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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Wenn ich nun schließlich auf die heutzutage unglaublich scheinenden En¬
tehrungen zurückkomme, denen die Truppen der allürten Armeen damals un¬
terworfen waren, so geschieht es in der Absicht, das Bild des Kriegslebens,
wie es damals war, durch einige Züge zu vervollständigen.

Wie bereits erwähnt, hatten die Truppen seit etwa acht Tagen vor der
Schlacht nur von dem gelebt, was sich ein jeder im Felde selbst anzueignen
wußte. Je näher aber die Armee an Leipzig heranrückte, je spärlicher wurden
auch die Unterhaltsmittel für Menschen und Pferde, denn unsere Lorgänger,
die napoleonische Armee, hatten mit uns gleiche Bedürfnisse, dabei aber den,
Kriegsgrundsatz, alles etwa Übrigbleibende zu verwüsten.

Unsere sogenannten Proviantcvlonnen, welche mit ihren vielleicht vor Scham
roth gewordenen Wagen der Armee folgten, waren in der Regel leer, gingen
daher nur aus Ordregewvhuhcit und wie zum Zeitvertreib hinterdrein.

Unter solchen Verhältnissen hatten die allürten Armeen die Schlachttage
von Leipzig überstanden. Man würde aber sehr irren, wen" man glauben
wollte, daß sich diese Lage seil der Erstürmung der Stadt Leipzig im mindesten
geändert hätte.

Den preußischen Truppen des 3. Armeecorps gebührt, wie aus Vorstehen¬
dem erhellt, die Ehre, die Ersten in Leipzig gewesen zu sein. Als es jedoch
nach den oben beschriebenen harten Kämpfen zum parademäßigen Einzuge
in die Stadt kam, da wurden die eigentlichen Sieger von dieser Ehre ausge¬
schlossen, indem nur russische und schwedische (!) Truppen hierzu ausersehen
waren.

War nun den russischen Truppen, welche bei Erstürmung der Stadt
Leipzig redlich, wenn auch gewissermaßen erfolglos angekämpft hatten, diese
Auszeichnung wohl zu gönnen, so hatten doch die Schweden bei Erstürmung
der Stadt so viel wie nichts gethan, wie überhaupt im Laufe des Feldzugs
ihre Rolle vornehmlich darin bestand, als beneidenswerthe Avantgarde die
wenigen vorhandenen Subsistcnzmittel vorweg aufzehren zu helfen*).

Die den Schweden gewährte Theilnahme am Paradeeinzuge konnte daher
für nichts als für ein Compliment gelten, wie man dergleichen wohl anwendet,
Wenn man jemandes Freundschaft um jeden Preis gewinnen will. Es gehört
aber von der anderen Seite eine handfeste Stirn dazu, um es anzunehmen und
sich desselben nicht zu schämen.

Ich muß nun noch der Verpflegung des dritten Armeecorps gedenken, wie
dieselbe nach der Schlacht beschaffen war.



") I" dem in Leipzig errichteten schwedischen Lazarethe sollen dreihundert "verwundete"
Schweden untergebracht gewesen sein. Wenn diese Ziffer richtig sein sollte, so werden darunter
Wohl in "verwiegender Zahl Kranke zu verstehen sei"; denn es wäre ein baares Kniiststück ge-
Wesen, dreihundert "kampfwunde" Schweden um Leipzig aufzutreten.
15*

Wenn ich nun schließlich auf die heutzutage unglaublich scheinenden En¬
tehrungen zurückkomme, denen die Truppen der allürten Armeen damals un¬
terworfen waren, so geschieht es in der Absicht, das Bild des Kriegslebens,
wie es damals war, durch einige Züge zu vervollständigen.

Wie bereits erwähnt, hatten die Truppen seit etwa acht Tagen vor der
Schlacht nur von dem gelebt, was sich ein jeder im Felde selbst anzueignen
wußte. Je näher aber die Armee an Leipzig heranrückte, je spärlicher wurden
auch die Unterhaltsmittel für Menschen und Pferde, denn unsere Lorgänger,
die napoleonische Armee, hatten mit uns gleiche Bedürfnisse, dabei aber den,
Kriegsgrundsatz, alles etwa Übrigbleibende zu verwüsten.

Unsere sogenannten Proviantcvlonnen, welche mit ihren vielleicht vor Scham
roth gewordenen Wagen der Armee folgten, waren in der Regel leer, gingen
daher nur aus Ordregewvhuhcit und wie zum Zeitvertreib hinterdrein.

Unter solchen Verhältnissen hatten die allürten Armeen die Schlachttage
von Leipzig überstanden. Man würde aber sehr irren, wen» man glauben
wollte, daß sich diese Lage seil der Erstürmung der Stadt Leipzig im mindesten
geändert hätte.

Den preußischen Truppen des 3. Armeecorps gebührt, wie aus Vorstehen¬
dem erhellt, die Ehre, die Ersten in Leipzig gewesen zu sein. Als es jedoch
nach den oben beschriebenen harten Kämpfen zum parademäßigen Einzuge
in die Stadt kam, da wurden die eigentlichen Sieger von dieser Ehre ausge¬
schlossen, indem nur russische und schwedische (!) Truppen hierzu ausersehen
waren.

