Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

deren Habseligkeiten anzueignen. Da dies nun mit bloßen Händen nicht recht
gehen wollte, nahmen sie mehre der zahlreich umherliegenden französischen Ge¬
wehre, hielten deren Bajonnette in die Bivvucckseuer bis dieselben glühend waren,
und bogen sie dann krumm zusammen, so daß ein Haken entstand, mittels dessen
es um so leichter wurde, die auf den Grund des Flusses gesunkenen Leichen
und Geräthschaften herauszuangeln."

"Nachdem wir Pommern das eine Weile mit angesehen hatten, betheiligten
wir uns auf gleiche Weise an diesem oft recht einträglichen Geschäft."

"Bei diesem Unternehmen sah ich ein Pferd bis an den Sattel im Wasser
stehen, vergebens bemüht, den steilen Uferrand des Flusses emporzuklimmen.
Mit Beihilfe mehrer Kameraden gelang es mir, das Thier herauf aufs Trockene
zu ziehen. Es hatte anscheinend einem feindlichen Offizier angehört; sein Rei¬
ter^ lag vermuthlich im Fluß begraben. Ich schnallte den am Sattel befestigten
Mantelsack ab, um seinen Inhalt zu untersuchen und fand oben auf eine Offiziers-
schcupe in Silber und Roth, polnische Abzeichen."

"Indem ich das Ding betrachtete , ging mein Pferd davon; ich ließ den
Mantelsack liegen und lief demselben nach. Um rascher fortzukommen übergab ich
meine Bajonnetbücbse, wie die Unteroffiziere damals dergleichen trugen, einem Land¬
wehrmann des kurmärkischcn Landwehrbataillons unserer Brigade in Verwahrung."

"Nachdem ich nun das Pferd wieder eingefangen, konnte ich den Land¬
wehrmann nicht wieder auffinden, mußte daher, um nicht unbewaffnet zu blei¬
ben, mir eins der umherliegenden französischen Gewehre aneignen. Aber auch
mein Mantelsack mit dem ganzen Inhalte war mittlerweile verschwunden und
schien den Nüssen in die Hände gefallen zu sein."

"Im Lause des 19. October," so berichtete unser weiland Grenadier weiter,
"war ich am Daumen der linken Hand verwundet worde". Diese Wunde, weiche
ich bisher nicht beachtet, schmerzte mich nunmehr außerordentlich; in dem herr¬
schenden Durcheinander suchte ich nach einem Arzte und war so glücklich, den
Chirurg der Compagnie aufzufinden."

..Nachdem dieser meine Wunde untersucht, erklärte er mir kein Verband¬
mittel mehr zu besitzen; ich sollte daher mit ihm in die Stadt gehen, wo er
das Erforderliche erhalten könne. Zu diesem Ende nöthigte er mich, das von
mir erbeutete Pferd zu besteigen, damit wir besser durch den Wirrwarr der sich
überall hin bewegenden Truppen gelangen möchten."

"Mit dem Gewehr und dem Tornister auf dem Rücken bestieg ich das
Pferd; der Chirurg nahm es am Zügel und indem er dem größtentheils aus
Russen bestehenden Truppcnknäuel, der uns cntgegcndrängte, fortwährend zu¬
rief: "Blessirter!" wandten wir uns durch den großen rcichelschcn Garten hin-
durch über die Promenade, welche dicht mit russischer Kavallerie verstopft war,
nach der Stadt."'


Grenzboten IV. 1864. 16

deren Habseligkeiten anzueignen. Da dies nun mit bloßen Händen nicht recht
gehen wollte, nahmen sie mehre der zahlreich umherliegenden französischen Ge¬
wehre, hielten deren Bajonnette in die Bivvucckseuer bis dieselben glühend waren,
und bogen sie dann krumm zusammen, so daß ein Haken entstand, mittels dessen
es um so leichter wurde, die auf den Grund des Flusses gesunkenen Leichen
und Geräthschaften herauszuangeln."

„Nachdem wir Pommern das eine Weile mit angesehen hatten, betheiligten
wir uns auf gleiche Weise an diesem oft recht einträglichen Geschäft."

„Bei diesem Unternehmen sah ich ein Pferd bis an den Sattel im Wasser
stehen, vergebens bemüht, den steilen Uferrand des Flusses emporzuklimmen.
Mit Beihilfe mehrer Kameraden gelang es mir, das Thier herauf aufs Trockene
zu ziehen. Es hatte anscheinend einem feindlichen Offizier angehört; sein Rei¬
ter^ lag vermuthlich im Fluß begraben. Ich schnallte den am Sattel befestigten
Mantelsack ab, um seinen Inhalt zu untersuchen und fand oben auf eine Offiziers-
schcupe in Silber und Roth, polnische Abzeichen."

