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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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geführt, am 28. Januar 1810 um 4 Uhr Morgens bei der Hütte anlangten,
worin sich Hofer verborgen hielt. Als Schweth, den das Geräusch aufgeschreckt,
ihn aus dem Schlafe weckte und die Franzosen eindrangen, kniete er nieder,
worauf sie ihm unter Schlägen die Hände auf den Rücken banden. Seiner
Frau rissen sie die Ringe von den Fingern und bemächtigten sich des aufge¬
fundenen Geldes, das in mehren tausend Gulden, meist östreichischen Banco-
zetteln, bestand. Man führte ihn zuerst nach Meran und dann nach Bozen,
wo seine Frau und sein Sohn aus der Haft entlassen wurden. Die Theil¬
nahme für ihn war durch sein eigensinniges und thörichtes Verweilen in einem
so unsichern Versteck sehr geschwächt, da er sich doch leicht, wie andere seiner
Genossen, durch die Flucht hätte retten können. Selbst die Franzosen legten
am Ende kein großes Gewicht mehr auf seine Einsaugung, weil er ihnen, wie
sich Huard äußerte, nichts mehr hätte schaden können, nur auf eine von der
Obrigkeit beglaubigte Anzeige hatte man ihn nicht wohl ignoriren können.
Dem Verräther Raffel spieen sie ins Gesicht, einer ihrer Offiziere gab ihm eine
Ohrfeige, und er soll nicht einmal seinen Judaslohn erhalten haben.

In dem ersten zu Meran mit Hofer aufgenommenen Protokolle entschul¬
digte dieser den von ihm nach dem Friedensabschluß angestifteten Aufruhr mit
dem Zwang, der ihm von seinen Landsleuten angethan worden. Ein Theil
seiner Richter, die am 19. Februar 1810 zu Mantua über ihn das Urtheil
sprachen, scheinen darauf auch Rücksicht genommen zu haben, und mit Recht, da
ihm überhaupt die geistige Kraft fehlte, sich über äußere Einflüsse und innere
Vorurtheile zu erheben. Der nur durch Mehrheit der Stimmen gefällte Spruch
lautete auf Tod und mußte in Folge eines aus Mailand angelangten Tele¬
gramms binnen 24 Stunden vollzogen werden. In dem noch im innsbrucker
Museum vorhandenen, am Tage vor seinem Tode an seinen Freund Pühler
gerichteten Schreiben ordnete er die für ihn in den Pfarren zu Se. Leonhard
und Se. Martin abzuhaltenden "Seelenämter" und das Leichenmahl an, und
endete mit den Worten: "Ade mein schnöde Welt, so leicht tombe mir das
Sterben, daß mir nit die Augen naß werden. Um 9 Uhr Reiß ich mit der
Hilf aller Heiligen zu Gott."

Nachdem er durch den Probst von Se. Barbara, Johann Manifesti, die
Sacramente empfangen, wurde er am 20. Februar 11 Uhr Vormittags von
einem Grcnadierbataillon zum Tode geführt. 12 Mann waren zur Execution
beordert. Er lehnte es ab, sich die Augen verbinden zu lassen, stehend mit fester
Stimme commandirte er: "Feuer!" Da er nach zweimaligem Schießen noch
nicht völlig todt war, trat der Corpora! an ihn heran, hielt ihm das Rohr
seines Gewehrs vor die Stirn und schoß ihn durch den Kopf. Die Grena¬
diere legten seine Leiche aus, eine Bahre, bedeckten sie mit einem weißen Tuche,
und trugen sie in die Pfarre Se. Michael, wo eine Todtenmesse für ihn ge-


geführt, am 28. Januar 1810 um 4 Uhr Morgens bei der Hütte anlangten,
worin sich Hofer verborgen hielt. Als Schweth, den das Geräusch aufgeschreckt,
ihn aus dem Schlafe weckte und die Franzosen eindrangen, kniete er nieder,
worauf sie ihm unter Schlägen die Hände auf den Rücken banden. Seiner
Frau rissen sie die Ringe von den Fingern und bemächtigten sich des aufge¬
fundenen Geldes, das in mehren tausend Gulden, meist östreichischen Banco-
zetteln, bestand. Man führte ihn zuerst nach Meran und dann nach Bozen,
wo seine Frau und sein Sohn aus der Haft entlassen wurden. Die Theil¬
nahme für ihn war durch sein eigensinniges und thörichtes Verweilen in einem
so unsichern Versteck sehr geschwächt, da er sich doch leicht, wie andere seiner
Genossen, durch die Flucht hätte retten können. Selbst die Franzosen legten
am Ende kein großes Gewicht mehr auf seine Einsaugung, weil er ihnen, wie
sich Huard äußerte, nichts mehr hätte schaden können, nur auf eine von der
Obrigkeit beglaubigte Anzeige hatte man ihn nicht wohl ignoriren können.
Dem Verräther Raffel spieen sie ins Gesicht, einer ihrer Offiziere gab ihm eine
Ohrfeige, und er soll nicht einmal seinen Judaslohn erhalten haben.

In dem ersten zu Meran mit Hofer aufgenommenen Protokolle entschul¬
digte dieser den von ihm nach dem Friedensabschluß angestifteten Aufruhr mit
dem Zwang, der ihm von seinen Landsleuten angethan worden. Ein Theil
seiner Richter, die am 19. Februar 1810 zu Mantua über ihn das Urtheil
sprachen, scheinen darauf auch Rücksicht genommen zu haben, und mit Recht, da
ihm überhaupt die geistige Kraft fehlte, sich über äußere Einflüsse und innere
Vorurtheile zu erheben. Der nur durch Mehrheit der Stimmen gefällte Spruch
lautete auf Tod und mußte in Folge eines aus Mailand angelangten Tele¬
gramms binnen 24 Stunden vollzogen werden. In dem noch im innsbrucker
Museum vorhandenen, am Tage vor seinem Tode an seinen Freund Pühler
gerichteten Schreiben ordnete er die für ihn in den Pfarren zu Se. Leonhard
und Se. Martin abzuhaltenden „Seelenämter" und das Leichenmahl an, und
endete mit den Worten: „Ade mein schnöde Welt, so leicht tombe mir das
Sterben, daß mir nit die Augen naß werden. Um 9 Uhr Reiß ich mit der
Hilf aller Heiligen zu Gott."

Nachdem er durch den Probst von Se. Barbara, Johann Manifesti, die
Sacramente empfangen, wurde er am 20. Februar 11 Uhr Vormittags von
einem Grcnadierbataillon zum Tode geführt. 12 Mann waren zur Execution
beordert. Er lehnte es ab, sich die Augen verbinden zu lassen, stehend mit fester
Stimme commandirte er: „Feuer!" Da er nach zweimaligem Schießen noch
nicht völlig todt war, trat der Corpora! an ihn heran, hielt ihm das Rohr
seines Gewehrs vor die Stirn und schoß ihn durch den Kopf. Die Grena¬
diere legten seine Leiche aus, eine Bahre, bedeckten sie mit einem weißen Tuche,
und trugen sie in die Pfarre Se. Michael, wo eine Todtenmesse für ihn ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/76>, abgerufen am 28.09.2024.