Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erweiterter materieller Grundlage, und auch nur Eine dieser Schriften ragt aus
der übrigen Menge hervor; sie aber verdient einen ganz besonderen Hinweis.
Der Verfasser ist Offizier und ist daher in besonderem Grade befähigt gewesen,
die einzelnen bisherigen Schilderungen von Uebertreibungen und UnWahrschein¬
lichkeiten zu säubern, er hat genaue Terrainbeobachtungen gemacht und ihre
Resultate faßlich und einfach wiedergegeben, hat die zugänglichen Quellen ziemlich
vollständig benutzt. Aber in dem allen haben schon andere Darstellungen Gutes
geleistet und es sind schon weit vollständigere Monographien bekannt geworden.
Keine aber, die in ihrer Weise so viel Anrecht auf den Titel eines Volksbuches
hätte. Damit soll nicht etwa die beitzkcsche Arbeit in ihrem eigenthümlichen
Werthe gekränkt werden, der man als einer Gesammtdarstellung der Befreiungs¬
kriege den verdienten Preis zuerkannt hat, wie sie ja auch der materielle Ka¬
non und Regulator aller jüngeren Bearbeitungen einzelner Episoden jener Zeit
geworden ist und auf lange hinaus bleiben wird; allein die nicht immer glück¬
liche Erzählungsweise, die Oekonomie und in nicht geringem Grade auch der
Umfang des Buches muß seine Wirkung auf die Tiefe und in die Breite des
Volkes hemmen. Das kleine Schriftchen von Königer tritt ihm gerade nach
dieser Seite als Ergänzung und als Dolmetscher an die Hand und ist ganz
geeignet, dem Volke im Großen für die Leipziger Schlacht das zu werden, was den
Gebildeteren für das Ganze der Freiheitskriege vor anderen das Buch von
Beitzke ist. Es ist keineswegs Trivialität, was ihm diese Stelle anweist, denn
auch die Gebildetsten werden es gern und mit Nutzen lesen, sondern es ist der
Zauber echter Volkstümlichkeit und schlichter Klarheit, der nur deshalb das
allcrweiteste Publicum zu befriedigen vermag, weil er den Stoff nicht blos be¬
herrscht, sondern auch in einer Weise darzugeben weiß, welche für den Ken¬
ner den Eindruck trefflicher Kunst, für den Laien die Meinung erweckt, daß
die Dinge selber reden und es gar niemandes bedurft hätte, um sie aufzu¬
schreiben. Diese Anonymität, wie sie das Volksurtheil literarischen Erzeugnissen
wiedergiebt, ist aber das beste Lob. Unser Werkchen verdient es und wird seinen
Weg in die Hände des Volks auch ohne Führer finden.

Wenn wir seine Eigenthümlichkeit näher charakterisiren sollen, so läßt sich
sagen, sie liegt nicht vorwiegend in Vollständigkeit, auch nicht allein in dem
trefflichen Takte der Auswahl, sondern in der schönen lauteren Gesinnung, die
alles durchdringt. Die Stellen, wo das erste Wetterleuchten der kommenden
Schlacht im Neitersturm vor Güldcngvssa, das angstvoll athemlose Ringen bei
Wachau, der feierliche Beginn, die hinreißende Gewalt des Kampfes Von Möckern,
der den Eindruck eines großen Todtenopfers hervorbringt, die hin- und wieder¬
schwankende Wucht der Sicgcsschiacht, die Härte' der letzten Arbeit bei Erobe¬
rung der Stadt, das Grauen des französischen Rückzugs, der Schauer der Got¬
tesnähe, der über die Sieger kommt, von unserm Erzähler geschildert werden,


erweiterter materieller Grundlage, und auch nur Eine dieser Schriften ragt aus
der übrigen Menge hervor; sie aber verdient einen ganz besonderen Hinweis.
Der Verfasser ist Offizier und ist daher in besonderem Grade befähigt gewesen,
die einzelnen bisherigen Schilderungen von Uebertreibungen und UnWahrschein¬
lichkeiten zu säubern, er hat genaue Terrainbeobachtungen gemacht und ihre
Resultate faßlich und einfach wiedergegeben, hat die zugänglichen Quellen ziemlich
vollständig benutzt. Aber in dem allen haben schon andere Darstellungen Gutes
geleistet und es sind schon weit vollständigere Monographien bekannt geworden.