„Indem ich das Ding betrachtete , ging mein Pferd davon; ich ließ den
Mantelsack liegen und lief demselben nach. Um rascher fortzukommen übergab ich
meine Bajonnetbücbse, wie die Unteroffiziere damals dergleichen trugen, einem Land¬
wehrmann des kurmärkischcn Landwehrbataillons unserer Brigade in Verwahrung."

„Nachdem ich nun das Pferd wieder eingefangen, konnte ich den Land¬
wehrmann nicht wieder auffinden, mußte daher, um nicht unbewaffnet zu blei¬
ben, mir eins der umherliegenden französischen Gewehre aneignen. Aber auch
mein Mantelsack mit dem ganzen Inhalte war mittlerweile verschwunden und
schien den Nüssen in die Hände gefallen zu sein."

„Im Lause des 19. October," so berichtete unser weiland Grenadier weiter,
„war ich am Daumen der linken Hand verwundet worde». Diese Wunde, weiche
ich bisher nicht beachtet, schmerzte mich nunmehr außerordentlich; in dem herr¬
schenden Durcheinander suchte ich nach einem Arzte und war so glücklich, den
Chirurg der Compagnie aufzufinden."

..Nachdem dieser meine Wunde untersucht, erklärte er mir kein Verband¬
mittel mehr zu besitzen; ich sollte daher mit ihm in die Stadt gehen, wo er
das Erforderliche erhalten könne. Zu diesem Ende nöthigte er mich, das von
mir erbeutete Pferd zu besteigen, damit wir besser durch den Wirrwarr der sich
überall hin bewegenden Truppen gelangen möchten."

„Mit dem Gewehr und dem Tornister auf dem Rücken bestieg ich das
Pferd; der Chirurg nahm es am Zügel und indem er dem größtentheils aus
Russen bestehenden Truppcnknäuel, der uns cntgegcndrängte, fortwährend zu¬
rief: „Blessirter!" wandten wir uns durch den großen rcichelschcn Garten hin-
durch über die Promenade, welche dicht mit russischer Kavallerie verstopft war,
nach der Stadt."'


