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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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fand, dem Ehrendienste des Staates sich zu widmen wie bei der ländlichen
Gentry.

Die Bürgcrversammlungen verloren allmälig jede Bedeutung. Denjenigen
Classen aber, die wirklich an den Lasten und Pflichten sich betheiligten, wurden
durch königliche Jncorporationscharten die Rechte juristischer Personen gegeben.
Der Kreis der berechtigten Activbürger schloß sich somit in verschiedener Weise,
stets aber oligarchisch ab, was als ein Mißverhältnis, erst dann hervortrat,
als infolge des zunehmenden Reichthums die Anzahl derer, welche die öffent¬
lichen Lasten zu tragen hatten, sich vermehrte ohne daß eine Ausgleichung durch
Erweiterung der politischen Rechte stattfand. Da nun serner die durch Charte
pnvilcgirten Theilnehmer des activen Statdbürgerrechts ihre Pflichten vielfach
durch bezahlte Beamte besorgen ließen, so wurde in doppelter Richtung von
dem in der Grafschaft lebendigen Grundprincipe abgewichen, indem 1) die herr¬
schende Classe sich nicht in genügendem Maße persönlich an der Verwaltung
betheiligte und 2) viele an den öffentlichen Leistungen Betheiligte von den
wegen dieser Leistungen ihnen gebührenden Rechten ausgeschlossen wurden.
Dies ging zuletzt so weit, daß viele Personen, die gar nichts zu den Lasten
beitrugen, als Ehrenbürger in den Kreis der Berechtigten aufgenommen und
daß durch Annahme des Princips der Cooptation die so geschaffene Oligarchie
verewigt wurde.

Ein Theil der Städte war schon von Beginn der reichsstädtischen Periode
an im Hause der Gemeinen vertreten. Nach und nach wurde dies Recht immer
mehren verliehen, zunächst im Interesse des Königs, der in der Vermehrung
der städtischen Deputirten einen Schutz gegen die Opposition der Landgentry
suchte. So wurde das Unterhaus bald von städtischen Abgeordneten über¬
schwemmt. Die Art, wie das Mißverhältniß zwischen der Vertretung der Graf¬
schaften und der Städte sich thatsächlich ausglich, war nicht minder bedenklich
als das Mißverhältniß selbst. Die kleineren Städte verfielen nämlich durchweg
bald dem Einfluß der Regierung, bald dem des benachbarten Landadels, so daß
gerade die Massenhaftigkeit der städtischen Vertretung die Bedeutung der Städte
verminderte. Cromwell suchte ein richtiges Verhältniß herzustellen, die folgen¬
den Stuarts, völlig einer bodenlosen Tendenzpvlitik hingegeben, steigerten die
Mißbildung, hierin der Unterstützung des Landadels sicher. Alten verfallenen
Flecken wurde das verlorene Wahlrecht zurückgegeben, andern Städten wurde
es willkürlich entzogen.

Die eine wie die andere Maßregel war tendenziös: es kam den Stuarts
nur darauf an. die Städte, die als Oppositionsheerde galten, fremdem Ein¬
fluß preiszugeben. Die herrschende Classe war aber, um das Mißverhältniß
'n der Zahl der Vertreter auszugleichen, geradezu darauf angewiesen, die städti¬
schen Verhältnisse zu verbitten. Im achtzehnten Jahrhundert, unter der Par-


fand, dem Ehrendienste des Staates sich zu widmen wie bei der ländlichen
Gentry.

Die Bürgcrversammlungen verloren allmälig jede Bedeutung. Denjenigen
Classen aber, die wirklich an den Lasten und Pflichten sich betheiligten, wurden
durch königliche Jncorporationscharten die Rechte juristischer Personen gegeben.
Der Kreis der berechtigten Activbürger schloß sich somit in verschiedener Weise,
stets aber oligarchisch ab, was als ein Mißverhältnis, erst dann hervortrat,
als infolge des zunehmenden Reichthums die Anzahl derer, welche die öffent¬
lichen Lasten zu tragen hatten, sich vermehrte ohne daß eine Ausgleichung durch
Erweiterung der politischen Rechte stattfand. Da nun serner die durch Charte
pnvilcgirten Theilnehmer des activen Statdbürgerrechts ihre Pflichten vielfach
durch bezahlte Beamte besorgen ließen, so wurde in doppelter Richtung von
dem in der Grafschaft lebendigen Grundprincipe abgewichen, indem 1) die herr¬
schende Classe sich nicht in genügendem Maße persönlich an der Verwaltung
betheiligte und 2) viele an den öffentlichen Leistungen Betheiligte von den
wegen dieser Leistungen ihnen gebührenden Rechten ausgeschlossen wurden.
Dies ging zuletzt so weit, daß viele Personen, die gar nichts zu den Lasten
beitrugen, als Ehrenbürger in den Kreis der Berechtigten aufgenommen und
daß durch Annahme des Princips der Cooptation die so geschaffene Oligarchie
verewigt wurde.

Ein Theil der Städte war schon von Beginn der reichsstädtischen Periode
an im Hause der Gemeinen vertreten. Nach und nach wurde dies Recht immer
mehren verliehen, zunächst im Interesse des Königs, der in der Vermehrung
der städtischen Deputirten einen Schutz gegen die Opposition der Landgentry
suchte. So wurde das Unterhaus bald von städtischen Abgeordneten über¬
schwemmt. Die Art, wie das Mißverhältniß zwischen der Vertretung der Graf¬
schaften und der Städte sich thatsächlich ausglich, war nicht minder bedenklich
als das Mißverhältniß selbst. Die kleineren Städte verfielen nämlich durchweg
bald dem Einfluß der Regierung, bald dem des benachbarten Landadels, so daß
gerade die Massenhaftigkeit der städtischen Vertretung die Bedeutung der Städte
verminderte. Cromwell suchte ein richtiges Verhältniß herzustellen, die folgen¬
den Stuarts, völlig einer bodenlosen Tendenzpvlitik hingegeben, steigerten die
Mißbildung, hierin der Unterstützung des Landadels sicher. Alten verfallenen
Flecken wurde das verlorene Wahlrecht zurückgegeben, andern Städten wurde
es willkürlich entzogen.

Die eine wie die andere Maßregel war tendenziös: es kam den Stuarts
nur darauf an. die Städte, die als Oppositionsheerde galten, fremdem Ein¬
fluß preiszugeben. Die herrschende Classe war aber, um das Mißverhältniß
'n der Zahl der Vertreter auszugleichen, geradezu darauf angewiesen, die städti¬
schen Verhältnisse zu verbitten. Im achtzehnten Jahrhundert, unter der Par-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/179>, abgerufen am 03.07.2024.