Keine aber, die in ihrer Weise so viel Anrecht auf den Titel eines Volksbuches
hätte. Damit soll nicht etwa die beitzkcsche Arbeit in ihrem eigenthümlichen
Werthe gekränkt werden, der man als einer Gesammtdarstellung der Befreiungs¬
kriege den verdienten Preis zuerkannt hat, wie sie ja auch der materielle Ka¬
non und Regulator aller jüngeren Bearbeitungen einzelner Episoden jener Zeit
geworden ist und auf lange hinaus bleiben wird; allein die nicht immer glück¬
liche Erzählungsweise, die Oekonomie und in nicht geringem Grade auch der
Umfang des Buches muß seine Wirkung auf die Tiefe und in die Breite des
Volkes hemmen. Das kleine Schriftchen von Königer tritt ihm gerade nach
dieser Seite als Ergänzung und als Dolmetscher an die Hand und ist ganz
geeignet, dem Volke im Großen für die Leipziger Schlacht das zu werden, was den
Gebildeteren für das Ganze der Freiheitskriege vor anderen das Buch von
Beitzke ist. Es ist keineswegs Trivialität, was ihm diese Stelle anweist, denn
auch die Gebildetsten werden es gern und mit Nutzen lesen, sondern es ist der
Zauber echter Volkstümlichkeit und schlichter Klarheit, der nur deshalb das
allcrweiteste Publicum zu befriedigen vermag, weil er den Stoff nicht blos be¬
herrscht, sondern auch in einer Weise darzugeben weiß, welche für den Ken¬
ner den Eindruck trefflicher Kunst, für den Laien die Meinung erweckt, daß
die Dinge selber reden und es gar niemandes bedurft hätte, um sie aufzu¬
schreiben. Diese Anonymität, wie sie das Volksurtheil literarischen Erzeugnissen
wiedergiebt, ist aber das beste Lob. Unser Werkchen verdient es und wird seinen
Weg in die Hände des Volks auch ohne Führer finden.

Wenn wir seine Eigenthümlichkeit näher charakterisiren sollen, so läßt sich
sagen, sie liegt nicht vorwiegend in Vollständigkeit, auch nicht allein in dem
trefflichen Takte der Auswahl, sondern in der schönen lauteren Gesinnung, die
alles durchdringt. Die Stellen, wo das erste Wetterleuchten der kommenden
Schlacht im Neitersturm vor Güldcngvssa, das angstvoll athemlose Ringen bei
Wachau, der feierliche Beginn, die hinreißende Gewalt des Kampfes Von Möckern,
der den Eindruck eines großen Todtenopfers hervorbringt, die hin- und wieder¬
schwankende Wucht der Sicgcsschiacht, die Härte' der letzten Arbeit bei Erobe¬
rung der Stadt, das Grauen des französischen Rückzugs, der Schauer der Got¬
tesnähe, der über die Sieger kommt, von unserm Erzähler geschildert werden,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189784"/>
          <p xml:id="ID_612" prev="#ID_611"> erweiterter materieller Grundlage, und auch nur Eine dieser Schriften ragt aus<lb/>
der übrigen Menge hervor; sie aber verdient einen ganz besonderen Hinweis.<lb/>
Der Verfasser ist Offizier und ist daher in besonderem Grade befähigt gewesen,<lb/>
die einzelnen bisherigen Schilderungen von Uebertreibungen und UnWahrschein¬<lb/>
lichkeiten zu säubern, er hat genaue Terrainbeobachtungen gemacht und ihre<lb/>
Resultate faßlich und einfach wiedergegeben, hat die zugänglichen Quellen ziemlich<lb/>
vollständig benutzt.  Aber in dem allen haben schon andere Darstellungen Gutes<lb/>
geleistet und es sind schon weit vollständigere Monographien bekannt geworden.<lb/>
Keine aber, die in ihrer Weise so viel Anrecht auf den Titel eines Volksbuches<lb/>
hätte.  Damit soll nicht etwa die beitzkcsche Arbeit in ihrem eigenthümlichen<lb/>
Werthe gekränkt werden, der man als einer Gesammtdarstellung der Befreiungs¬<lb/>
kriege den verdienten Preis zuerkannt hat, wie sie ja auch der materielle Ka¬<lb/>
non und Regulator aller jüngeren Bearbeitungen einzelner Episoden jener Zeit<lb/>
geworden ist und auf lange hinaus bleiben wird; allein die nicht immer glück¬<lb/>
liche Erzählungsweise, die Oekonomie und in nicht geringem Grade auch der<lb/>
Umfang des Buches muß seine Wirkung auf die Tiefe und in die Breite des<lb/>
Volkes hemmen.  Das kleine Schriftchen von Königer tritt ihm gerade nach<lb/>
dieser Seite als Ergänzung und als Dolmetscher an die Hand und ist ganz<lb/>
geeignet, dem Volke im Großen für die Leipziger Schlacht das zu werden, was den<lb/>
Gebildeteren für das Ganze der Freiheitskriege vor anderen das Buch von<lb/>
Beitzke ist. Es ist keineswegs Trivialität, was ihm diese Stelle anweist, denn<lb/>
auch die Gebildetsten werden es gern und mit Nutzen lesen, sondern es ist der<lb/>
Zauber echter Volkstümlichkeit und schlichter Klarheit, der nur deshalb das<lb/>
allcrweiteste Publicum zu befriedigen vermag, weil er den Stoff nicht blos be¬<lb/>
herrscht, sondern auch in einer Weise darzugeben weiß, welche für den Ken¬<lb/>
