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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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sind von einem Schwunge der Sprache, einem Pathos der Empfindung getra¬
gen, die unwiderstehlich ergreifen. Ueberall aber begegnen wir einer andacht¬
vollen Stimmung, die versöhnend, klärend, erhebend wirkt, weil sie einem von
großer Erfahrung tief bewegten Gemüthe entspringt und das rechte Echo eines cake
männlichen Herzens ist. das durch tiefes Leid wie durch hohe Freude gleichmäßig er¬
schüttert wird. So, wenn die Betrachtung des wunderbaren Erfolges in den Wor¬
ten Ausdruck findet: "Das kann niemand sagen, warum und wie es bat kommen
müssen, daß von so vielen Willen, die im verbündeten Heere diesem letzten Kampfe
entgegen waren, keiner die Sache verderben konnte, warum so viele Herren
und Sinne, die von gar verschiedenen l^ed.inter und Zielen erfüllt maren,
dazu thun mußten, daß allemal zur rechten Stunde der rechte Entseb uß durch-
drang. Wir wissen wohl, in welchem Geiste das Beste geschah. und daß die¬
ser Geist des Sieges, um den er alle anderen Güter dabinwarf, nicht unwerth
war. Dennoch durfte er sich der Gewißheit des Sieges nicht vermessen; noch
war er ihm erst vor dem Auge Gottes bestimmt." "Die Sühne war schwer
für das Verderben einer Zeit, wo die Herzen der Männer aufgehört ballen,
für das öffentliche Wohl zu schlagen. Gott hat sie ganz gefordert und ganz
gegeben." Das sind goldene Worte, die nichts gemein baben mit ordinärer
Moralisirerei. sondern vollen Wiederhall finden im Herzen unsrer Nation, Denn
die Befreiungskriege und voran die leipziger Schlacht haben in Wahrheit für
uns die Bedeutung der Katharsis einer großen Tragödie, in der zwei Zeitalter
sich auseinandersetzen.

Und wie wir uns unwillkürlich von dem kleinen Bunte haben fortreißen
lassen in die erhabene Nähe der Dinge, die es schildert, so möge auch der Autor
selbst das Schlußwort reden: "Erst nach fünfzig Jahren war wieder wie einst
das Festgcläute, das Flammenmeer, der Jubel des Volkes. Es rauschte und
klang wie aus dem Worte des Dichters:

War es der flüchtige Rausch und Klang der Stunde, oder war es echt und
bleibend? Wer weiß es? Aber das Eine wissen wir: wie des Herrn Hand über
den Propheten kam und ihn im Geist auf das Feld voll todter Gebeine führte,
so ist sie auch über das deutsche Volk gekommen und hat es über das Feld von
Leipzig geführt. Es ist wieder eine Zeit der Entscheidung gekommen. Wie
dort an den Propheten, so geht an das deutsche Volk die Frage: "meinst du
auch, daß diese Gebeine wieder lebendig werden?" Und wo wie dort die Ant¬
wort allein auf den Herrn vertraut, da wird es auch gescheben. Es wird sein,
als richteten sich die Streiter jener Tage wieder auf und als käme Odem in
sie und als stünden sie vor unseren Augen: "ein sehr großes Heer". --




sind von einem Schwunge der Sprache, einem Pathos der Empfindung getra¬
gen, die unwiderstehlich ergreifen. Ueberall aber begegnen wir einer andacht¬
vollen Stimmung, die versöhnend, klärend, erhebend wirkt, weil sie einem von
großer Erfahrung tief bewegten Gemüthe entspringt und das rechte Echo eines cake
männlichen Herzens ist. das durch tiefes Leid wie durch hohe Freude gleichmäßig er¬
schüttert wird. So, wenn die Betrachtung des wunderbaren Erfolges in den Wor¬
ten Ausdruck findet: „Das kann niemand sagen, warum und wie es bat kommen
müssen, daß von so vielen Willen, die im verbündeten Heere diesem letzten Kampfe
entgegen waren, keiner die Sache verderben konnte, warum so viele Herren
und Sinne, die von gar verschiedenen l^ed.inter und Zielen erfüllt maren,
dazu thun mußten, daß allemal zur rechten Stunde der rechte Entseb uß durch-
drang. Wir wissen wohl, in welchem Geiste das Beste geschah. und daß die¬
ser Geist des Sieges, um den er alle anderen Güter dabinwarf, nicht unwerth
war. Dennoch durfte er sich der Gewißheit des Sieges nicht vermessen; noch
war er ihm erst vor dem Auge Gottes bestimmt." „Die Sühne war schwer
für das Verderben einer Zeit, wo die Herzen der Männer aufgehört ballen,
für das öffentliche Wohl zu schlagen. Gott hat sie ganz gefordert und ganz
gegeben." Das sind goldene Worte, die nichts gemein baben mit ordinärer
Moralisirerei. sondern vollen Wiederhall finden im Herzen unsrer Nation, Denn
die Befreiungskriege und voran die leipziger Schlacht haben in Wahrheit für
uns die Bedeutung der Katharsis einer großen Tragödie, in der zwei Zeitalter
sich auseinandersetzen.

Und wie wir uns unwillkürlich von dem kleinen Bunte haben fortreißen
lassen in die erhabene Nähe der Dinge, die es schildert, so möge auch der Autor
selbst das Schlußwort reden: „Erst nach fünfzig Jahren war wieder wie einst
das Festgcläute, das Flammenmeer, der Jubel des Volkes. Es rauschte und
klang wie aus dem Worte des Dichters:

War es der flüchtige Rausch und Klang der Stunde, oder war es echt und
bleibend? Wer weiß es? Aber das Eine wissen wir: wie des Herrn Hand über
den Propheten kam und ihn im Geist auf das Feld voll todter Gebeine führte,
so ist sie auch über das deutsche Volk gekommen und hat es über das Feld von
Leipzig geführt. Es ist wieder eine Zeit der Entscheidung gekommen. Wie
dort an den Propheten, so geht an das deutsche Volk die Frage: „meinst du
auch, daß diese Gebeine wieder lebendig werden?" Und wo wie dort die Ant¬
wort allein auf den Herrn vertraut, da wird es auch gescheben. Es wird sein,
als richteten sich die Streiter jener Tage wieder auf und als käme Odem in
sie und als stünden sie vor unseren Augen: „ein sehr großes Heer". —




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/161>, abgerufen am 03.07.2024.