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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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geheim des Buhlens mit der Volkskunst beschuldigte. Hofgcschichtcn thaten das
Uebrige.

Was also die abgetretene Regierung in der letzten Zeit besonders charakterisirte,
war eine theils durch die Verhältnisse herbeigeführte, theils absichtlich unterhaltene
Verwischung der politischen Principien, das Bestreben, es nach keiner Seite zum
Bruch zu treiben, damit aber auch der Mangel an jeder Initiative, und davon un¬
zertrennlich ein Sinken der Autorität. Es ist natürlich, daß an höchster Stelle na¬
mentlich die letztere Seite empfunden wurde; man griff zu unverbrauchter energischen
Persönlichkeiten. In welcher Richtung aber das in frischere Bewegung zu versetzende
Staatsschiff fortgetrieben werden soll, ist vorläufig noch keineswegs klar, vielleicht
den zunächst Beteiligten selbst nicht. Erst die Landtagsscssion, deren Eröffnung im
November zu erwarten steht, wird darauf Antwort ertheilen. Sehen wir uns inzwi¬
schen die Persönlichkeiten der neuen Räthe an. -- Freih. v. Varnbühlcr, wel¬
chem Hosvcrbindungen endlich das Portefeuille verschafft haben, bildete gemeinschaft¬
lich mit Linden, den er jetzt gestürzt hat, das Ministerium vom ". März 1848, mit
welchem der König Wilhelm anfänglich die Märzaufrcgung zu beschwichtigen wähnte.
Als der großdeutsche Kongreß zu Frankfurt a. M. zusammengetrieben wurde, erschien
der Frhr. v. Varubühler als einer der Führer der neuen Partei, ohne daß er in¬
dessen seither in dieser Richtung hervorgetreten wäre. Er hielt es nicht für seine
Aufgabe, für eine aussichtslose Sache sich zu erhitzen. Er wurde seitdem überhaupt
zurückhaltender, und als in diesem Jahr die Hcrzogthümcrfrage oft genug in der würtem-
bergischen Kammer zur Sprache kam, glänzte er fortwährend durch diplomatisches
Schweigen. Neuerdings, seit Preußen so erfolgreich von He^rü v. Bismarck regiert ist,
zu welchem er verwandtschaftliche Beziehungen hat, will man sogar wissen, daß er
eine gewisse Inclination zu der norddeutschen Großmacht verspüre. Daran mag indessen
nur so viel wahr sein, das; keine Partei Ursache hat, auf ihn mit Sicherheit zu
zählen. Geistreich, lebendig, beweglich, wie er ist, hat er etwas Unberechenbares,
und auch dies mußte ihn gerade jetzt, da in unsrer Politik eigentlich r.g.tria> rasa ist
und alle Wege offen stehen, für die Leitung der Geschäfte empfehlen. Der Kammer
gegenüber hat jedenfalls der Ministertisch an ihm einen gewandten Vertreter gewon¬
nen und dasselbe ist mit dem neuen Minister des Innern der Fall. -- Geßlc'r hielt
sich im Jahre 1848 zur Demokratie, machte jedoch bald eine rasche Staatsdicnst-
carrivrc, wurde vortragender Rath im Ministerium und galt seit längerer Zeit als
ein Rivale des Herrn v. Linden. Er bringt in sein Amt einen durchdringenden
Verstand, sichere Geschäftsgewandthcit und durchgreifende Entschiedenheit mit. Durch
ein seltenes Gedächtniß ausgerüstet und mit einer Arbeitskraft begabt, die ihn in
Stand setzt, rasch auch ihm fern liegende Gegenstände zu bewältigen, eignete er
sich ganz dazu, ohne viel Vorbereitung da einzutreten, wo gerade eine tüchtige Kraft
erforderlich war. Bekannt ist, daß er als Vorstand des Medicinalcvlleginms sich
Plötzlich in die Materie des Handelsvertrags hineinarbeitete und nicht nur den be¬
kannten Bericht für die erste Kammer verfaßte, sondern auch zu diplomatischen Missio¬
nen in dieser Sache verwandt wurde. Aber auch mit dem schließlichen Ausgang
der Zvllvereinskrisis, über die er -- das Gegentheil von einem Fanatiker -- sich
längst keine Illusionen machte, suchte er sich bei Zeiten zu befreunden. Von seiner Hand
rührt nicht nnr jener auf Verwerfung des Vertrags zielende Bericht, sondern auch
c>ne vor längerer Zeit der Negierung eingereichte.Denkschrift, worin er den Beitritt
Würtembergs zum' neuen Zollverein empfahl. Geßler ist ein Mann der bürenn-
kratiscbcn Routine, er glaubt an die Allmacht der büreaukratischen Mittel. Der
Staat ist ihm wesentlich Maschine.- Er findet für diese seine Anschauung in unse¬
rem Staatsleben einen gefügigen. wohldiSciplinirtcn Apparat vor. Aber auch auf
ernste Conflicte des herrischen Eigenwillens mit den constitutionellen Factoren wird
man sich gefaßt halten dürfen. -- Der Rücktritt des Finanzministers Sigel war


geheim des Buhlens mit der Volkskunst beschuldigte. Hofgcschichtcn thaten das
Uebrige.

