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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Durch ihre Aussetzungen habe er Jammer und Verderben über das Land ver¬
breitet. Hofer brach darüber in hellen Zorn und abergläubische Verwünschun¬
gen aus, und hieß die Geistlichen sich entfernen. Man entwarf nun im Ge¬
meindeausschuß ein Unterwerfungsprotokoll und beschloß, die sämmtlichen Ge¬
wehre nach Meran zu liefern. Hofers Freunde wußten aber die Schrift wäh¬
rend der Nacht ihm zuzustecken, er zerriß sie. ohne sie zu lesen, ließ am folgen¬
den Morgen nach Se. Leonhard sagen, man solle die Spihbuben. die sie un¬
terschrieben, niederschießen und an mehrern Orten Sturm läuten. Schon
hatten sich einige hundert Burschen zusammengerottet, der Gewehre bemächtigt
und waren unter der Anführung von Hofers Schwager nach Saltaus gerückt,
um die Franzosen anzugreifen, als Baraguay d'Hilliers, davon benachrichtigt,
ihnen 2400 Mann entgegensandte, worauf sie sich augenblicklich zerstreuten.
Der französische General war über dieses Benehmen Hofers so erzürnt, daß er
dem Benedictiner, der,von Neuem für ihn um Vergebung bat. zurief: "laise^
vous ac esttö böte incons^quente!" Dennoch ließ er sich endlich bewegen,
ihm schriftlich volle Amnestie zu versprechen, wenn er von nun an seinem auf¬
rührerischen Treiben entsage und sich bis zum 1. Januar 1810 vor dem fran¬
zösischen Militärobercommando stelle, unter dieser Bedingung sicherte er ihm so¬
gar möglichste Unterstüizung seiner Wünsche und Absichten zu. Daß Hofer
dies Anerbieten zurückwies, lag nicht sowohl in einem edlen Stolze, der jede
Gnade vom Feinde verschmähte, als im blinden Vertrauen auf die Hilfe des
Himmels, von dem er Wunderdinge erwartete. Nachdem die Franzosen auf
seinen Kopf 1600 si. gehend hatten, zog er sich in eine Sennhütte auf dem
Schneeberge zurück, wohin ihm anfangs nur der Student Schweth, später aber
auch sein Weib und sein vierzehnjähriger Sohn folgten.

Jene 3000 Ducaten. die ihm der Kaiser geschenkt, fernere 30,000 si., die
ihm in der Nacht vor seiner Abreise von Innsbruck Peter Stolz und Engel¬
hard Trägheit aus dem dortigen Zahlamte zugeführt, und andere Gelder, die
ihm Roschmann zurückgelassen, hatte er theils vergraben, theils auf die Alpe
mitgeschleppt. Von dort wollte er zu gelegener Zeit nach Wien, wohin er Jo¬
hann Wild, einen seiner Vertrauten, mit einem Schreiben- an den Kaiser voran¬
gesandt. Wenn man ihn auf die Gefahr, in der er sich befinde, aufmerksam
machte, antwortete er: "Der heilige Antoni wird die Franzosen nicht heraus¬
lassen." Viele Leute in Passeier wußten um seinen Aufenthalt; die Dienst¬
boten in der Nähe, von denen er dies vermuthete, wollte er durch kleine Ge¬
schenke zum Schweigen bringen. Auch seinen nachherigen Verräther, Franz
Raffel, der ihn wenige Tage vor seiner Gefangennehmung besuchte, glaubte er
sich durch zwei Thaler gewonnen zu haben. Dreimal wies General Huard den
Angeber zurück, erst als er mit einem Beglaubigungsschreiben des Landrichters
Auer wiederkehrte, gab er ihm ein paar hundert Franzosen mit, die, von ihm


9*

Durch ihre Aussetzungen habe er Jammer und Verderben über das Land ver¬
breitet. Hofer brach darüber in hellen Zorn und abergläubische Verwünschun¬
gen aus, und hieß die Geistlichen sich entfernen. Man entwarf nun im Ge¬
meindeausschuß ein Unterwerfungsprotokoll und beschloß, die sämmtlichen Ge¬
wehre nach Meran zu liefern. Hofers Freunde wußten aber die Schrift wäh¬
rend der Nacht ihm zuzustecken, er zerriß sie. ohne sie zu lesen, ließ am folgen¬
den Morgen nach Se. Leonhard sagen, man solle die Spihbuben. die sie un¬
terschrieben, niederschießen und an mehrern Orten Sturm läuten. Schon
hatten sich einige hundert Burschen zusammengerottet, der Gewehre bemächtigt
und waren unter der Anführung von Hofers Schwager nach Saltaus gerückt,
um die Franzosen anzugreifen, als Baraguay d'Hilliers, davon benachrichtigt,
ihnen 2400 Mann entgegensandte, worauf sie sich augenblicklich zerstreuten.
Der französische General war über dieses Benehmen Hofers so erzürnt, daß er
dem Benedictiner, der,von Neuem für ihn um Vergebung bat. zurief: „laise^
vous ac esttö böte incons^quente!" Dennoch ließ er sich endlich bewegen,
ihm schriftlich volle Amnestie zu versprechen, wenn er von nun an seinem auf¬
rührerischen Treiben entsage und sich bis zum 1. Januar 1810 vor dem fran¬
zösischen Militärobercommando stelle, unter dieser Bedingung sicherte er ihm so¬
gar möglichste Unterstüizung seiner Wünsche und Absichten zu. Daß Hofer
dies Anerbieten zurückwies, lag nicht sowohl in einem edlen Stolze, der jede
Gnade vom Feinde verschmähte, als im blinden Vertrauen auf die Hilfe des
Himmels, von dem er Wunderdinge erwartete. Nachdem die Franzosen auf
seinen Kopf 1600 si. gehend hatten, zog er sich in eine Sennhütte auf dem
Schneeberge zurück, wohin ihm anfangs nur der Student Schweth, später aber
auch sein Weib und sein vierzehnjähriger Sohn folgten.

Jene 3000 Ducaten. die ihm der Kaiser geschenkt, fernere 30,000 si., die
ihm in der Nacht vor seiner Abreise von Innsbruck Peter Stolz und Engel¬
hard Trägheit aus dem dortigen Zahlamte zugeführt, und andere Gelder, die
ihm Roschmann zurückgelassen, hatte er theils vergraben, theils auf die Alpe
mitgeschleppt. Von dort wollte er zu gelegener Zeit nach Wien, wohin er Jo¬
hann Wild, einen seiner Vertrauten, mit einem Schreiben- an den Kaiser voran¬
gesandt. Wenn man ihn auf die Gefahr, in der er sich befinde, aufmerksam
machte, antwortete er: „Der heilige Antoni wird die Franzosen nicht heraus¬
lassen." Viele Leute in Passeier wußten um seinen Aufenthalt; die Dienst¬
boten in der Nähe, von denen er dies vermuthete, wollte er durch kleine Ge¬
schenke zum Schweigen bringen. Auch seinen nachherigen Verräther, Franz
Raffel, der ihn wenige Tage vor seiner Gefangennehmung besuchte, glaubte er
sich durch zwei Thaler gewonnen zu haben. Dreimal wies General Huard den
Angeber zurück, erst als er mit einem Beglaubigungsschreiben des Landrichters
Auer wiederkehrte, gab er ihm ein paar hundert Franzosen mit, die, von ihm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/75>, abgerufen am 21.10.2024.