Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Familie des inzwischen verstorbenen v. Zaschwitz erschienen, und auf dem jener,
nachdem er den geforderten Reinigungseid geleistet, durch seinen Anwalt Magister
Johann Gentzke von den Erben des Junkers zu Wellaune nochmals Schaden¬
ersatz verlangen ließ, während der Rechtsbeistand der letzteren Dr. Scheffelaus
Leipzig alle Schuld. der Verwickelung dem Starrsinn Kohlhases beimaß und
dessen Ansprüche als nach Absterben des eigentlichen Beklagten erloschen an¬
gesehen haben wollte. Dem stimmten die Richter nicht bei, und man wählte
zum Austrag der Sache einen Ausschuß aus beiden Parteien, in welchem man
wirklich zu einer Verständigung gelangte. Am 7> December schloß man ab.
Kohlhase forderte die für jene Zeit sehr hohe Summe von 1200 Gulden und
erhielt Von der Gegenpartei 600 zugestanden. Die sächsischen Richter setzten
einen Vertrag auf, in welchem jener die Fehde einzustellen gelobte, während
die Familie v. Zaschwitz Erlegung der Entschädigung bis Neujahr versprach und
die Bauern aus Wellaune die ehrenrühriger Worte vom 1. October 1S32 feier¬
lich zurücknahmen.

Die Sache schien damit erledigt. Da that der Kurfürst von Sachsen gegen
die Abfindung, über die sich jetzt die Wittwe des Junkers und der Anwalt von
dessen Kindern als eine ihnen zu ungünstige beschwerten, und zu der Johann
Friedrich keine Instruction ertheilt haben wollte, entschieden Einspruch, und so
war Kohlhase abermals vom Boden des Rechts hinweggestoßen. Dieselben
Räthe, die das jüterbocker Abkommen abgeschlossen, mußten ihm schreiben, daß
ihr Herr und Gebieter dasselbe für null und nichtig ansehe. Sie thaten dies
jedenfalls als bedientenhafte Naturen ohne Erröthen, wenn man nach dem von
ihnen an den Kurfürsten gerichteten Entschuldigungsschreiben schließen darf, in
welchem sie bekennen, "als Arme vom Adel wohl zu wissen, mit was Unter-
thänigkeit sie seiner Chursürstl. Gnaden gewandt, wie es ihnen gebühre, Leib
und Gut zur Verhütung des Spottes und Schimpfes Seiner Gnaden darzusetzen
mit der unterthänigsten Bitte, all ihre Handlung ihrem Unverstande beimessen
zu wollen."

Wie der Brief der Räthe an Kohlhase gewirkt, kann man sich vorstellen.
Doch schritt er noch nicht zu Gewaltthaten, obwohl Sachsen auch darin den
Boden des Rechts verließ, daß es auf ihn fahnden ließ und auf seine Ein¬
bringung den Preis von 100 Thalern setzte. Er hatte sich vor dem jüterbocker
Tage an Luther, damals den einflußreichsten Mann im Kurfürstenthum Sachsen,
um Rath und Hilfe gewendet, und dieser hatte ihm am 8. December brieflich
gerathen. "Frieden anzunehmen, den Teufel nicht zu Gevatter zu bitten, sich
seinen Schaden von Gott zugefügt sein zu lassen und es um seinetwillen zu
verbeißen."

Ruhig ging Kvhlhase seinen Handelsgeschäften nach, während 'sie in Sachsen
alle zu der Zeit verübten Frevelthaten, selbst die außerhalb des Kurfürstenthums


Familie des inzwischen verstorbenen v. Zaschwitz erschienen, und auf dem jener,
nachdem er den geforderten Reinigungseid geleistet, durch seinen Anwalt Magister
Johann Gentzke von den Erben des Junkers zu Wellaune nochmals Schaden¬
ersatz verlangen ließ, während der Rechtsbeistand der letzteren Dr. Scheffelaus
Leipzig alle Schuld. der Verwickelung dem Starrsinn Kohlhases beimaß und
dessen Ansprüche als nach Absterben des eigentlichen Beklagten erloschen an¬
gesehen haben wollte. Dem stimmten die Richter nicht bei, und man wählte
zum Austrag der Sache einen Ausschuß aus beiden Parteien, in welchem man
wirklich zu einer Verständigung gelangte. Am 7> December schloß man ab.
Kohlhase forderte die für jene Zeit sehr hohe Summe von 1200 Gulden und
erhielt Von der Gegenpartei 600 zugestanden. Die sächsischen Richter setzten
einen Vertrag auf, in welchem jener die Fehde einzustellen gelobte, während
die Familie v. Zaschwitz Erlegung der Entschädigung bis Neujahr versprach und
die Bauern aus Wellaune die ehrenrühriger Worte vom 1. October 1S32 feier¬
lich zurücknahmen.