Was also die abgetretene Regierung in der letzten Zeit besonders charakterisirte,
war eine theils durch die Verhältnisse herbeigeführte, theils absichtlich unterhaltene
Verwischung der politischen Principien, das Bestreben, es nach keiner Seite zum
Bruch zu treiben, damit aber auch der Mangel an jeder Initiative, und davon un¬
zertrennlich ein Sinken der Autorität. Es ist natürlich, daß an höchster Stelle na¬
mentlich die letztere Seite empfunden wurde; man griff zu unverbrauchter energischen
Persönlichkeiten. In welcher Richtung aber das in frischere Bewegung zu versetzende
Staatsschiff fortgetrieben werden soll, ist vorläufig noch keineswegs klar, vielleicht
den zunächst Beteiligten selbst nicht. Erst die Landtagsscssion, deren Eröffnung im
November zu erwarten steht, wird darauf Antwort ertheilen. Sehen wir uns inzwi¬
schen die Persönlichkeiten der neuen Räthe an. — Freih. v. Varnbühlcr, wel¬
chem Hosvcrbindungen endlich das Portefeuille verschafft haben, bildete gemeinschaft¬
lich mit Linden, den er jetzt gestürzt hat, das Ministerium vom «. März 1848, mit
welchem der König Wilhelm anfänglich die Märzaufrcgung zu beschwichtigen wähnte.
Als der großdeutsche Kongreß zu Frankfurt a. M. zusammengetrieben wurde, erschien
der Frhr. v. Varubühler als einer der Führer der neuen Partei, ohne daß er in¬
dessen seither in dieser Richtung hervorgetreten wäre. Er hielt es nicht für seine
Aufgabe, für eine aussichtslose Sache sich zu erhitzen. Er wurde seitdem überhaupt
zurückhaltender, und als in diesem Jahr die Hcrzogthümcrfrage oft genug in der würtem-
bergischen Kammer zur Sprache kam, glänzte er fortwährend durch diplomatisches
Schweigen. Neuerdings, seit Preußen so erfolgreich von He^rü v. Bismarck regiert ist,
zu welchem er verwandtschaftliche Beziehungen hat, will man sogar wissen, daß er
eine gewisse Inclination zu der norddeutschen Großmacht verspüre. Daran mag indessen
nur so viel wahr sein, das; keine Partei Ursache hat, auf ihn mit Sicherheit zu
zählen. Geistreich, lebendig, beweglich, wie er ist, hat er etwas Unberechenbares,
und auch dies mußte ihn gerade jetzt, da in unsrer Politik eigentlich r.g.tria> rasa ist
und alle Wege offen stehen, für die Leitung der Geschäfte empfehlen. Der Kammer
gegenüber hat jedenfalls der Ministertisch an ihm einen gewandten Vertreter gewon¬
nen und dasselbe ist mit dem neuen Minister des Innern der Fall. — Geßlc'r hielt
sich im Jahre 1848 zur Demokratie, machte jedoch bald eine rasche Staatsdicnst-
carrivrc, wurde vortragender Rath im Ministerium und galt seit längerer Zeit als
ein Rivale des Herrn v. Linden. Er bringt in sein Amt einen durchdringenden
Verstand, sichere Geschäftsgewandthcit und durchgreifende Entschiedenheit mit. Durch
ein seltenes Gedächtniß ausgerüstet und mit einer Arbeitskraft begabt, die ihn in
Stand setzt, rasch auch ihm fern liegende Gegenstände zu bewältigen, eignete er
sich ganz dazu, ohne viel Vorbereitung da einzutreten, wo gerade eine tüchtige Kraft
erforderlich war. Bekannt ist, daß er als Vorstand des Medicinalcvlleginms sich
Plötzlich in die Materie des Handelsvertrags hineinarbeitete und nicht nur den be¬
kannten Bericht für die erste Kammer verfaßte, sondern auch zu diplomatischen Missio¬
nen in dieser Sache verwandt wurde. Aber auch mit dem schließlichen Ausgang
der Zvllvereinskrisis, über die er — das Gegentheil von einem Fanatiker — sich
längst keine Illusionen machte, suchte er sich bei Zeiten zu befreunden. Von seiner Hand
rührt nicht nnr jener auf Verwerfung des Vertrags zielende Bericht, sondern auch
c>ne vor längerer Zeit der Negierung eingereichte.Denkschrift, worin er den Beitritt
Würtembergs zum' neuen Zollverein empfahl. Geßler ist ein Mann der bürenn-
kratiscbcn Routine, er glaubt an die Allmacht der büreaukratischen Mittel. Der
Staat ist ihm wesentlich Maschine.- Er findet für diese seine Anschauung in unse¬
rem Staatsleben einen gefügigen. wohldiSciplinirtcn Apparat vor. Aber auch auf
ernste Conflicte des herrischen Eigenwillens mit den constitutionellen Factoren wird
man sich gefaßt halten dürfen. — Der Rücktritt des Finanzministers Sigel war


