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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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der versprochnen Brandschatzung in das Haus des Richters zu Storkow stellte.
"Wo ihr nicht Folge leistet, so schickt euch die Woche darnach aus kalt Wasser.
Und wenn ihr alle wachet, es wird euch nichts helfen." Und scherzend wie oft
bei solchen Gelegenheiten fügte er hinzu: "Ich hätte euch den Brief gern selbst
gebracht, aber mein Pferd ist hinkend geworden."

Immer verbissener wurde Kohlhase. In der Nacht vom 16. zum 16. Decem¬
ber ritt er mit dreien seiner Gesellen zu der Richtstätte von Zinna, wo die
.Körper der beiden dort Hingerichteten Mitglieder seiner Schaar noch auf den
Rädern lagen. Wehmüthig löste er sie ab. ließ die Räder den Hügel hinab-
laufen und heftete an sie mit einem Hufnagel einen Zettel mit der Inschrift:
"Ka-eeb.juäieg.t", elln Komanen!"

Das unablässige Drängen der Wittenberger bewog endlich die branden¬
burgische Regierung einen Schritt weiter zu gehen. Am 2. Januar 1639 erließ
Joachim der Zweite eine Aufforderung an die Behörden feines Kurfürstenthums,
den Sachsen zum Habhaftwerden des Fchdevs behilflich zu sein. Doch war
damit zunächst wenig gewonnen; denn die Stimmung der Bevölkerung war
jenem noch immer günstig, und schwer hätte sich jemand dazu verstanden, ihn,
der sich jetzt meist in und um Berlin aufhielt, zu verrathen. Der Verdruß des
Volkes über das Treiben der Sachsen trat jetzt sogar offen und gewaltsam zu
Tage und zwar am deutlichsten und ungestümsten bei den Executionen, welche
die wandernden sächsischen Scharfrichter ausführten. Fast überall machten die
Behörden Schwierigkeiten, wo die wittenberger Richter erschienen, um einen
gefangnen Gefährten KohlhaseS zu verhören, sehr bedenklich äußerte sich der
Pöbel. Ja als am 8. Januar die Hinrichtung eines Gefangnen auf dem
Markte zu Fürsteuwalde vor sich gehen sollte, wiegelten sogar der dortige Geist¬
liche und der Organist das Volt auf. Sie erinnerten an Nickel v. Minkwitz,
der Fürsteuwalde geplündert und die Beute in Wittenberg unter den Augen
des Kurfürsten Johann getheilt habe, und unter Toben und Wüthen der Menge
verließen die Richter die Stadt, in der man sie "nicht als Diener eines evangelischen
Fürsten, sondern eines Bluthundes" betrachtete.

Für jede Execution nahm Kohlhase Rache. Zunächst wüthete er bei
Schlieben. In der Stande vom 19. zum 20. Februar schleppte er den Müller
von Stangenhagen bei Blankensee gefangen hinweg und ließ ihn nicht eher
frei, als bis ihm die Angehörigen desselben 650 Gulden Auslösung bezahlt
hatten. Dann gedachte er Baruth in Asche zu legen. Später hielt er sich in
Brandenburg auf, und zwar mit Wissen des dortigen Bürgermeisters. Die
Kinder in den Straßen deuteten auf den hagern Mann im weißen Mantel
und mit dem blauen Hut, auf dem eine Feder schwankte. Alle ließen ihn
gewähren, aber zu größerer Sicherheit wechselte er zwischen vier Herbergen seinen
Ausenthalt.


der versprochnen Brandschatzung in das Haus des Richters zu Storkow stellte.
„Wo ihr nicht Folge leistet, so schickt euch die Woche darnach aus kalt Wasser.
Und wenn ihr alle wachet, es wird euch nichts helfen." Und scherzend wie oft
bei solchen Gelegenheiten fügte er hinzu: „Ich hätte euch den Brief gern selbst
gebracht, aber mein Pferd ist hinkend geworden."

Immer verbissener wurde Kohlhase. In der Nacht vom 16. zum 16. Decem¬
ber ritt er mit dreien seiner Gesellen zu der Richtstätte von Zinna, wo die
.Körper der beiden dort Hingerichteten Mitglieder seiner Schaar noch auf den
Rädern lagen. Wehmüthig löste er sie ab. ließ die Räder den Hügel hinab-
laufen und heftete an sie mit einem Hufnagel einen Zettel mit der Inschrift:
„Ka-eeb.juäieg.t«, elln Komanen!"

Das unablässige Drängen der Wittenberger bewog endlich die branden¬
burgische Regierung einen Schritt weiter zu gehen. Am 2. Januar 1639 erließ
Joachim der Zweite eine Aufforderung an die Behörden feines Kurfürstenthums,
den Sachsen zum Habhaftwerden des Fchdevs behilflich zu sein. Doch war
damit zunächst wenig gewonnen; denn die Stimmung der Bevölkerung war
jenem noch immer günstig, und schwer hätte sich jemand dazu verstanden, ihn,
der sich jetzt meist in und um Berlin aufhielt, zu verrathen. Der Verdruß des
Volkes über das Treiben der Sachsen trat jetzt sogar offen und gewaltsam zu
Tage und zwar am deutlichsten und ungestümsten bei den Executionen, welche
die wandernden sächsischen Scharfrichter ausführten. Fast überall machten die
Behörden Schwierigkeiten, wo die wittenberger Richter erschienen, um einen
gefangnen Gefährten KohlhaseS zu verhören, sehr bedenklich äußerte sich der
Pöbel. Ja als am 8. Januar die Hinrichtung eines Gefangnen auf dem
Markte zu Fürsteuwalde vor sich gehen sollte, wiegelten sogar der dortige Geist¬
liche und der Organist das Volt auf. Sie erinnerten an Nickel v. Minkwitz,
der Fürsteuwalde geplündert und die Beute in Wittenberg unter den Augen
des Kurfürsten Johann getheilt habe, und unter Toben und Wüthen der Menge
verließen die Richter die Stadt, in der man sie „nicht als Diener eines evangelischen
Fürsten, sondern eines Bluthundes" betrachtete.

Für jede Execution nahm Kohlhase Rache. Zunächst wüthete er bei
Schlieben. In der Stande vom 19. zum 20. Februar schleppte er den Müller
von Stangenhagen bei Blankensee gefangen hinweg und ließ ihn nicht eher
frei, als bis ihm die Angehörigen desselben 650 Gulden Auslösung bezahlt
hatten. Dann gedachte er Baruth in Asche zu legen. Später hielt er sich in
Brandenburg auf, und zwar mit Wissen des dortigen Bürgermeisters. Die
Kinder in den Straßen deuteten auf den hagern Mann im weißen Mantel
und mit dem blauen Hut, auf dem eine Feder schwankte. Alle ließen ihn
gewähren, aber zu größerer Sicherheit wechselte er zwischen vier Herbergen seinen
Ausenthalt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/98>, abgerufen am 28.09.2024.