Die Sache schien damit erledigt. Da that der Kurfürst von Sachsen gegen
die Abfindung, über die sich jetzt die Wittwe des Junkers und der Anwalt von
dessen Kindern als eine ihnen zu ungünstige beschwerten, und zu der Johann
Friedrich keine Instruction ertheilt haben wollte, entschieden Einspruch, und so
war Kohlhase abermals vom Boden des Rechts hinweggestoßen. Dieselben
Räthe, die das jüterbocker Abkommen abgeschlossen, mußten ihm schreiben, daß
ihr Herr und Gebieter dasselbe für null und nichtig ansehe. Sie thaten dies
jedenfalls als bedientenhafte Naturen ohne Erröthen, wenn man nach dem von
ihnen an den Kurfürsten gerichteten Entschuldigungsschreiben schließen darf, in
welchem sie bekennen, „als Arme vom Adel wohl zu wissen, mit was Unter-
thänigkeit sie seiner Chursürstl. Gnaden gewandt, wie es ihnen gebühre, Leib
und Gut zur Verhütung des Spottes und Schimpfes Seiner Gnaden darzusetzen
mit der unterthänigsten Bitte, all ihre Handlung ihrem Unverstande beimessen
zu wollen."

Wie der Brief der Räthe an Kohlhase gewirkt, kann man sich vorstellen.
Doch schritt er noch nicht zu Gewaltthaten, obwohl Sachsen auch darin den
Boden des Rechts verließ, daß es auf ihn fahnden ließ und auf seine Ein¬
bringung den Preis von 100 Thalern setzte. Er hatte sich vor dem jüterbocker
Tage an Luther, damals den einflußreichsten Mann im Kurfürstenthum Sachsen,
um Rath und Hilfe gewendet, und dieser hatte ihm am 8. December brieflich
gerathen. „Frieden anzunehmen, den Teufel nicht zu Gevatter zu bitten, sich
seinen Schaden von Gott zugefügt sein zu lassen und es um seinetwillen zu
verbeißen."

Ruhig ging Kvhlhase seinen Handelsgeschäften nach, während 'sie in Sachsen
alle zu der Zeit verübten Frevelthaten, selbst die außerhalb des Kurfürstenthums