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[0123] geheim des Buhlens mit der Volkskunst beschuldigte. Hofgcschichtcn thaten das Uebrige. Was also die abgetretene Regierung in der letzten Zeit besonders charakterisirte, war eine theils durch die Verhältnisse herbeigeführte, theils absichtlich unterhaltene Verwischung der politischen Principien, das Bestreben, es nach keiner Seite zum Bruch zu treiben, damit aber auch der Mangel an jeder Initiative, und davon un¬ zertrennlich ein Sinken der Autorität. Es ist natürlich, daß an höchster Stelle na¬ mentlich die letztere Seite empfunden wurde; man griff zu unverbrauchter energischen Persönlichkeiten. In welcher Richtung aber das in frischere Bewegung zu versetzende Staatsschiff fortgetrieben werden soll, ist vorläufig noch keineswegs klar, vielleicht den zunächst Beteiligten selbst nicht. Erst die Landtagsscssion, deren Eröffnung im November zu erwarten steht, wird darauf Antwort ertheilen. Sehen wir uns inzwi¬ schen die Persönlichkeiten der neuen Räthe an. — Freih. v. Varnbühlcr, wel¬ chem Hosvcrbindungen endlich das Portefeuille verschafft haben, bildete gemeinschaft¬ lich mit Linden, den er jetzt gestürzt hat, das Ministerium vom «. März 1848, mit welchem der König Wilhelm anfänglich die Märzaufrcgung zu beschwichtigen wähnte. Als der großdeutsche Kongreß zu Frankfurt a. M. zusammengetrieben wurde, erschien der Frhr. v. Varubühler als einer der Führer der neuen Partei, ohne daß er in¬ dessen seither in dieser Richtung hervorgetreten wäre. Er hielt es nicht für seine Aufgabe, für eine aussichtslose Sache sich zu erhitzen. Er wurde seitdem überhaupt zurückhaltender, und als in diesem Jahr die Hcrzogthümcrfrage oft genug in der würtem- bergischen Kammer zur Sprache kam, glänzte er fortwährend durch diplomatisches Schweigen. Neuerdings, seit Preußen so erfolgreich von He^rü v. Bismarck regiert ist, zu welchem er verwandtschaftliche Beziehungen hat, will man sogar wissen, daß er eine gewisse Inclination zu der norddeutschen Großmacht verspüre. Daran mag indessen nur so viel wahr sein, das; keine Partei Ursache hat, auf ihn mit Sicherheit zu zählen. Geistreich, lebendig, beweglich, wie er ist, hat er etwas Unberechenbares, und auch dies mußte ihn gerade jetzt, da in unsrer Politik eigentlich r.g.tria> rasa ist und alle Wege offen stehen, für die Leitung der Geschäfte empfehlen. Der Kammer gegenüber hat jedenfalls der Ministertisch an ihm einen gewandten Vertreter gewon¬ nen und dasselbe ist mit dem neuen Minister des Innern der Fall. — Geßlc'r hielt sich im Jahre 1848 zur Demokratie, machte jedoch bald eine rasche Staatsdicnst- carrivrc, wurde vortragender Rath im Ministerium und galt seit längerer Zeit als ein Rivale des Herrn v. Linden. Er bringt in sein Amt einen durchdringenden Verstand, sichere Geschäftsgewandthcit und durchgreifende Entschiedenheit mit. Durch ein seltenes Gedächtniß ausgerüstet und mit einer Arbeitskraft begabt, die ihn in Stand setzt, rasch auch ihm fern liegende Gegenstände zu bewältigen, eignete er sich ganz dazu, ohne viel Vorbereitung da einzutreten, wo gerade eine tüchtige Kraft erforderlich war. Bekannt ist, daß er als Vorstand des Medicinalcvlleginms sich Plötzlich in die Materie des Handelsvertrags hineinarbeitete und nicht nur den be¬ kannten Bericht für die erste Kammer verfaßte, sondern auch zu diplomatischen Missio¬ nen in dieser Sache verwandt wurde. Aber auch mit dem schließlichen Ausgang der Zvllvereinskrisis, über die er — das Gegentheil von einem Fanatiker — sich längst keine Illusionen machte, suchte er sich bei Zeiten zu befreunden. Von seiner Hand rührt nicht nnr jener auf Verwerfung des Vertrags zielende Bericht, sondern auch c>ne vor längerer Zeit der Negierung eingereichte.Denkschrift, worin er den Beitritt Würtembergs zum' neuen Zollverein empfahl. Geßler ist ein Mann der bürenn- kratiscbcn Routine, er glaubt an die Allmacht der büreaukratischen Mittel. Der Staat ist ihm wesentlich Maschine.- Er findet für diese seine Anschauung in unse¬ rem Staatsleben einen gefügigen. wohldiSciplinirtcn Apparat vor. Aber auch auf ernste Conflicte des herrischen Eigenwillens mit den constitutionellen Factoren wird man sich gefaßt halten dürfen. — Der Rücktritt des Finanzministers Sigel war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/123>, abgerufen am 03.07.2024.