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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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selbst befindlichen Feinden gereinigt war. zog sich die Brigade rechts (nördlich)
nach der Stadtmauer von Leipzig. Als wir diese erreichten fanden wir ver¬
schiedene Eingangspforten in der Mauer, deren eine von Innen geöffnet wurde.
Durch diese Gartenpforte gingen die Tirailleurs unseres Bataillons (Grenadiere)
unter dem Lieutenant v. Gliczinsti in das Innere eines Gartens ohne Wider¬
stand zu finden."

"Die Brigade setzte ihren Marsch indessen weiter fort und erreichte sehr
bald ein Gebäude vor der Mauer -- die sogenannte Milchinsel -- weiches vom
Feinde besetzt und nun Gegenstand unsres Angriffs war."

Wie ich später erfahren soll ein freiwilliger Jäger Namens Kiaßcn vom
1. pommerschen Infanterieregiment, ein geborner Leipziger, der Führer der Bri¬
gade Borstell gewesen sein.

"Die Eroberung des vorbezeichncten Grundstücks und des dabei gelegnen
Hintcrthvrs kostete viel Mühe und Mannschaft; denn das Gebäude hatte zahl¬
reiche Besatzung, die überdies aus den Fenstern und Dachlückcn feuerte indeß
wir auf freiem Felde angriffen."

Der alte Veteran bemerkt hierbei sehr richtig: "Hätten wir unseren dicken
"Magcnhöfer" -- d. h. die der Brigade Borstest zugehörige Batterie Ur. 10,
welche nach ihrem Commandeur, dem Premicrlieutenant Magcnhöfer, diesen
Spitznamen führte -- bei uns gehabt, wir hätten die Franzosen gewiß bald
vertrieben und lange nicht so viel Menschen verloren."

"Nachdem aber Thor und Gebäude nach hartem Kampfe endlich erobert
waren, verfolgte ein Theil unserer Brigade eine lange Bvrstadtgasse, die Quer¬
gasse, wogegen der andere Theil, darunter das Grcnadicrdataillon, rechts durch
Gärten und Häuser vordrang, hierbei die um die innere Stadt laufende Pro¬
menade erreichte und endlich in einen großen Garten, nahe der von den Fran¬
zosen in die Luft gesprengten Pleißen-Brücke gelangte, welcher von Hecken und
Laubgängen vielfach durchschnitten war.

In diesem, dem gcrhardschen Garten stießen wir auf russische Infanterie,
welche sich noch mit dem Feinde jenseits der Pleiße herumschoß. Auch unser
Bataillon nahm an diesem Fcucrgesecht Theil; der Feind verschwand jedoch bald
völlig."

"Der Fluß, welchen die von der Brücke abgedrängten Franzosen schwim¬
mend zu passiren gesucht hatten, wimmelte von ertrunkenen Feinden und um-
hcrwatendcn ledigen Pferden."

"Die russischen Truppen, welche früher als wir Preußen hierher gelangt
waren, richteten gleich uns das Bivouak in diesem Garten ein. Diese Waffen¬
brüder, welche sür das Aneignen herrenlosen Eigenthums einen besondern Trieb
haben, waren denn auch sehr bald damit beschäftigt, die Leichen der in der
Pleiße ertrunkenen Franzosen und Polen aus dem Wasser zu fischen, um sich


selbst befindlichen Feinden gereinigt war. zog sich die Brigade rechts (nördlich)
nach der Stadtmauer von Leipzig. Als wir diese erreichten fanden wir ver¬
schiedene Eingangspforten in der Mauer, deren eine von Innen geöffnet wurde.
Durch diese Gartenpforte gingen die Tirailleurs unseres Bataillons (Grenadiere)
unter dem Lieutenant v. Gliczinsti in das Innere eines Gartens ohne Wider¬
stand zu finden."

„Die Brigade setzte ihren Marsch indessen weiter fort und erreichte sehr
bald ein Gebäude vor der Mauer — die sogenannte Milchinsel — weiches vom
Feinde besetzt und nun Gegenstand unsres Angriffs war."

Wie ich später erfahren soll ein freiwilliger Jäger Namens Kiaßcn vom
1. pommerschen Infanterieregiment, ein geborner Leipziger, der Führer der Bri¬
gade Borstell gewesen sein.

„Die Eroberung des vorbezeichncten Grundstücks und des dabei gelegnen
Hintcrthvrs kostete viel Mühe und Mannschaft; denn das Gebäude hatte zahl¬
reiche Besatzung, die überdies aus den Fenstern und Dachlückcn feuerte indeß
wir auf freiem Felde angriffen."

Der alte Veteran bemerkt hierbei sehr richtig: „Hätten wir unseren dicken
„Magcnhöfer" — d. h. die der Brigade Borstest zugehörige Batterie Ur. 10,
welche nach ihrem Commandeur, dem Premicrlieutenant Magcnhöfer, diesen
Spitznamen führte — bei uns gehabt, wir hätten die Franzosen gewiß bald
vertrieben und lange nicht so viel Menschen verloren."

„Nachdem aber Thor und Gebäude nach hartem Kampfe endlich erobert
waren, verfolgte ein Theil unserer Brigade eine lange Bvrstadtgasse, die Quer¬
gasse, wogegen der andere Theil, darunter das Grcnadicrdataillon, rechts durch
Gärten und Häuser vordrang, hierbei die um die innere Stadt laufende Pro¬
menade erreichte und endlich in einen großen Garten, nahe der von den Fran¬
zosen in die Luft gesprengten Pleißen-Brücke gelangte, welcher von Hecken und
Laubgängen vielfach durchschnitten war.

In diesem, dem gcrhardschen Garten stießen wir auf russische Infanterie,
welche sich noch mit dem Feinde jenseits der Pleiße herumschoß. Auch unser
Bataillon nahm an diesem Fcucrgesecht Theil; der Feind verschwand jedoch bald
völlig."

„Der Fluß, welchen die von der Brücke abgedrängten Franzosen schwim¬
mend zu passiren gesucht hatten, wimmelte von ertrunkenen Feinden und um-
hcrwatendcn ledigen Pferden."

„Die russischen Truppen, welche früher als wir Preußen hierher gelangt
waren, richteten gleich uns das Bivouak in diesem Garten ein. Diese Waffen¬
brüder, welche sür das Aneignen herrenlosen Eigenthums einen besondern Trieb
haben, waren denn auch sehr bald damit beschäftigt, die Leichen der in der
Pleiße ertrunkenen Franzosen und Polen aus dem Wasser zu fischen, um sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/116>, abgerufen am 03.07.2024.