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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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ßige Beleuchtung es ist, angestellt worden sind und die zu so neuen und über¬
raschenden Resultaten geführt haben.

Nachdem ich das nicht sehr trostreiche Bild der Ausstellungsräume selbst
gezeichnet habe, wende ich mich zu ihrem gegenwärtigen Inhalt. Die vom
Düectorium der Akademie ausgehende Aufforderung zur Beschickung der Aus¬
stellung richtet sich an Künstler aller Nationen. Dennoch beschränkt sich die Be¬
theiligung mit sehr wenigen Ausnahmen auf Deutschland, und specieller noch
auf Preußen. Unter der überwiegenden Anzahl von berliner, königsberger, dcm-
ziger und düsseldvrfer Werken sind nur sehr selten und vereinzelt dresdner, münch-
ner, Weimarer, karlsruher zu bemerken. Berlin mit seiner altbegründeten Bild¬
hauer- und seiner im lebendigsten Aufschwung befindlichen Malerschule, die eigent¬
lich weniger als solche, sondern eher als eine stattliche Gesellschaft von Malern,
die gerade hier ihre Werkstätten aufgeschlagen haben, bezeichnet werden kann,
nimmt den quantitativ bedeutendsten, qualitativ höchst respectablen Platz auf
der Ausstellung ein. Von der ganzen Summe der vorhandnen Werke kom¬
men 711 auf die Gemälde, 90 aus die plastischen Werke und 52 aus Stiche,
Lithographien, Holzschnitte und Zeichnungen für den Stich. Bon den be¬
rühmteren und bekannteren norddeutschen Malern werden nur wenige Namen
unter den Ausstellern vermißt. Desto mehr von den Bildhauern. Große
Mouumentalwerke nehmen dieselben in diesem Augenblick fast ausschließlich in
Anspruch, und nur einer unter ihnen hat trotzdem, gleichsam nebenher, eine
Ausstellungsarbeit, eine ganz freie, bestimmungslose Kunstschöpfung producirt
und uns in ihr ein Werk geliefert, das, unbedingt das herrlichste und genie-
vvllste unter allen hier vorhandenen, auch die gepriesensten weit hinter sich
läßt, die aus den Werkstätten unsrer thätigen und tüchtigen Bildhauerschule
überhaupt hervorgegangen sind. An solchen durchschlagenden, alles Andre über¬
strahlenden, begeistertes Interesse auf sich concentrirenden Werken des Genies
fehlt es unter den Gemälden. Keineswegs aber an einer über das sonst ge-
wvhnre Maß hinausgehenden großen Zahl trefflicher, anziehender, geiht- und talent¬
voller Bilder, die diese Ausstellung im Ganzen und Großen zu einer der "hüb¬
schesten" machen, die ich in denselben Räumen gesehn zu haben mich erinnere.
Kaum je zuvor hat das "Genre" einen gleich breiten Platz darin behauptet,
wie diesmal; kaum je zuvor sahen wir die Malerei der "großen Gegenstände"
so vollständig davor zurücktreten. Alles wirkliche Talent, das sich nicht aus¬
schließlich dem Bildniß und der Landschaft hingiebt, erscheint von dieser maleri¬
schen Gattung so vollständig absorbirt, daß für die historische Malerei kaum
mehr als eine künstlerische Kraft von hervorragender Bedeutung übrig geblieben
ist und diese eine ist die eines Fremden, des Belgier Pauwels. (Lessings Huß,
den wir hier noch einmal wiederfinden, gehört einer früheren, mehr als ein
Jahrzehnt hinter uns liegenden Periode an.) Der Realismus ist unter den


ßige Beleuchtung es ist, angestellt worden sind und die zu so neuen und über¬
raschenden Resultaten geführt haben.