Grenzboten IV. 1864. 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189741"/>
          <p xml:id="ID_454" prev="#ID_453"> deren Habseligkeiten anzueignen. Da dies nun mit bloßen Händen nicht recht<lb/>
gehen wollte, nahmen sie mehre der zahlreich umherliegenden französischen Ge¬<lb/>
wehre, hielten deren Bajonnette in die Bivvucckseuer bis dieselben glühend waren,<lb/>
und bogen sie dann krumm zusammen, so daß ein Haken entstand, mittels dessen<lb/>
es um so leichter wurde, die auf den Grund des Flusses gesunkenen Leichen<lb/>
und Geräthschaften herauszuangeln."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_455"> &#x201E;Nachdem wir Pommern das eine Weile mit angesehen hatten, betheiligten<lb/>
wir uns auf gleiche Weise an diesem oft recht einträglichen Geschäft."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_456"> &#x201E;Bei diesem Unternehmen sah ich ein Pferd bis an den Sattel im Wasser<lb/>
stehen, vergebens bemüht, den steilen Uferrand des Flusses emporzuklimmen.<lb/>
Mit Beihilfe mehrer Kameraden gelang es mir, das Thier herauf aufs Trockene<lb/>
zu ziehen. Es hatte anscheinend einem feindlichen Offizier angehört; sein Rei¬<lb/>
ter^ lag vermuthlich im Fluß begraben. Ich schnallte den am Sattel befestigten<lb/>
Mantelsack ab, um seinen Inhalt zu untersuchen und fand oben auf eine Offiziers-<lb/>
schcupe in Silber und Roth, polnische Abzeichen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_457"> &#x201E;Indem ich das Ding betrachtete , ging mein Pferd davon; ich ließ den<lb/>
Mantelsack liegen und lief demselben nach. Um rascher fortzukommen übergab ich<lb/>
meine Bajonnetbücbse, wie die Unteroffiziere damals dergleichen trugen, einem Land¬<lb/>
wehrmann des kurmärkischcn Landwehrbataillons unserer Brigade in Verwahrung."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_458"> &#x201E;Nachdem ich nun das Pferd wieder eingefangen, konnte ich den Land¬<lb/>
wehrmann nicht wieder auffinden, mußte daher, um nicht unbewaffnet zu blei¬<lb/>
ben, mir eins der umherliegenden französischen Gewehre aneignen. Aber auch<lb/>
mein Mantelsack mit dem ganzen Inhalte war mittlerweile verschwunden und<lb/>
schien den Nüssen in die Hände gefallen zu sein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_459"> &#x201E;Im Lause des 19. October," so berichtete unser weiland Grenadier weiter,<lb/>
&#x201E;war ich am Daumen der linken Hand verwundet worde». Diese Wunde, weiche<lb/>
ich bisher nicht beachtet, schmerzte mich nunmehr außerordentlich; in dem herr¬<lb/>
schenden Durcheinander suchte ich nach einem Arzte und war so glücklich, den<lb/>
Chirurg der Compagnie aufzufinden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_460"> ..Nachdem dieser meine Wunde untersucht, erklärte er mir kein Verband¬<lb/>
mittel mehr zu besitzen; ich sollte daher mit ihm in die Stadt gehen, wo er<lb/>
das Erforderliche erhalten könne. Zu diesem Ende nöthigte er mich, das von<lb/>
mir erbeutete Pferd zu besteigen, damit wir besser durch den Wirrwarr der sich<lb/>
überall hin bewegenden Truppen gelangen möchten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_461"> &#x201E;Mit dem Gewehr und dem Tornister auf dem Rücken bestieg ich das<lb/>
Pferd; der Chirurg nahm es am Zügel und indem er dem größtentheils aus<lb/>
Russen bestehenden Truppcnknäuel, der uns cntgegcndrängte, fortwährend zu¬<lb/>
rief: &#x201E;Blessirter!" wandten wir uns durch den großen rcichelschcn Garten hin-<lb/>
durch über die Promenade, welche dicht mit russischer Kavallerie verstopft war,<lb/>
nach der Stadt."'</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1864. 16</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] deren Habseligkeiten anzueignen. Da dies nun mit bloßen Händen nicht recht gehen wollte, nahmen sie mehre der zahlreich umherliegenden französischen Ge¬ wehre, hielten deren Bajonnette in die Bivvucckseuer bis dieselben glühend waren, und bogen sie dann krumm zusammen, so daß ein Haken entstand, mittels dessen es um so leichter wurde, die auf den Grund des Flusses gesunkenen Leichen und Geräthschaften herauszuangeln." „Nachdem wir Pommern das eine Weile mit angesehen hatten, betheiligten wir uns auf gleiche Weise an diesem oft recht einträglichen Geschäft." „Bei diesem Unternehmen sah ich ein Pferd bis an den Sattel im Wasser stehen, vergebens bemüht, den steilen Uferrand des Flusses emporzuklimmen. Mit Beihilfe mehrer Kameraden gelang es mir, das Thier herauf aufs Trockene zu ziehen. Es hatte anscheinend einem feindlichen Offizier angehört; sein Rei¬ ter^ lag vermuthlich im Fluß begraben. Ich schnallte den am Sattel befestigten Mantelsack ab, um seinen Inhalt zu untersuchen und fand oben auf eine Offiziers- schcupe in Silber und Roth, polnische Abzeichen." „Indem ich das Ding betrachtete , ging mein Pferd davon; ich ließ den Mantelsack liegen und lief demselben nach. Um rascher fortzukommen übergab ich meine Bajonnetbücbse, wie die Unteroffiziere damals dergleichen trugen, einem Land¬ wehrmann des kurmärkischcn Landwehrbataillons unserer Brigade in Verwahrung." „Nachdem ich nun das Pferd wieder eingefangen, konnte ich den Land¬ wehrmann nicht wieder auffinden, mußte daher, um nicht unbewaffnet zu blei¬ ben, mir eins der umherliegenden französischen Gewehre aneignen. Aber auch mein Mantelsack mit dem ganzen Inhalte war mittlerweile verschwunden und schien den Nüssen in die Hände gefallen zu sein." „Im Lause des 19. October," so berichtete unser weiland Grenadier weiter, „war ich am Daumen der linken Hand verwundet worde». Diese Wunde, weiche ich bisher nicht beachtet, schmerzte mich nunmehr außerordentlich; in dem herr¬ schenden Durcheinander suchte ich nach einem Arzte und war so glücklich, den Chirurg der Compagnie aufzufinden." ..Nachdem dieser meine Wunde untersucht, erklärte er mir kein Verband¬ mittel mehr zu besitzen; ich sollte daher mit ihm in die Stadt gehen, wo er das Erforderliche erhalten könne. Zu diesem Ende nöthigte er mich, das von mir erbeutete Pferd zu besteigen, damit wir besser durch den Wirrwarr der sich überall hin bewegenden Truppen gelangen möchten." „Mit dem Gewehr und dem Tornister auf dem Rücken bestieg ich das Pferd; der Chirurg nahm es am Zügel und indem er dem größtentheils aus Russen bestehenden Truppcnknäuel, der uns cntgegcndrängte, fortwährend zu¬ rief: „Blessirter!" wandten wir uns durch den großen rcichelschcn Garten hin- durch über die Promenade, welche dicht mit russischer Kavallerie verstopft war, nach der Stadt."' Grenzboten IV. 1864. 16

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/117>, abgerufen am 03.07.2024.