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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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die er brauchte, warb er sich in den Buden der Handwerker oder unter dem
Straßengesindel Collus. Nie sprach er von dem, was er vorhatte. Auf einigen
Kleppern pflegte er davonzureiten. Des Nachts traf ihn dann an einem be¬
stimmten Orte ein Nollwäglein, aus welches er einen Theil seiner Mannschaft
absexte, und so erreichte er ohne Aufsehen die Wälder an der sächsischen Grenze.
Die nächsten Ortschaften wurden dann andern Tags ausgekundschaftet und je
nach Befinden überfallen oder unbelästigt gelassen.

Die auffallendste That, die er auf diesen Streifzügen verrichtete, und die¬
jenige zugleich, bei der er die meisten Leute verwendete, war die Plünderung
von Marzcihna. Am Abend des 7. November drang er in den dortigen Krug
ein, nach und nach folgten seine Genossen, im Ganzen fünfunddreWg Mann.
Nachdem der Krüger Brandschatzung gelobt, ging es an die übrigen wohl¬
habenden Bauern. Wer sich dem Raube widersetzte, wurde niedergestochen.
Kohlhase machte sich an den Pfarrer und band ihn aus ein Pferd, um ihn
mitzunehmen. Die übrige Rotte hatte inzwischen den verhaßten Geleitsmann
Michael Haym aufgesunden und ihn an die Säule vor dem Kruge gefesselt, wo
Kohlhase der erste war, der ihm seinem Spieß durch den Leid rannte. Zuletzt
ertönte ein Pfiff, dann wurde die Trommel gerührt, und von bannen sanfte
die wilde Bande, reichbeladen mit geplünderten Gut. hinter sich die Brücken
abbrechend, während das benachbarte Schmögeldorf, von einigen angezündet, in
Flammen aufging.

Nachdem er seinen Gefangenen einige Stunden mit fortgeschleppt, enttieH
er ihn aus das Versprechen hin, sich stellen zu wollen, wohin er ihn rufen
werde, dann theilte man die Beute und zerstreute sich. Wiederholt hat Koh'lhcche
in der Einsamkeit Gewissensbisse empfunden und heftige innere Kämpfe 'bestanden,
und gern hätte er in solchen Augenblicken die Hand zum Frieden geboten.
Aber bald trat ihm das erlittne Unrecht wieder vor die Seele, und der Grimm
darüber trieb ihn zu neuen wilden Thaten.

Schon waren der sächsischen Justiz von seinen Gesellen neue Opfer gefallen.
Am 21. October wurde Bernhard Krüger, von Kohlhase zur Brandlegung in
Wittenberg geworben, durch den Strang hingerichtet, und am 22. November
büßten zwei von den Theilnehmern an der Plünderung von Marzahns z-u
Zinna ihre That auf dem Rade. Als Kohlhase dies vernahm, wallte sein Zorn
von Neuem auf. Er gedachte des Pfarrers von Marzcchna. den er unter Vor¬
behalt entlassen und forderte ihn am 10. December aus. sich bis Sonnt"".
Cantate des nächsten Jahres in Sprevenhagen zu stellen. "Ich hoffe," ffchr'lob
er ihm, "Ihr werdet Eure Ehre und Euren Glimpf besser bewahren als 'der
erlogene, ehrlose, meineidige Bösewicht. Georg Reiche, wo nicht, so will ich
Euch und allen Pfaffen die Hoden ausreißen." Und in ähnlichem Tone drohte
er den Bauern von Marzcihna, indem er ihnen einen Termin zur Ablieferung


Vrenzboten III. 1864- 12

die er brauchte, warb er sich in den Buden der Handwerker oder unter dem
Straßengesindel Collus. Nie sprach er von dem, was er vorhatte. Auf einigen
Kleppern pflegte er davonzureiten. Des Nachts traf ihn dann an einem be¬
stimmten Orte ein Nollwäglein, aus welches er einen Theil seiner Mannschaft
absexte, und so erreichte er ohne Aufsehen die Wälder an der sächsischen Grenze.
Die nächsten Ortschaften wurden dann andern Tags ausgekundschaftet und je
nach Befinden überfallen oder unbelästigt gelassen.

Die auffallendste That, die er auf diesen Streifzügen verrichtete, und die¬
jenige zugleich, bei der er die meisten Leute verwendete, war die Plünderung
von Marzcihna. Am Abend des 7. November drang er in den dortigen Krug
ein, nach und nach folgten seine Genossen, im Ganzen fünfunddreWg Mann.
Nachdem der Krüger Brandschatzung gelobt, ging es an die übrigen wohl¬
habenden Bauern. Wer sich dem Raube widersetzte, wurde niedergestochen.
Kohlhase machte sich an den Pfarrer und band ihn aus ein Pferd, um ihn
mitzunehmen. Die übrige Rotte hatte inzwischen den verhaßten Geleitsmann
Michael Haym aufgesunden und ihn an die Säule vor dem Kruge gefesselt, wo
Kohlhase der erste war, der ihm seinem Spieß durch den Leid rannte. Zuletzt
ertönte ein Pfiff, dann wurde die Trommel gerührt, und von bannen sanfte
die wilde Bande, reichbeladen mit geplünderten Gut. hinter sich die Brücken
abbrechend, während das benachbarte Schmögeldorf, von einigen angezündet, in
Flammen aufging.

Nachdem er seinen Gefangenen einige Stunden mit fortgeschleppt, enttieH
er ihn aus das Versprechen hin, sich stellen zu wollen, wohin er ihn rufen
werde, dann theilte man die Beute und zerstreute sich. Wiederholt hat Koh'lhcche
in der Einsamkeit Gewissensbisse empfunden und heftige innere Kämpfe 'bestanden,
und gern hätte er in solchen Augenblicken die Hand zum Frieden geboten.
Aber bald trat ihm das erlittne Unrecht wieder vor die Seele, und der Grimm
darüber trieb ihn zu neuen wilden Thaten.

Schon waren der sächsischen Justiz von seinen Gesellen neue Opfer gefallen.
Am 21. October wurde Bernhard Krüger, von Kohlhase zur Brandlegung in
Wittenberg geworben, durch den Strang hingerichtet, und am 22. November
büßten zwei von den Theilnehmern an der Plünderung von Marzahns z-u
Zinna ihre That auf dem Rade. Als Kohlhase dies vernahm, wallte sein Zorn
von Neuem auf. Er gedachte des Pfarrers von Marzcchna. den er unter Vor¬
behalt entlassen und forderte ihn am 10. December aus. sich bis Sonnt««.
Cantate des nächsten Jahres in Sprevenhagen zu stellen. „Ich hoffe," ffchr'lob
er ihm, „Ihr werdet Eure Ehre und Euren Glimpf besser bewahren als 'der
erlogene, ehrlose, meineidige Bösewicht. Georg Reiche, wo nicht, so will ich
Euch und allen Pfaffen die Hoden ausreißen." Und in ähnlichem Tone drohte
er den Bauern von Marzcihna, indem er ihnen einen Termin zur Ablieferung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/97>, abgerufen am 20.10.2024.