Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.in den Grafschaftsgerichten der Thaue, ohne daß jedoch die Gcmeinfreien völlig Die Urtheilsfindung den Nachbarn 'zu überlassen, wurde aber bedenklich, Damit war das Institut der Jury in Civilprocesscn gegründet. -- Die Mit dem Verfall des alten Beweisveifahrens durch Zweikampf oder Gottes- in den Grafschaftsgerichten der Thaue, ohne daß jedoch die Gcmeinfreien völlig Die Urtheilsfindung den Nachbarn 'zu überlassen, wurde aber bedenklich, Damit war das Institut der Jury in Civilprocesscn gegründet. — Die Mit dem Verfall des alten Beweisveifahrens durch Zweikampf oder Gottes- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189755"/> <p xml:id="ID_515" prev="#ID_514"> in den Grafschaftsgerichten der Thaue, ohne daß jedoch die Gcmeinfreien völlig<lb/> ausgeschlossen wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_516"> Die Urtheilsfindung den Nachbarn 'zu überlassen, wurde aber bedenklich,<lb/> sobald die Rechtsverhältnisse verwickelter wurden; dazu kam, daß bei dem gegen¬<lb/> seitigen Haß der beiden Bevölkerungen auf unparteiische Urtheilssprüche nicht mit<lb/> Sicherheit gerechnet werden konnte. Die nächste Folge war, daß das Ansehen der<lb/> Hunderschaftsgerichte und zugleich das der gutsherrlichen Gerichte rasch sank.<lb/> Aber auch die meist mit normannischen Vasallen besetzten Grafschaftsgerichte un¬<lb/> ter Leitung des Sheriffs entsprachen den Bedürfnissen der gemischten Bevölke¬<lb/> rung nicht und waren auch' nicht mehr der Beurtheilung der immer verwickel¬<lb/> ter werdenden Rechtsfragen gewachsen. So kam es, daß eine große Menge<lb/> von Processen der Entscheidung reisender königlicher Commissarien, die von den<lb/> Reichsgerichten abgesandt wurden. - überlassen blieb. Ihnen traten, zunächst in<lb/> Civilsachen, Gemeindecommissionen zur Seite, die aber nicht über die Rechts¬<lb/> frage, sondern nur über die Thatfrage zu entscheiden hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_517"> Damit war das Institut der Jury in Civilprocesscn gegründet. — Die<lb/> Entstehung der Jury in Strafsachen hängt zusammen mit dem Polizeistrafsystem<lb/> der normannischen Könige. Als oberster Lehrs- und Kriegsherr nahm der Kö¬<lb/> nig das Recht in Anspruch, in allen Fällen von Jndisciplin und Ungehorsam<lb/> nicht blos von Seiten der unmittelbaren Vasallen, sondern auch der Unter¬<lb/> vasallen Bußen (Umoi-el^merkt, von lui8erica)räia--mer(:y; der Ungehorsame<lb/> verfiel der irtiseriooräm re^is) zu verhängen. Dies System griff bei dem Ver¬<lb/> fall und dem geringen Credit der ordentlichen Gerichte bald außerordentlich um<lb/> sich. Alle die zahlreichen und schwer zu begrenzenden Fälle, die sich als inkr^t-lo<lb/> Pg-eis auffassen ließen, werden nunmehr dem summarischen Bußsyffem unter¬<lb/> worfen. Zur wirksamen Handhabung der Polizei wurde ferner den Hundreds<lb/> die Verantwortung und Bürgschaft für alle in ihnen befindlichen unsicheren In¬<lb/> dividuen auferlegt. Hieraus entwickelt sich zunächst eine organisirte Rüaevflicht<lb/> der Hundertschaft. Die reisenden Richter ernennen in jeder Hundertschaft vier<lb/> Ritter, die als Wahlmänner zwölf 1ib?i-i e.t lLAg,in;8 Kmrnnlzs ernennen. Diese,<lb/> nachdem sie vereidet sind, haben den Richtern Auskunft zu geben über die in<lb/> ihrer Hundertschaft vorgekommenen Uebertretungen und Verbrechen. Die Rüge<lb/> dieser Geschwornen gilt nun als amtliche Anklage. Später, zur Zeit der Plan-<lb/> lagenets, wird diese Rügepflicht einer aus der Grafschafts-Versammlung her-<lb/> vorgegangenen Commission übergeben und heißt in dieser noch heute bestehen¬<lb/> den Gestalt große (oder Anklage-) Jury.</p><lb/> <p xml:id="ID_518" next="#ID_519"> Mit dem Verfall des alten Beweisveifahrens durch Zweikampf oder Gottes-<lb/> Urtheil wurde eine andere Art der Beweisaufnahme und der Entscheidung ni,er<lb/> die Schuldfrcigc nothwendig. Die Einrichtung der Rügejury halte den dabei<lb/> einzuschlagenden Weg bereits vorgezeichnet; die Schuldfrage wurde ebenfalls</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0131]
in den Grafschaftsgerichten der Thaue, ohne daß jedoch die Gcmeinfreien völlig
ausgeschlossen wären.
