän eines anderen Staates ist, können nach Art. 54 „Verträge mit diesem Staate (also nicht Verträge überhaupt) nur unter Zuziehung von besonders Bevollmächtigten der Landesversammlung und unter Vorbehalt der Ratification unterhandelt werden. Die Ratifikation geschieht von dem Herzoge und der Landesversammlung." Weitere Beschrän¬ kungen der Regierungsgewalt des Herzogs finden sich dann in den Artikeln 132 und 134. nach welchen Schleswig-holsteinische Truppen nur mit Einwilligung der Landesversammlung oder auf Verfügung der deutschen Centralgewalt die Grenzen des deutschen Staatsgebietes überschreiten dürfen und Truppen nicht- deutscber Staaten nur mit Zustimmung der Landesvertretung gestattet werden kann, in die Herzogthümer einzurücken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/193>, abgerufen am 03.07.2024.