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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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während die Passeirer am 16. beim Kiechelberg die Franzosen vertrieben, seine
Schlachtberichte. Nur mit einer Abtheilung von ungefähr 1000 Mann, die über
den Jansen eingedrungen und bei Se. Leonhard umzingelt wurde, schloß er
die Capitulation selbst ab. Zugleich mit ihnen wurde auch ein Tagelöhner aus
Sterzing gefangen, den der dortige Landrichter der Truppe als Wegweiser bei¬
gegeben. Diesen erklärte Hofer als Landesverräther, warf ihn, als er sich ent¬
schuldigen wollte, zu Boden und über die Treppe hinab, und ließ ihn Tags
nachher erschießen. Ein gleiches Schicksal drohte dem Priester Donci und
Schützenmajor sicherer, die, an verschiedenen Orten gefangen, vor Hofer ge¬
bracht wurden. Beiden hatte er schon angekündigt, "für ihre Lügen warmes
Blei zu geben", als sie von dem am 23. November aus Sterzing über das
Gebirge mit 3000 Mann nachgerückten General Barbou befreit und entlassen
wurden. In Passeier hatte sich das Sturmvolk gleich nach der Gefangenneh-
mung der ersten Colonne zerstreut, am 20. und 23. November vertrieb es Nnsca
aus den Gebirgen um Bozen und Meran, der Aufstand durste in diesen Ge¬
genden als völlig besiegt gelten. Am längsten nährte er sich im Pusterthal,
wo der lügenhafte Koko bis zum 10. December nutzlos Menschenleben opferte.

Nur Hofer wollte sich noch immer nicht zur Ruhe begeben. Baraguay
d'Hilliers, der am 8. December in Bozen eintraf und dort das Commando
über die Truppen im südlichen Tirol führte, hatte die Einlieferung der Waffen
angeordnet, und diesen Befehl auch "ach Passeier mit der Aufforderung an den
dortigen Klerus gesandt, vor ihm in Meran zu erscheinen. Auf die Vorstellun¬
gen eines Abgeordneten, des Benedictiners P. Magnus Prieth erließ er zwar
den Geistlichen das Erscheinen, bestand aber um so nachdrücklicher auf der Ein¬
sendung der Gewehre. Der Benedictiner begab sich gleich nach seiner Rückkehr
mit dem Pfarrer von Se. Leonhard und dem Beichtvater Hofers zu letzteren,
den sie mit Abbetung des Rosenkranzes beschäftigt fanden. Ohne auf sie zu
achten, fuhr Hofer in seinem Gebete eifrig fort, und ließ sich auch nach dessen
Vollendung nicht irre machen, noch mehre Vaterunser zu Ehren verschiedener
heiliger Kriegshelden zu sprechen. Endlich stand er auf, und als ihm der
Pfarrer eröffnete, daß es sich um die Abgabe der Waffen handle, wandte er
sich gegen den Mönch, überhäufte ihn mit einer Fluth von Vorwürfen und
schalt ihn einen Verräther an Gott, Religion, Land und Leuten. Die Geist¬
lichen hörten dies eine Weile mit Geduld an, als aber Hofer auf den Gekreu¬
zigten deutete und sie frug, ob sie wohl wüßten, was dieser von ihnen fordere,
wies ihn der Benedictiner mit der Bemerkung zurecht, daß er sich über seine
Pflichten nicht von einem Pfcrdctreiber belehren lasse. Er vergleiche sich zwar
und Simson, Josua und andern Helden der Bibel, aber niemand erkenne ihn
dafür. Wer ihm noch anhange, seien Ausreißer und Flüchtlinge, vergantete
Bauern und Trinkgesellen, dumme Pfaffen und der verjagte Kassenbeamte Kolb.


während die Passeirer am 16. beim Kiechelberg die Franzosen vertrieben, seine
Schlachtberichte. Nur mit einer Abtheilung von ungefähr 1000 Mann, die über
den Jansen eingedrungen und bei Se. Leonhard umzingelt wurde, schloß er
die Capitulation selbst ab. Zugleich mit ihnen wurde auch ein Tagelöhner aus
Sterzing gefangen, den der dortige Landrichter der Truppe als Wegweiser bei¬
gegeben. Diesen erklärte Hofer als Landesverräther, warf ihn, als er sich ent¬
schuldigen wollte, zu Boden und über die Treppe hinab, und ließ ihn Tags
nachher erschießen. Ein gleiches Schicksal drohte dem Priester Donci und
Schützenmajor sicherer, die, an verschiedenen Orten gefangen, vor Hofer ge¬
bracht wurden. Beiden hatte er schon angekündigt, „für ihre Lügen warmes
Blei zu geben", als sie von dem am 23. November aus Sterzing über das
Gebirge mit 3000 Mann nachgerückten General Barbou befreit und entlassen
wurden. In Passeier hatte sich das Sturmvolk gleich nach der Gefangenneh-
mung der ersten Colonne zerstreut, am 20. und 23. November vertrieb es Nnsca
aus den Gebirgen um Bozen und Meran, der Aufstand durste in diesen Ge¬
genden als völlig besiegt gelten. Am längsten nährte er sich im Pusterthal,
wo der lügenhafte Koko bis zum 10. December nutzlos Menschenleben opferte.

Nur Hofer wollte sich noch immer nicht zur Ruhe begeben. Baraguay
d'Hilliers, der am 8. December in Bozen eintraf und dort das Commando
über die Truppen im südlichen Tirol führte, hatte die Einlieferung der Waffen
angeordnet, und diesen Befehl auch »ach Passeier mit der Aufforderung an den
dortigen Klerus gesandt, vor ihm in Meran zu erscheinen. Auf die Vorstellun¬
gen eines Abgeordneten, des Benedictiners P. Magnus Prieth erließ er zwar
den Geistlichen das Erscheinen, bestand aber um so nachdrücklicher auf der Ein¬
sendung der Gewehre. Der Benedictiner begab sich gleich nach seiner Rückkehr
mit dem Pfarrer von Se. Leonhard und dem Beichtvater Hofers zu letzteren,
den sie mit Abbetung des Rosenkranzes beschäftigt fanden. Ohne auf sie zu
achten, fuhr Hofer in seinem Gebete eifrig fort, und ließ sich auch nach dessen
Vollendung nicht irre machen, noch mehre Vaterunser zu Ehren verschiedener
heiliger Kriegshelden zu sprechen. Endlich stand er auf, und als ihm der
Pfarrer eröffnete, daß es sich um die Abgabe der Waffen handle, wandte er
sich gegen den Mönch, überhäufte ihn mit einer Fluth von Vorwürfen und
schalt ihn einen Verräther an Gott, Religion, Land und Leuten. Die Geist¬
lichen hörten dies eine Weile mit Geduld an, als aber Hofer auf den Gekreu¬
zigten deutete und sie frug, ob sie wohl wüßten, was dieser von ihnen fordere,
wies ihn der Benedictiner mit der Bemerkung zurecht, daß er sich über seine
Pflichten nicht von einem Pfcrdctreiber belehren lasse. Er vergleiche sich zwar
und Simson, Josua und andern Helden der Bibel, aber niemand erkenne ihn
dafür. Wer ihm noch anhange, seien Ausreißer und Flüchtlinge, vergantete
Bauern und Trinkgesellen, dumme Pfaffen und der verjagte Kassenbeamte Kolb.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/74>, abgerufen am 28.09.2024.