War nun den russischen Truppen, welche bei Erstürmung der Stadt
Leipzig redlich, wenn auch gewissermaßen erfolglos angekämpft hatten, diese
Auszeichnung wohl zu gönnen, so hatten doch die Schweden bei Erstürmung
der Stadt so viel wie nichts gethan, wie überhaupt im Laufe des Feldzugs
ihre Rolle vornehmlich darin bestand, als beneidenswerthe Avantgarde die
wenigen vorhandenen Subsistcnzmittel vorweg aufzehren zu helfen*).

Die den Schweden gewährte Theilnahme am Paradeeinzuge konnte daher
für nichts als für ein Compliment gelten, wie man dergleichen wohl anwendet,
Wenn man jemandes Freundschaft um jeden Preis gewinnen will. Es gehört
aber von der anderen Seite eine handfeste Stirn dazu, um es anzunehmen und
sich desselben nicht zu schämen.

Ich muß nun noch der Verpflegung des dritten Armeecorps gedenken, wie
dieselbe nach der Schlacht beschaffen war.



") I« dem in Leipzig errichteten schwedischen Lazarethe sollen dreihundert „verwundete"
Schweden untergebracht gewesen sein. Wenn diese Ziffer richtig sein sollte, so werden darunter
Wohl in «verwiegender Zahl Kranke zu verstehen sei»; denn es wäre ein baares Kniiststück ge-
Wesen, dreihundert „kampfwunde" Schweden um Leipzig aufzutreten.
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[0119] Wenn ich nun schließlich auf die heutzutage unglaublich scheinenden En¬ tehrungen zurückkomme, denen die Truppen der allürten Armeen damals un¬ terworfen waren, so geschieht es in der Absicht, das Bild des Kriegslebens, wie es damals war, durch einige Züge zu vervollständigen. Wie bereits erwähnt, hatten die Truppen seit etwa acht Tagen vor der Schlacht nur von dem gelebt, was sich ein jeder im Felde selbst anzueignen wußte. Je näher aber die Armee an Leipzig heranrückte, je spärlicher wurden auch die Unterhaltsmittel für Menschen und Pferde, denn unsere Lorgänger, die napoleonische Armee, hatten mit uns gleiche Bedürfnisse, dabei aber den, Kriegsgrundsatz, alles etwa Übrigbleibende zu verwüsten. Unsere sogenannten Proviantcvlonnen, welche mit ihren vielleicht vor Scham roth gewordenen Wagen der Armee folgten, waren in der Regel leer, gingen daher nur aus Ordregewvhuhcit und wie zum Zeitvertreib hinterdrein. Unter solchen Verhältnissen hatten die allürten Armeen die Schlachttage von Leipzig überstanden. Man würde aber sehr irren, wen» man glauben wollte, daß sich diese Lage seil der Erstürmung der Stadt Leipzig im mindesten geändert hätte. Den preußischen Truppen des 3. Armeecorps gebührt, wie aus Vorstehen¬ dem erhellt, die Ehre, die Ersten in Leipzig gewesen zu sein. Als es jedoch nach den oben beschriebenen harten Kämpfen zum parademäßigen Einzuge in die Stadt kam, da wurden die eigentlichen Sieger von dieser Ehre ausge¬ schlossen, indem nur russische und schwedische (!) Truppen hierzu ausersehen waren. War nun den russischen Truppen, welche bei Erstürmung der Stadt Leipzig redlich, wenn auch gewissermaßen erfolglos angekämpft hatten, diese Auszeichnung wohl zu gönnen, so hatten doch die Schweden bei Erstürmung der Stadt so viel wie nichts gethan, wie überhaupt im Laufe des Feldzugs ihre Rolle vornehmlich darin bestand, als beneidenswerthe Avantgarde die wenigen vorhandenen Subsistcnzmittel vorweg aufzehren zu helfen*). Die den Schweden gewährte Theilnahme am Paradeeinzuge konnte daher für nichts als für ein Compliment gelten, wie man dergleichen wohl anwendet, Wenn man jemandes Freundschaft um jeden Preis gewinnen will. Es gehört aber von der anderen Seite eine handfeste Stirn dazu, um es anzunehmen und sich desselben nicht zu schämen. Ich muß nun noch der Verpflegung des dritten Armeecorps gedenken, wie dieselbe nach der Schlacht beschaffen war. ") I« dem in Leipzig errichteten schwedischen Lazarethe sollen dreihundert „verwundete" Schweden untergebracht gewesen sein. Wenn diese Ziffer richtig sein sollte, so werden darunter Wohl in «verwiegender Zahl Kranke zu verstehen sei»; denn es wäre ein baares Kniiststück ge- Wesen, dreihundert „kampfwunde" Schweden um Leipzig aufzutreten. 15*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/119>, abgerufen am 01.10.2024.