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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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begangenen, ihm zuschrieben und bis nach Posen hin Leute zu seiner Auf¬
bringung warben. Erst am 14. März,. 1533 begann er vom rechten Wege ab¬
zulenken, doch waren es selbst jetzt nur noch Drohungen und Neckereien, wenn
er in Iüterbock wittenberger Bürger in einer Schenke dadurch ängstigte, daß
er "seine Feuerpfeile in den Tisch schoß, ihnen die Hände abhauen, Katzen mit
Pulver und Pech polstern und mit ihnen die lochauer Haide in Brand stecken
wollte" und schließlich, nachdem er eingelenkt und mit ihnen gezecht, ihnen aus
einem Kartenblatt einen unfreundlichen Gruß an ihren Bürgermeister mitgab.
Gesetzmäßiger Sinn kämpfte in ihm mit berechtigtem Verdruß und behielt noch
lange die Oberhand. Endlich aber erlag er den trüben Elementen in ihm und
dem Andringen seiner Verwandtschaft, die ihn zu neuer Fehde anstachelte.
Hatte ihm doch sein eigener Vater im Kruge zu Tempelhagen die Worte zu¬
gerufen: "Wenn's mich anginge, so sollte den Edelmann das stete Uebel bestehen."

Am 26. Mai 1535 erst -- also reichlich sechzehn Monate nach der letzten
ihm widerfahrenen Rechtsverweigerung -- begann Kohlhase seinen Fehdebrief
wahrzumachen, indem er mit acht Genossen in die Mühle zu Gommig einbrach,
den Müller verwundete und beraubte und schließlich das Gebäude in Asche
legte. Großer Schrecken ergriff die ganze Nachbarschaft, als sich die Kunde von
dieser That verbreitete. Wieder machte man Vorstellungen in Berlin, und
wieder umsonst, ja Kurfürst Joachim ersuchte sogar den querulirenden witten¬
berger Landvogt, .ihn künftig mit dergleichen zu verschonen, und so blieb dem
sächsischen Kurfürsten nichts übrig, als noch einmal den friedlichen Weg zu be¬
treten, zumal man erfuhr, daß auch die Bevölkerung in der Mark Partei für
ihren Landsmann zu nehmen beginne. Sachsen stellte das Streifen gegen
Kohlhase ein, dieser stand von Fortsetzung seiner Fehde ab, und nach mehren
Monaten, im Januar 1537, kam man, nachdem Sachsen bei dem Nachfolger
des inzwischen verstorbenen Joachim nochmals vergeblich Beschwerde erhoben und
Abhilfe verlangt hatte, dahin überein, den Streit auf einem neuen Rechtslage
zu Iüterbock zu beendigen. Derselbe fand indeß erst um die Mitte des zuletzt
genannten Jahres statt und konnte, da man sächsischerseits keine Entschädigung
bewilligen wollte, so wenig wie die frühern Verhandlungen zu einem guten
Ende führen, und da neue Gesuche, die Kohlhase auf dem zu Anfang 1538
gehaltenen zerbster Tage einreichen ließ, wieder nichts fruchteten, so zerschlugen
sich die Aussichten aus eine friedliche Lösung völlig, und Kohlhase entschloß sich
nun, vollen bittern Ernst zu machen mit seiner Fehde.

Doch zögerte er damit noch mehre Monate, auch stellte er vorher dem
Kurfürsten den Geleitsbrief, den dieser ihm gegeben, mit der Bitte zurück, sich
nicht über ihn zu erbittern. Dann aber begann er seinen Nachezug mit aller
Energie. Am 23. Juli 1538 lauerte er dem von der frankfurter Messe heim¬
kehrenden wittenberger Bürger Georg Reiche mit mehren Knechten auf, nahm


begangenen, ihm zuschrieben und bis nach Posen hin Leute zu seiner Auf¬
bringung warben. Erst am 14. März,. 1533 begann er vom rechten Wege ab¬
zulenken, doch waren es selbst jetzt nur noch Drohungen und Neckereien, wenn
er in Iüterbock wittenberger Bürger in einer Schenke dadurch ängstigte, daß
er „seine Feuerpfeile in den Tisch schoß, ihnen die Hände abhauen, Katzen mit
Pulver und Pech polstern und mit ihnen die lochauer Haide in Brand stecken
wollte" und schließlich, nachdem er eingelenkt und mit ihnen gezecht, ihnen aus
einem Kartenblatt einen unfreundlichen Gruß an ihren Bürgermeister mitgab.
Gesetzmäßiger Sinn kämpfte in ihm mit berechtigtem Verdruß und behielt noch
lange die Oberhand. Endlich aber erlag er den trüben Elementen in ihm und
dem Andringen seiner Verwandtschaft, die ihn zu neuer Fehde anstachelte.
Hatte ihm doch sein eigener Vater im Kruge zu Tempelhagen die Worte zu¬
gerufen: „Wenn's mich anginge, so sollte den Edelmann das stete Uebel bestehen."