ner den Eindruck trefflicher Kunst, für den Laien die Meinung erweckt, daß<lb/>
die Dinge selber reden und es gar niemandes bedurft hätte, um sie aufzu¬<lb/>
schreiben. Diese Anonymität, wie sie das Volksurtheil literarischen Erzeugnissen<lb/>
wiedergiebt, ist aber das beste Lob. Unser Werkchen verdient es und wird seinen<lb/>
Weg in die Hände des Volks auch ohne Führer finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_613" next="#ID_614"> Wenn wir seine Eigenthümlichkeit näher charakterisiren sollen, so läßt sich<lb/>
sagen, sie liegt nicht vorwiegend in Vollständigkeit, auch nicht allein in dem<lb/>
trefflichen Takte der Auswahl, sondern in der schönen lauteren Gesinnung, die<lb/>
alles durchdringt. Die Stellen, wo das erste Wetterleuchten der kommenden<lb/>
Schlacht im Neitersturm vor Güldcngvssa, das angstvoll athemlose Ringen bei<lb/>
Wachau, der feierliche Beginn, die hinreißende Gewalt des Kampfes Von Möckern,<lb/>
der den Eindruck eines großen Todtenopfers hervorbringt, die hin- und wieder¬<lb/>
schwankende Wucht der Sicgcsschiacht, die Härte' der letzten Arbeit bei Erobe¬<lb/>
rung der Stadt, das Grauen des französischen Rückzugs, der Schauer der Got¬<lb/>
tesnähe, der über die Sieger kommt, von unserm Erzähler geschildert werden,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0160] erweiterter materieller Grundlage, und auch nur Eine dieser Schriften ragt aus der übrigen Menge hervor; sie aber verdient einen ganz besonderen Hinweis. Der Verfasser ist Offizier und ist daher in besonderem Grade befähigt gewesen, die einzelnen bisherigen Schilderungen von Uebertreibungen und UnWahrschein¬ lichkeiten zu säubern, er hat genaue Terrainbeobachtungen gemacht und ihre Resultate faßlich und einfach wiedergegeben, hat die zugänglichen Quellen ziemlich vollständig benutzt. Aber in dem allen haben schon andere Darstellungen Gutes geleistet und es sind schon weit vollständigere Monographien bekannt geworden. Keine aber, die in ihrer Weise so viel Anrecht auf den Titel eines Volksbuches hätte. Damit soll nicht etwa die beitzkcsche Arbeit in ihrem eigenthümlichen Werthe gekränkt werden, der man als einer Gesammtdarstellung der Befreiungs¬ kriege den verdienten Preis zuerkannt hat, wie sie ja auch der materielle Ka¬ non und Regulator aller jüngeren Bearbeitungen einzelner Episoden jener Zeit geworden ist und auf lange hinaus bleiben wird; allein die nicht immer glück¬ liche Erzählungsweise, die Oekonomie und in nicht geringem Grade auch der Umfang des Buches muß seine Wirkung auf die Tiefe und in die Breite des Volkes hemmen. Das kleine Schriftchen von Königer tritt ihm gerade nach dieser Seite als Ergänzung und als Dolmetscher an die Hand und ist ganz geeignet, dem Volke im Großen für die Leipziger Schlacht das zu werden, was den Gebildeteren für das Ganze der Freiheitskriege vor anderen das Buch von Beitzke ist. Es ist keineswegs Trivialität, was ihm diese Stelle anweist, denn auch die Gebildetsten werden es gern und mit Nutzen lesen, sondern es ist der Zauber echter Volkstümlichkeit und schlichter Klarheit, der nur deshalb das allcrweiteste Publicum zu befriedigen vermag, weil er den Stoff nicht blos be¬ herrscht, sondern auch in einer Weise darzugeben weiß, welche für den Ken¬ ner den Eindruck trefflicher Kunst, für den Laien die Meinung erweckt, daß die Dinge selber reden und es gar niemandes bedurft hätte, um sie aufzu¬ schreiben. Diese Anonymität, wie sie das Volksurtheil literarischen Erzeugnissen wiedergiebt, ist aber das beste Lob. Unser Werkchen verdient es und wird seinen Weg in die Hände des Volks auch ohne Führer finden. Wenn wir seine Eigenthümlichkeit näher charakterisiren sollen, so läßt sich sagen, sie liegt nicht vorwiegend in Vollständigkeit, auch nicht allein in dem trefflichen Takte der Auswahl, sondern in der schönen lauteren Gesinnung, die alles durchdringt. Die Stellen, wo das erste Wetterleuchten der kommenden Schlacht im Neitersturm vor Güldcngvssa, das angstvoll athemlose Ringen bei Wachau, der feierliche Beginn, die hinreißende Gewalt des Kampfes Von Möckern, der den Eindruck eines großen Todtenopfers hervorbringt, die hin- und wieder¬ schwankende Wucht der Sicgcsschiacht, die Härte' der letzten Arbeit bei Erobe¬ rung der Stadt, das Grauen des französischen Rückzugs, der Schauer der Got¬ tesnähe, der über die Sieger kommt, von unserm Erzähler geschildert werden,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/160
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/160>, abgerufen am 03.07.2024.