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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Vergleichen läßt. Was in dieser Periode geschaffen ist, ist die Grundlage für die
Entwickelung aller folgenden Zeiten geworden. Wir müssen uns hier damit
begnügen, in der Kürze die wichtigsten Resultate anzudeuten.

Die parlamentarische Verfassung -- dies ist das Hauptrcsultat -- bildet
sich in der durch die vorhergegangene Entwicklung bereits vorgezeichneten Rich¬
tung weiter. Der König umgiebt sich mit einem festen Staatsrath (Lontiirual
Oouneil, später ?rio^ Lounoil) "gebildet aus den Baronen und Prälaten, welche
die höchsten Militär--, Gerichts- und kirchlichen Angelegenheiten in verfassungs¬
mäßigen Aemtern leiten". Zu diesem stehenden Rath tritt durch königliche Be¬
rufung eine Anzahl von Prälaten und Baronen hinzu, die, mit dem Staats¬
rath vereinigt, das rrmtz-rinn evneiliuin, nachher Oberhaus bilden. Vervoll¬
ständigt wird diese Organisation durch Berufung von Abgeordneten der eorri-
mumtÄtes (Grafschaften und Städte) zur Besprechung über außerordentliche
Beiträge, sowie zur Stärkung der Gesetze und Abhilfe der Landesbeschwerden.
Durch Constituirung der letzteren zu einer besonderen Körperschaft unter Eduard
dem Dritten waren die Grundlinien der Verfassung gezogen: der König als Xing W
Vouncil und KinZ irr ?uno.mein, Oberhaus und Unterhaus. Innerhalb
dieses Rahmens entfaltet sich nun eine alle Zweige des Staatslebens umfassende
Organisationsthätigkeit. Zunächst im Heerwesen, indem aus den neu einge¬
richteten, alle Freien umfassenden Grafschaftsmiiizcn jenes in den englisch¬
französischen Kriegen berühmt gewordene Fußvolk hervorging, während die Rei¬
terei sich aus den ritterlichen Gefolgschaften der großen Herren bildete.

In der Organisation des Gerichtswesens geht die Gesetzgebung auf dem
bereits in der vorigen Perio.de eingeschlagenen Wege weiter vor, durch Fort¬
bildung der Jury sowie des Instituts der reisenden Richter. Für die Theil¬
nahme an den Assisen wurde ein Census festgesetzt und so normirt, daß auch
der minder begüterte Theil der grundbesitzenden Classen zum Gerichtsdienste zu¬
gezogen wurde. Vor allem aber ist die Entstehung des Friedensrichtcramtcs
hier hervorzuheben, dieses merkwürdigen, so tief mit den englischen Verhältnissen
verwachsenen Instituts. Die Friedensrichter haben zunächst für die Bewahrung
des Friedens zu sorgen durch Verhaftungen, Zwangsbürgschaften u. s. w.
Wirkliche Criminalstrafen, wegen leichterer Vergehen, erkennen die Friedens¬
richter der Grafschaft nur collegialisch in Quartalsitzungen, mit Zuziehung einer
Jury, während die Aburtheilung der schwereren Verbrechen (kolonies) der
Regel nach den reisenden Richtern vorbehalten bleibt. Ueber Polizeivergehen
können sie (allerdings noch nicht in dieser Periode) summarisch ohne Zuziehung
Von Geschworenen aburtheilen.

Die nächsten bedeutenden Resultate dieser Einrichtung waren nun: 1) der
völlige Verfall der courts leer., die allmälig alle Bedeutung verloren; 2) die
schon in der vorigen Periode vorbereitete, jetzt rasch sich vollziehende Schwächung
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Vergleichen läßt. Was in dieser Periode geschaffen ist, ist die Grundlage für die
Entwickelung aller folgenden Zeiten geworden. Wir müssen uns hier damit
begnügen, in der Kürze die wichtigsten Resultate anzudeuten.

Die parlamentarische Verfassung — dies ist das Hauptrcsultat — bildet
sich in der durch die vorhergegangene Entwicklung bereits vorgezeichneten Rich¬
tung weiter. Der König umgiebt sich mit einem festen Staatsrath (Lontiirual
Oouneil, später ?rio^ Lounoil) „gebildet aus den Baronen und Prälaten, welche
die höchsten Militär--, Gerichts- und kirchlichen Angelegenheiten in verfassungs¬
mäßigen Aemtern leiten". Zu diesem stehenden Rath tritt durch königliche Be¬
rufung eine Anzahl von Prälaten und Baronen hinzu, die, mit dem Staats¬
rath vereinigt, das rrmtz-rinn evneiliuin, nachher Oberhaus bilden. Vervoll¬
ständigt wird diese Organisation durch Berufung von Abgeordneten der eorri-
mumtÄtes (Grafschaften und Städte) zur Besprechung über außerordentliche
Beiträge, sowie zur Stärkung der Gesetze und Abhilfe der Landesbeschwerden.
Durch Constituirung der letzteren zu einer besonderen Körperschaft unter Eduard
dem Dritten waren die Grundlinien der Verfassung gezogen: der König als Xing W
Vouncil und KinZ irr ?uno.mein, Oberhaus und Unterhaus. Innerhalb
dieses Rahmens entfaltet sich nun eine alle Zweige des Staatslebens umfassende
Organisationsthätigkeit. Zunächst im Heerwesen, indem aus den neu einge¬
richteten, alle Freien umfassenden Grafschaftsmiiizcn jenes in den englisch¬
französischen Kriegen berühmt gewordene Fußvolk hervorging, während die Rei¬
terei sich aus den ritterlichen Gefolgschaften der großen Herren bildete.

In der Organisation des Gerichtswesens geht die Gesetzgebung auf dem
bereits in der vorigen Perio.de eingeschlagenen Wege weiter vor, durch Fort¬
bildung der Jury sowie des Instituts der reisenden Richter. Für die Theil¬
nahme an den Assisen wurde ein Census festgesetzt und so normirt, daß auch
der minder begüterte Theil der grundbesitzenden Classen zum Gerichtsdienste zu¬
gezogen wurde. Vor allem aber ist die Entstehung des Friedensrichtcramtcs
hier hervorzuheben, dieses merkwürdigen, so tief mit den englischen Verhältnissen
verwachsenen Instituts. Die Friedensrichter haben zunächst für die Bewahrung
des Friedens zu sorgen durch Verhaftungen, Zwangsbürgschaften u. s. w.
Wirkliche Criminalstrafen, wegen leichterer Vergehen, erkennen die Friedens¬
richter der Grafschaft nur collegialisch in Quartalsitzungen, mit Zuziehung einer
Jury, während die Aburtheilung der schwereren Verbrechen (kolonies) der
Regel nach den reisenden Richtern vorbehalten bleibt. Ueber Polizeivergehen
können sie (allerdings noch nicht in dieser Periode) summarisch ohne Zuziehung
Von Geschworenen aburtheilen.

Die nächsten bedeutenden Resultate dieser Einrichtung waren nun: 1) der
völlige Verfall der courts leer., die allmälig alle Bedeutung verloren; 2) die
schon in der vorigen Periode vorbereitete, jetzt rasch sich vollziehende Schwächung
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/135>, abgerufen am 03.07.2024.