Am 26. Mai 1535 erst — also reichlich sechzehn Monate nach der letzten
ihm widerfahrenen Rechtsverweigerung — begann Kohlhase seinen Fehdebrief
wahrzumachen, indem er mit acht Genossen in die Mühle zu Gommig einbrach,
den Müller verwundete und beraubte und schließlich das Gebäude in Asche
legte. Großer Schrecken ergriff die ganze Nachbarschaft, als sich die Kunde von
dieser That verbreitete. Wieder machte man Vorstellungen in Berlin, und
wieder umsonst, ja Kurfürst Joachim ersuchte sogar den querulirenden witten¬
berger Landvogt, .ihn künftig mit dergleichen zu verschonen, und so blieb dem
sächsischen Kurfürsten nichts übrig, als noch einmal den friedlichen Weg zu be¬
treten, zumal man erfuhr, daß auch die Bevölkerung in der Mark Partei für
ihren Landsmann zu nehmen beginne. Sachsen stellte das Streifen gegen
Kohlhase ein, dieser stand von Fortsetzung seiner Fehde ab, und nach mehren
Monaten, im Januar 1537, kam man, nachdem Sachsen bei dem Nachfolger
des inzwischen verstorbenen Joachim nochmals vergeblich Beschwerde erhoben und
Abhilfe verlangt hatte, dahin überein, den Streit auf einem neuen Rechtslage
zu Iüterbock zu beendigen. Derselbe fand indeß erst um die Mitte des zuletzt
genannten Jahres statt und konnte, da man sächsischerseits keine Entschädigung
bewilligen wollte, so wenig wie die frühern Verhandlungen zu einem guten
Ende führen, und da neue Gesuche, die Kohlhase auf dem zu Anfang 1538
gehaltenen zerbster Tage einreichen ließ, wieder nichts fruchteten, so zerschlugen
sich die Aussichten aus eine friedliche Lösung völlig, und Kohlhase entschloß sich
nun, vollen bittern Ernst zu machen mit seiner Fehde.

Doch zögerte er damit noch mehre Monate, auch stellte er vorher dem
Kurfürsten den Geleitsbrief, den dieser ihm gegeben, mit der Bitte zurück, sich
nicht über ihn zu erbittern. Dann aber begann er seinen Nachezug mit aller
Energie. Am 23. Juli 1538 lauerte er dem von der frankfurter Messe heim¬
kehrenden wittenberger Bürger Georg Reiche mit mehren Knechten auf, nahm


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[0095] begangenen, ihm zuschrieben und bis nach Posen hin Leute zu seiner Auf¬ bringung warben. Erst am 14. März,. 1533 begann er vom rechten Wege ab¬ zulenken, doch waren es selbst jetzt nur noch Drohungen und Neckereien, wenn er in Iüterbock wittenberger Bürger in einer Schenke dadurch ängstigte, daß er „seine Feuerpfeile in den Tisch schoß, ihnen die Hände abhauen, Katzen mit Pulver und Pech polstern und mit ihnen die lochauer Haide in Brand stecken wollte" und schließlich, nachdem er eingelenkt und mit ihnen gezecht, ihnen aus einem Kartenblatt einen unfreundlichen Gruß an ihren Bürgermeister mitgab. Gesetzmäßiger Sinn kämpfte in ihm mit berechtigtem Verdruß und behielt noch lange die Oberhand. Endlich aber erlag er den trüben Elementen in ihm und dem Andringen seiner Verwandtschaft, die ihn zu neuer Fehde anstachelte. Hatte ihm doch sein eigener Vater im Kruge zu Tempelhagen die Worte zu¬ gerufen: „Wenn's mich anginge, so sollte den Edelmann das stete Uebel bestehen." Am 26. Mai 1535 erst — also reichlich sechzehn Monate nach der letzten ihm widerfahrenen Rechtsverweigerung — begann Kohlhase seinen Fehdebrief wahrzumachen, indem er mit acht Genossen in die Mühle zu Gommig einbrach, den Müller verwundete und beraubte und schließlich das Gebäude in Asche legte. Großer Schrecken ergriff die ganze Nachbarschaft, als sich die Kunde von dieser That verbreitete. Wieder machte man Vorstellungen in Berlin, und wieder umsonst, ja Kurfürst Joachim ersuchte sogar den querulirenden witten¬ berger Landvogt, .ihn künftig mit dergleichen zu verschonen, und so blieb dem sächsischen Kurfürsten nichts übrig, als noch einmal den friedlichen Weg zu be¬ treten, zumal man erfuhr, daß auch die Bevölkerung in der Mark Partei für ihren Landsmann zu nehmen beginne. Sachsen stellte das Streifen gegen Kohlhase ein, dieser stand von Fortsetzung seiner Fehde ab, und nach mehren Monaten, im Januar 1537, kam man, nachdem Sachsen bei dem Nachfolger des inzwischen verstorbenen Joachim nochmals vergeblich Beschwerde erhoben und Abhilfe verlangt hatte, dahin überein, den Streit auf einem neuen Rechtslage zu Iüterbock zu beendigen. Derselbe fand indeß erst um die Mitte des zuletzt genannten Jahres statt und konnte, da man sächsischerseits keine Entschädigung bewilligen wollte, so wenig wie die frühern Verhandlungen zu einem guten Ende führen, und da neue Gesuche, die Kohlhase auf dem zu Anfang 1538 gehaltenen zerbster Tage einreichen ließ, wieder nichts fruchteten, so zerschlugen sich die Aussichten aus eine friedliche Lösung völlig, und Kohlhase entschloß sich nun, vollen bittern Ernst zu machen mit seiner Fehde. Doch zögerte er damit noch mehre Monate, auch stellte er vorher dem Kurfürsten den Geleitsbrief, den dieser ihm gegeben, mit der Bitte zurück, sich nicht über ihn zu erbittern. Dann aber begann er seinen Nachezug mit aller Energie. Am 23. Juli 1538 lauerte er dem von der frankfurter Messe heim¬ kehrenden wittenberger Bürger Georg Reiche mit mehren Knechten auf, nahm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/95>, abgerufen am 20.10.2024.