Die Urtheilsfindung den Nachbarn 'zu überlassen, wurde aber bedenklich,
sobald die Rechtsverhältnisse verwickelter wurden; dazu kam, daß bei dem gegen¬
seitigen Haß der beiden Bevölkerungen auf unparteiische Urtheilssprüche nicht mit
Sicherheit gerechnet werden konnte. Die nächste Folge war, daß das Ansehen der
Hunderschaftsgerichte und zugleich das der gutsherrlichen Gerichte rasch sank.
Aber auch die meist mit normannischen Vasallen besetzten Grafschaftsgerichte un¬
ter Leitung des Sheriffs entsprachen den Bedürfnissen der gemischten Bevölke¬
rung nicht und waren auch' nicht mehr der Beurtheilung der immer verwickel¬
ter werdenden Rechtsfragen gewachsen. So kam es, daß eine große Menge
von Processen der Entscheidung reisender königlicher Commissarien, die von den
Reichsgerichten abgesandt wurden. - überlassen blieb. Ihnen traten, zunächst in
Civilsachen, Gemeindecommissionen zur Seite, die aber nicht über die Rechts¬
frage, sondern nur über die Thatfrage zu entscheiden hatten.
Damit war das Institut der Jury in Civilprocesscn gegründet. — Die
Entstehung der Jury in Strafsachen hängt zusammen mit dem Polizeistrafsystem
der normannischen Könige. Als oberster Lehrs- und Kriegsherr nahm der Kö¬
nig das Recht in Anspruch, in allen Fällen von Jndisciplin und Ungehorsam
nicht blos von Seiten der unmittelbaren Vasallen, sondern auch der Unter¬
vasallen Bußen (Umoi-el^merkt, von lui8erica)räia--mer(:y; der Ungehorsame
verfiel der irtiseriooräm re^is) zu verhängen. Dies System griff bei dem Ver¬
fall und dem geringen Credit der ordentlichen Gerichte bald außerordentlich um
sich. Alle die zahlreichen und schwer zu begrenzenden Fälle, die sich als inkr^t-lo
Pg-eis auffassen ließen, werden nunmehr dem summarischen Bußsyffem unter¬
worfen. Zur wirksamen Handhabung der Polizei wurde ferner den Hundreds
die Verantwortung und Bürgschaft für alle in ihnen befindlichen unsicheren In¬
dividuen auferlegt. Hieraus entwickelt sich zunächst eine organisirte Rüaevflicht
der Hundertschaft. Die reisenden Richter ernennen in jeder Hundertschaft vier
Ritter, die als Wahlmänner zwölf 1ib?i-i e.t lLAg,in;8 Kmrnnlzs ernennen. Diese,
nachdem sie vereidet sind, haben den Richtern Auskunft zu geben über die in
ihrer Hundertschaft vorgekommenen Uebertretungen und Verbrechen. Die Rüge
dieser Geschwornen gilt nun als amtliche Anklage. Später, zur Zeit der Plan-
lagenets, wird diese Rügepflicht einer aus der Grafschafts-Versammlung her-
vorgegangenen Commission übergeben und heißt in dieser noch heute bestehen¬
den Gestalt große (oder Anklage-) Jury.
Mit dem Verfall des alten Beweisveifahrens durch Zweikampf oder Gottes-
Urtheil wurde eine andere Art der Beweisaufnahme und der Entscheidung ni,er
die Schuldfrcigc nothwendig. Die Einrichtung der Rügejury halte den dabei
einzuschlagenden Weg bereits vorgezeichnet; die Schuldfrage wurde ebenfalls
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