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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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beherbergten Bildern zu wahren Orten der Verdammniß und den Beschauern
zu keiner geringeren Qual. Auch das beste ausstcllungsefscctsgemäß gemalte
Werk wird hier völlig um seine Wirkung, rettungslos vom Leben zum Tode
gebracht und der Betrachtende müht sich vergebens. eine reine Anschauung vom
einen oder andern darunter zu gewinnen. Als ob es an dem, von den gegen¬
über in gleicher Höhe mit ihnen befindlichen Fenstern auf sie einfallenden Spie¬
gel- und Glanzlicht nicht genug wäre, so scheint von etwa zwei Uhr ab die
volle Sonne direct hinein, und macht allem Sehn ein Ende.

, Die ganz schmalen und engen Corridore, die längs der Hauptwand dieser
Säle hinlaufend ihr weit ruhigeres Licht von der entgegengesetzten Seite.em¬
pfangen , leiden wieder unter der äußersten Naumbeschränttheit. Die Zeichnungen
und die Leistungen der -graphischen und vervielfältigenden Künste theilen das
Schicksal der darin planirten Bilder: ein ähnlicher armseliger schmaler Corridor
nimmt auch sie auf. Kein Wunder deshalb, daß keine Ausstellung eröffnet
wird, ohne daß bald genug die Klagen der Künstler sich laut und leidenschaftlich
erheben über den schlechten Platz den ihr Werk erhallen. Gerecht, wie sie
vielfach sind, treffen sie doch selten eigentlich bösen Willen oder Unverstand der
Commission. Wenn die Anzahl der Bilder, welche jede Berücksichtigung Ver-
dienen, zu groß ist, als daß der Raum der drei guten Säle genügte, -- was
thun, um die Urheber der anderweit beherbergten nicht zu entrüsten?

Aber noch ungünstiger erscheinen die räumlichen Bedingungen für die
plastischen Werke. Jene Säle des Erdgeschosses haben eine dumpfe, feuchte,
tellerartige Luft, ein unbehagliches Aussehen, das schon den Aufenthalt in
ihnen verleidet; der weiteste Abstand, den man darin gewinnen kann, reicht
nicht entfernt hin, ein auch nur lebensgroßes Skulpturwerk wirtlich im Gan¬
zen zu überblicken und das kalte einseitige Licht taucht alle ihm abgewandten
Partien der hier aufgestellten Statuen und Büsten in schweren, harten, rcslex-
losen Schatten.

Wie Viel ist nicht seit 20 bis 30 Jahren gegen diese eclatanten Uebelstände
zumal von Seiten der Künstler geeifert, geredet und pctitiouirt! Bisher noch
Vergeblich. Doch gewinnt es gerade jetzt endlich den Anschein, als ob eine Hei¬
lung und Aenderung bevorstände: die Errichtung eines eignen Hauses für die
Nationalgalerie soll eine beschlossene Sache und der Ausführung nahe sein und mit
dieser wird auch die Begründung eines dauernden und würdigen Aussiellungslvcals
eng verbunden sein. Es ist Hoffnung, daß diese Klagen nach wieder zwei Jahren be¬
reits gegenstandslos geworden sein und daß sich die Erbauer der so dringend er¬
wünschten Kunsthallen die Untersuchungen und Erfahrungen mehr als es ir¬
gendwo seither bei ähnlichen Einrichtungen geschehn, zu Nutze machen mögen,
die von kundigen und genau beobachtenden Männern gerade in neuster Zeit
über eine so wichtige Lebensfrage für Werke der Kunst, wie ihre zweckmä-


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beherbergten Bildern zu wahren Orten der Verdammniß und den Beschauern
zu keiner geringeren Qual. Auch das beste ausstcllungsefscctsgemäß gemalte
Werk wird hier völlig um seine Wirkung, rettungslos vom Leben zum Tode
gebracht und der Betrachtende müht sich vergebens. eine reine Anschauung vom
einen oder andern darunter zu gewinnen. Als ob es an dem, von den gegen¬
über in gleicher Höhe mit ihnen befindlichen Fenstern auf sie einfallenden Spie¬
gel- und Glanzlicht nicht genug wäre, so scheint von etwa zwei Uhr ab die
volle Sonne direct hinein, und macht allem Sehn ein Ende.

, Die ganz schmalen und engen Corridore, die längs der Hauptwand dieser
Säle hinlaufend ihr weit ruhigeres Licht von der entgegengesetzten Seite.em¬
pfangen , leiden wieder unter der äußersten Naumbeschränttheit. Die Zeichnungen
und die Leistungen der -graphischen und vervielfältigenden Künste theilen das
Schicksal der darin planirten Bilder: ein ähnlicher armseliger schmaler Corridor
nimmt auch sie auf. Kein Wunder deshalb, daß keine Ausstellung eröffnet
wird, ohne daß bald genug die Klagen der Künstler sich laut und leidenschaftlich
erheben über den schlechten Platz den ihr Werk erhallen. Gerecht, wie sie
vielfach sind, treffen sie doch selten eigentlich bösen Willen oder Unverstand der
Commission. Wenn die Anzahl der Bilder, welche jede Berücksichtigung Ver-
dienen, zu groß ist, als daß der Raum der drei guten Säle genügte, — was
thun, um die Urheber der anderweit beherbergten nicht zu entrüsten?

Aber noch ungünstiger erscheinen die räumlichen Bedingungen für die
plastischen Werke. Jene Säle des Erdgeschosses haben eine dumpfe, feuchte,
tellerartige Luft, ein unbehagliches Aussehen, das schon den Aufenthalt in
ihnen verleidet; der weiteste Abstand, den man darin gewinnen kann, reicht
nicht entfernt hin, ein auch nur lebensgroßes Skulpturwerk wirtlich im Gan¬
zen zu überblicken und das kalte einseitige Licht taucht alle ihm abgewandten
Partien der hier aufgestellten Statuen und Büsten in schweren, harten, rcslex-
losen Schatten.

Wie Viel ist nicht seit 20 bis 30 Jahren gegen diese eclatanten Uebelstände
zumal von Seiten der Künstler geeifert, geredet und pctitiouirt! Bisher noch
Vergeblich. Doch gewinnt es gerade jetzt endlich den Anschein, als ob eine Hei¬
lung und Aenderung bevorstände: die Errichtung eines eignen Hauses für die
Nationalgalerie soll eine beschlossene Sache und der Ausführung nahe sein und mit
dieser wird auch die Begründung eines dauernden und würdigen Aussiellungslvcals
eng verbunden sein. Es ist Hoffnung, daß diese Klagen nach wieder zwei Jahren be¬
reits gegenstandslos geworden sein und daß sich die Erbauer der so dringend er¬
wünschten Kunsthallen die Untersuchungen und Erfahrungen mehr als es ir¬
gendwo seither bei ähnlichen Einrichtungen geschehn, zu Nutze machen mögen,
die von kundigen und genau beobachtenden Männern gerade in neuster Zeit
über eine so wichtige Lebensfrage für Werke der Kunst, wie ihre zweckmä-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/167>, abgerufen am 03.07.2024.