Nachdem ich das nicht sehr trostreiche Bild der Ausstellungsräume selbst
gezeichnet habe, wende ich mich zu ihrem gegenwärtigen Inhalt. Die vom
Düectorium der Akademie ausgehende Aufforderung zur Beschickung der Aus¬
stellung richtet sich an Künstler aller Nationen. Dennoch beschränkt sich die Be¬
theiligung mit sehr wenigen Ausnahmen auf Deutschland, und specieller noch
auf Preußen. Unter der überwiegenden Anzahl von berliner, königsberger, dcm-
ziger und düsseldvrfer Werken sind nur sehr selten und vereinzelt dresdner, münch-
ner, Weimarer, karlsruher zu bemerken. Berlin mit seiner altbegründeten Bild¬
hauer- und seiner im lebendigsten Aufschwung befindlichen Malerschule, die eigent¬
lich weniger als solche, sondern eher als eine stattliche Gesellschaft von Malern,
die gerade hier ihre Werkstätten aufgeschlagen haben, bezeichnet werden kann,
nimmt den quantitativ bedeutendsten, qualitativ höchst respectablen Platz auf
der Ausstellung ein. Von der ganzen Summe der vorhandnen Werke kom¬
men 711 auf die Gemälde, 90 aus die plastischen Werke und 52 aus Stiche,
Lithographien, Holzschnitte und Zeichnungen für den Stich. Bon den be¬
rühmteren und bekannteren norddeutschen Malern werden nur wenige Namen
unter den Ausstellern vermißt. Desto mehr von den Bildhauern. Große
Mouumentalwerke nehmen dieselben in diesem Augenblick fast ausschließlich in
Anspruch, und nur einer unter ihnen hat trotzdem, gleichsam nebenher, eine
Ausstellungsarbeit, eine ganz freie, bestimmungslose Kunstschöpfung producirt
und uns in ihr ein Werk geliefert, das, unbedingt das herrlichste und genie-
vvllste unter allen hier vorhandenen, auch die gepriesensten weit hinter sich
läßt, die aus den Werkstätten unsrer thätigen und tüchtigen Bildhauerschule
überhaupt hervorgegangen sind. An solchen durchschlagenden, alles Andre über¬
strahlenden, begeistertes Interesse auf sich concentrirenden Werken des Genies
fehlt es unter den Gemälden. Keineswegs aber an einer über das sonst ge-
wvhnre Maß hinausgehenden großen Zahl trefflicher, anziehender, geiht- und talent¬
voller Bilder, die diese Ausstellung im Ganzen und Großen zu einer der „hüb¬
schesten" machen, die ich in denselben Räumen gesehn zu haben mich erinnere.
Kaum je zuvor hat das „Genre" einen gleich breiten Platz darin behauptet,
wie diesmal; kaum je zuvor sahen wir die Malerei der „großen Gegenstände"
so vollständig davor zurücktreten. Alles wirkliche Talent, das sich nicht aus¬
schließlich dem Bildniß und der Landschaft hingiebt, erscheint von dieser maleri¬
schen Gattung so vollständig absorbirt, daß für die historische Malerei kaum
mehr als eine künstlerische Kraft von hervorragender Bedeutung übrig geblieben
ist und diese eine ist die eines Fremden, des Belgier Pauwels. (Lessings Huß,
den wir hier noch einmal wiederfinden, gehört einer früheren, mehr als ein
Jahrzehnt hinter uns liegenden Periode an.) Der Realismus ist unter den


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[0168] ßige Beleuchtung es ist, angestellt worden sind und die zu so neuen und über¬ raschenden Resultaten geführt haben. Nachdem ich das nicht sehr trostreiche Bild der Ausstellungsräume selbst gezeichnet habe, wende ich mich zu ihrem gegenwärtigen Inhalt. Die vom Düectorium der Akademie ausgehende Aufforderung zur Beschickung der Aus¬ stellung richtet sich an Künstler aller Nationen. Dennoch beschränkt sich die Be¬ theiligung mit sehr wenigen Ausnahmen auf Deutschland, und specieller noch auf Preußen. Unter der überwiegenden Anzahl von berliner, königsberger, dcm- ziger und düsseldvrfer Werken sind nur sehr selten und vereinzelt dresdner, münch- ner, Weimarer, karlsruher zu bemerken. Berlin mit seiner altbegründeten Bild¬ hauer- und seiner im lebendigsten Aufschwung befindlichen Malerschule, die eigent¬ lich weniger als solche, sondern eher als eine stattliche Gesellschaft von Malern, die gerade hier ihre Werkstätten aufgeschlagen haben, bezeichnet werden kann, nimmt den quantitativ bedeutendsten, qualitativ höchst respectablen Platz auf der Ausstellung ein. Von der ganzen Summe der vorhandnen Werke kom¬ men 711 auf die Gemälde, 90 aus die plastischen Werke und 52 aus Stiche, Lithographien, Holzschnitte und Zeichnungen für den Stich. Bon den be¬ rühmteren und bekannteren norddeutschen Malern werden nur wenige Namen unter den Ausstellern vermißt. Desto mehr von den Bildhauern. Große Mouumentalwerke nehmen dieselben in diesem Augenblick fast ausschließlich in Anspruch, und nur einer unter ihnen hat trotzdem, gleichsam nebenher, eine Ausstellungsarbeit, eine ganz freie, bestimmungslose Kunstschöpfung producirt und uns in ihr ein Werk geliefert, das, unbedingt das herrlichste und genie- vvllste unter allen hier vorhandenen, auch die gepriesensten weit hinter sich läßt, die aus den Werkstätten unsrer thätigen und tüchtigen Bildhauerschule überhaupt hervorgegangen sind. An solchen durchschlagenden, alles Andre über¬ strahlenden, begeistertes Interesse auf sich concentrirenden Werken des Genies fehlt es unter den Gemälden. Keineswegs aber an einer über das sonst ge- wvhnre Maß hinausgehenden großen Zahl trefflicher, anziehender, geiht- und talent¬ voller Bilder, die diese Ausstellung im Ganzen und Großen zu einer der „hüb¬ schesten" machen, die ich in denselben Räumen gesehn zu haben mich erinnere. Kaum je zuvor hat das „Genre" einen gleich breiten Platz darin behauptet, wie diesmal; kaum je zuvor sahen wir die Malerei der „großen Gegenstände" so vollständig davor zurücktreten. Alles wirkliche Talent, das sich nicht aus¬ schließlich dem Bildniß und der Landschaft hingiebt, erscheint von dieser maleri¬ schen Gattung so vollständig absorbirt, daß für die historische Malerei kaum mehr als eine künstlerische Kraft von hervorragender Bedeutung übrig geblieben ist und diese eine ist die eines Fremden, des Belgier Pauwels. (Lessings Huß, den wir hier noch einmal wiederfinden, gehört einer früheren, mehr als ein Jahrzehnt hinter uns liegenden Periode an.) Der Realismus ist unter den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/168>, abgerufen am 03.07.2024.