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189189"/>
          <p xml:id="ID_277" prev="#ID_276"> Familie des inzwischen verstorbenen v. Zaschwitz erschienen, und auf dem jener,<lb/>
nachdem er den geforderten Reinigungseid geleistet, durch seinen Anwalt Magister<lb/>
Johann Gentzke von den Erben des Junkers zu Wellaune nochmals Schaden¬<lb/>
ersatz verlangen ließ, während der Rechtsbeistand der letzteren Dr. Scheffelaus<lb/>
Leipzig alle Schuld. der Verwickelung dem Starrsinn Kohlhases beimaß und<lb/>
dessen Ansprüche als nach Absterben des eigentlichen Beklagten erloschen an¬<lb/>
gesehen haben wollte. Dem stimmten die Richter nicht bei, und man wählte<lb/>
zum Austrag der Sache einen Ausschuß aus beiden Parteien, in welchem man<lb/>
wirklich zu einer Verständigung gelangte. Am 7&gt; December schloß man ab.<lb/>
Kohlhase forderte die für jene Zeit sehr hohe Summe von 1200 Gulden und<lb/>
erhielt Von der Gegenpartei 600 zugestanden. Die sächsischen Richter setzten<lb/>
einen Vertrag auf, in welchem jener die Fehde einzustellen gelobte, während<lb/>
die Familie v. Zaschwitz Erlegung der Entschädigung bis Neujahr versprach und<lb/>
die Bauern aus Wellaune die ehrenrühriger Worte vom 1. October 1S32 feier¬<lb/>
lich zurücknahmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_278"> Die Sache schien damit erledigt. Da that der Kurfürst von Sachsen gegen<lb/>
die Abfindung, über die sich jetzt die Wittwe des Junkers und der Anwalt von<lb/>
dessen Kindern als eine ihnen zu ungünstige beschwerten, und zu der Johann<lb/>
Friedrich keine Instruction ertheilt haben wollte, entschieden Einspruch, und so<lb/>
war Kohlhase abermals vom Boden des Rechts hinweggestoßen. Dieselben<lb/>
Räthe, die das jüterbocker Abkommen abgeschlossen, mußten ihm schreiben, daß<lb/>
ihr Herr und Gebieter dasselbe für null und nichtig ansehe. Sie thaten dies<lb/>
jedenfalls als bedientenhafte Naturen ohne Erröthen, wenn man nach dem von<lb/>
ihnen an den Kurfürsten gerichteten Entschuldigungsschreiben schließen darf, in<lb/>
welchem sie bekennen, &#x201E;als Arme vom Adel wohl zu wissen, mit was Unter-<lb/>
thänigkeit sie seiner Chursürstl. Gnaden gewandt, wie es ihnen gebühre, Leib<lb/>
und Gut zur Verhütung des Spottes und Schimpfes Seiner Gnaden darzusetzen<lb/>
mit der unterthänigsten Bitte, all ihre Handlung ihrem Unverstande beimessen<lb/>
zu wollen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_279"> Wie der Brief der Räthe an Kohlhase gewirkt, kann man sich vorstellen.<lb/>
Doch schritt er noch nicht zu Gewaltthaten, obwohl Sachsen auch darin den<lb/>
Boden des Rechts verließ, daß es auf ihn fahnden ließ und auf seine Ein¬<lb/>
bringung den Preis von 100 Thalern setzte. Er hatte sich vor dem jüterbocker<lb/>
Tage an Luther, damals den einflußreichsten Mann im Kurfürstenthum Sachsen,<lb/>
um Rath und Hilfe gewendet, und dieser hatte ihm am 8. December brieflich<lb/>
gerathen. &#x201E;Frieden anzunehmen, den Teufel nicht zu Gevatter zu bitten, sich<lb/>
seinen Schaden von Gott zugefügt sein zu lassen und es um seinetwillen zu<lb/>
verbeißen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_280" next="#ID_281"> Ruhig ging Kvhlhase seinen Handelsgeschäften nach, während 'sie in Sachsen<lb/>
alle zu der Zeit verübten Frevelthaten, selbst die außerhalb des Kurfürstenthums</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0094] Familie des inzwischen verstorbenen v. Zaschwitz erschienen, und auf dem jener, nachdem er den geforderten Reinigungseid geleistet, durch seinen Anwalt Magister Johann Gentzke von den Erben des Junkers zu Wellaune nochmals Schaden¬ ersatz verlangen ließ, während der Rechtsbeistand der letzteren Dr. Scheffelaus Leipzig alle Schuld. der Verwickelung dem Starrsinn Kohlhases beimaß und dessen Ansprüche als nach Absterben des eigentlichen Beklagten erloschen an¬ gesehen haben wollte. Dem stimmten die Richter nicht bei, und man wählte zum Austrag der Sache einen Ausschuß aus beiden Parteien, in welchem man wirklich zu einer Verständigung gelangte. Am 7> December schloß man ab. Kohlhase forderte die für jene Zeit sehr hohe Summe von 1200 Gulden und erhielt Von der Gegenpartei 600 zugestanden. Die sächsischen Richter setzten einen Vertrag auf, in welchem jener die Fehde einzustellen gelobte, während die Familie v. Zaschwitz Erlegung der Entschädigung bis Neujahr versprach und die Bauern aus Wellaune die ehrenrühriger Worte vom 1. October 1S32 feier¬ lich zurücknahmen. Die Sache schien damit erledigt. Da that der Kurfürst von Sachsen gegen die Abfindung, über die sich jetzt die Wittwe des Junkers und der Anwalt von dessen Kindern als eine ihnen zu ungünstige beschwerten, und zu der Johann Friedrich keine Instruction ertheilt haben wollte, entschieden Einspruch, und so war Kohlhase abermals vom Boden des Rechts hinweggestoßen. Dieselben Räthe, die das jüterbocker Abkommen abgeschlossen, mußten ihm schreiben, daß ihr Herr und Gebieter dasselbe für null und nichtig ansehe. Sie thaten dies jedenfalls als bedientenhafte Naturen ohne Erröthen, wenn man nach dem von ihnen an den Kurfürsten gerichteten Entschuldigungsschreiben schließen darf, in welchem sie bekennen, „als Arme vom Adel wohl zu wissen, mit was Unter- thänigkeit sie seiner Chursürstl. Gnaden gewandt, wie es ihnen gebühre, Leib und Gut zur Verhütung des Spottes und Schimpfes Seiner Gnaden darzusetzen mit der unterthänigsten Bitte, all ihre Handlung ihrem Unverstande beimessen zu wollen." Wie der Brief der Räthe an Kohlhase gewirkt, kann man sich vorstellen. Doch schritt er noch nicht zu Gewaltthaten, obwohl Sachsen auch darin den Boden des Rechts verließ, daß es auf ihn fahnden ließ und auf seine Ein¬ bringung den Preis von 100 Thalern setzte. Er hatte sich vor dem jüterbocker Tage an Luther, damals den einflußreichsten Mann im Kurfürstenthum Sachsen, um Rath und Hilfe gewendet, und dieser hatte ihm am 8. December brieflich gerathen. „Frieden anzunehmen, den Teufel nicht zu Gevatter zu bitten, sich seinen Schaden von Gott zugefügt sein zu lassen und es um seinetwillen zu verbeißen." Ruhig ging Kvhlhase seinen Handelsgeschäften nach, während 'sie in Sachsen alle zu der Zeit verübten Frevelthaten, selbst die außerhalb des Kurfürstenthums

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/94
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/94>, abgerufen am 28.09.2024.