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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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eines zusammenhängenden Quadrats von Baulichkeiten ein, die, von grund¬
verschiedener Anlage, ebensowenig zu einander passenden Zwecken dienen:
die Stalle eines Gardecorpsregiments, und das ehemalige, jetzt ich weiß nicht
wozu verwendete Tclegraphengebäude aus vorelektromagnetischen Zeiten. Die
Akademie der Kunst selbst theilt ihre besondern Räume noch mit der der Wissen¬
schaften; die übrigen müssen zu Classen- und Bibliothekzimmern und, vorläufig
wenigstens, zum Local der "Wagnerschen Gallerie" dienen. Aus die Ein¬
richtung und Herstellung besonderer Ausstellungssäle ist so wenig bei der ur¬
sprünglichen Anlage als bei den späteren Umbauten Bedacht genommen, und
so beginnt denn immer nach je zwei Jahren im Sommer ein allgemeines Aus¬
räumen, ein kolossaler Umzug. Die Bibliothek drängt sich in noch kleineren
Mansarden, als die, welche sie gewöhnlich einnimmt, zusammen, die ihr sonst
bestimmten werden von unsrer embryonischen Nationalgalerie besetzt, die Clas¬
sen werden provisorisch untergebracht oder erhalten Ferien, und in die so
geleerten Säle zieht "die Kunstausstellung von Werken lebender Künstler" ein,
ins Erdgeschoß die der Bildhauer, ins obere Stockwerk die der Maler, Zeichner,
Stecher, Lithographen und Graveurs. Sie finden leere, aber keineswegs zum
Vortheil ihrer neuen Bewohner eingerichtete Räume. Mit einigen Ausnahmen
freilich. Der erste "lange Saal" empfängt sein Licht durch rundbogige, nahe
der Decke angebrachte, direct nach Norden gerichtete Fenster, die fast jedem
Bilde, das ma" an der gegenüberstehenden Wand placirt, eine vorzüglich gün¬
stige, seine Wirkung unterstützende Beleuchtung geben. Hier versammelt man
denn auch von denjenigen Werken, die durch malerische Vorzüge besonders aus¬
gezeichnet erscheinen, mindestens den dritten Theil und sast immer empfängt
somit der Beschauer sofort beim Eintritt und Beginn seiner Wanderung einen
angenehmen einer guten Meinung über das Ganze förderlicher Eindruck.
Durch den der Bilder des zweiten Saales wird derselbe selten gestört. Dieser
allein ist ausdrücklich zu Ausstcllungszwcckcn eingerichtet, sein durch ein mächtiges
Fenster in der (freilich zu hohen) Decke einströmendes Oberlicht verhilft sämmt¬
lichen an seinen vier Wänden befindlichen Bildern zu einer ruhigen Wirkung
ohne Reflexe und Blendung, und seine Raumverhältnisse sind der Art, daß
noch Tafeln von sehr bedeutendem Umfange genügenden Platz und Abstand zu
ihrer Ueberschau darin finden. Der dritte der so begünstigten Säle, von die¬
sem durch vier bis fünf andere getrennt, ist jener, welcher von seiner gewöhn¬
lichen Bestimmung zum Arbeiten nach dein lebenden Modell den Namen des
Actsaals sührt. Die Aufstellung in seinem Raum, die immer nur einer be¬
schränkten Anzahl von "Hauptbildern" zu Theil wird, gilt als eine ganz be¬
sondere Auszeichnung und Ehrenerweisung: er spielt eine Rolle ähnlich der der
Tribuna in der florentinischen Galerie der Uffizien. Die dazwischen liegenden
in langer Flucht aufeinanderfolgenden Säle werden den meisten in ihnen


eines zusammenhängenden Quadrats von Baulichkeiten ein, die, von grund¬
verschiedener Anlage, ebensowenig zu einander passenden Zwecken dienen:
die Stalle eines Gardecorpsregiments, und das ehemalige, jetzt ich weiß nicht
wozu verwendete Tclegraphengebäude aus vorelektromagnetischen Zeiten. Die
Akademie der Kunst selbst theilt ihre besondern Räume noch mit der der Wissen¬
schaften; die übrigen müssen zu Classen- und Bibliothekzimmern und, vorläufig
wenigstens, zum Local der „Wagnerschen Gallerie" dienen. Aus die Ein¬
richtung und Herstellung besonderer Ausstellungssäle ist so wenig bei der ur¬
sprünglichen Anlage als bei den späteren Umbauten Bedacht genommen, und
so beginnt denn immer nach je zwei Jahren im Sommer ein allgemeines Aus¬
räumen, ein kolossaler Umzug. Die Bibliothek drängt sich in noch kleineren
Mansarden, als die, welche sie gewöhnlich einnimmt, zusammen, die ihr sonst
bestimmten werden von unsrer embryonischen Nationalgalerie besetzt, die Clas¬
sen werden provisorisch untergebracht oder erhalten Ferien, und in die so
geleerten Säle zieht „die Kunstausstellung von Werken lebender Künstler" ein,
ins Erdgeschoß die der Bildhauer, ins obere Stockwerk die der Maler, Zeichner,
Stecher, Lithographen und Graveurs. Sie finden leere, aber keineswegs zum
Vortheil ihrer neuen Bewohner eingerichtete Räume. Mit einigen Ausnahmen
freilich. Der erste „lange Saal" empfängt sein Licht durch rundbogige, nahe
der Decke angebrachte, direct nach Norden gerichtete Fenster, die fast jedem
Bilde, das ma» an der gegenüberstehenden Wand placirt, eine vorzüglich gün¬
stige, seine Wirkung unterstützende Beleuchtung geben. Hier versammelt man
denn auch von denjenigen Werken, die durch malerische Vorzüge besonders aus¬
gezeichnet erscheinen, mindestens den dritten Theil und sast immer empfängt
somit der Beschauer sofort beim Eintritt und Beginn seiner Wanderung einen
angenehmen einer guten Meinung über das Ganze förderlicher Eindruck.
Durch den der Bilder des zweiten Saales wird derselbe selten gestört. Dieser
allein ist ausdrücklich zu Ausstcllungszwcckcn eingerichtet, sein durch ein mächtiges
Fenster in der (freilich zu hohen) Decke einströmendes Oberlicht verhilft sämmt¬
lichen an seinen vier Wänden befindlichen Bildern zu einer ruhigen Wirkung
ohne Reflexe und Blendung, und seine Raumverhältnisse sind der Art, daß
noch Tafeln von sehr bedeutendem Umfange genügenden Platz und Abstand zu
ihrer Ueberschau darin finden. Der dritte der so begünstigten Säle, von die¬
sem durch vier bis fünf andere getrennt, ist jener, welcher von seiner gewöhn¬
lichen Bestimmung zum Arbeiten nach dein lebenden Modell den Namen des
Actsaals sührt. Die Aufstellung in seinem Raum, die immer nur einer be¬
schränkten Anzahl von „Hauptbildern" zu Theil wird, gilt als eine ganz be¬
sondere Auszeichnung und Ehrenerweisung: er spielt eine Rolle ähnlich der der
Tribuna in der florentinischen Galerie der Uffizien. Die dazwischen liegenden
in langer Flucht aufeinanderfolgenden Säle werden den meisten in ihnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/166>, abgerufen am 03.07.2024.