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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Herzogthümer in Deutschland einzunehmen haben: Die Meisten leben in den
Tag hinein, sie denken, es genüge, wenn wir nur unsern Herzog bekommen,
später werde sich alles Andere wohl von selbst finden. Indeß so verhält sich
die Sache nicht. Wenn die Mittel- und Kleinstaaten Deutschlands die An¬
erkennung des Herzogs hätten durchsetzen können, so wäre die Constituirung
eines Kleinstaats Schleswig-Holstein in der Weise aller übrigen Kleinstaaten
möglich gewesen. Sie besitzen aber nicht die Macht dazu. Gegenwärtig ist die
Anerkennung des Herzogs in Deutschland von den beiden Großmächten abhängig
und vor allem von Preußen. Daher scheint uns der Weg des Particularismus
unmöglich zu sein, und es bleibt nur entweder die Annexion oder der Anschluß
an Preußen übrig. Wenn dieser nicht gelingt, so droht jene. Die Annexions¬
politik gewinnt überall um so viel mehr Anhänger und wird unausbleiblicher,
je weniger man sich entschließt, -aus dem Wege des Anschlusses an Preußen
vorzugehen.

Wir fügen dem hinzu, daß die Zeit des Balancirens zwischen den Parteien
und des vagen Redens von Opfern, die man Deutschland bringen wolle, von
deutscher Gesinnung, die bekanntermaßen jetzt alle Welt haben will, vorbei
und die Zeit der Wahl gekommen ist.

An einer andern Stelle sagt das kieler Blatt: "der innige Anschluß der
Herzogthümer an Preußen ist eine politische Nothwendigkeit." "Wollen wir
uns klar machen, in welcher Form der Anschluß stattzufinden haben wird, so
sind uns durch die thatsächlichen Verhältnisse wie durch die von der nationalen
Partei schon vor Jahren aufgestellten Grundsätze einige wesentliche Anhaltspunkte
gegeben. Der Krieg von 1864 hat wiederum gelehrt, daß Preußen durch einen
beinahe funfzigjährigen Frieden von der rastlosen Schlagfntigkeit, die es in den
Befreiungskriegen bewährt, nichts verloren hat. Diese Schlagfertigkeit zu erhalten
und möglichst zu schärfen hat nicht nur Preußen, sondern ganz Deutschland,
vor allem aber, aus naheliegenden Gründen, Schleswig-Holstein ein besonderes
Interesse.

Und wer wollte läugnen, daß die Herzogthümer die Mittel dazu besitzen.
Schleswig-Holstein hat in den Jahren 18S0 und 1851 unter schwierigen Ver¬
hältnissen eine Armee von mehr als vierzigtausend Mann gegen den Feind
gestellt und unterhalten. Es würde jetzt, wenn ungetheilt, im Nothfalle das¬
selbe vermögen und jedenfalls einen guten Theil dieser Macht stets schlagfertig
erhalten können. Dazu würde aber gehören, daß man sich an die erste deutsche
Militärmacht anlehnte und in geeigneter Weise dafür sorgte, daß die Bundes¬
genossenschaft zwischen dem preußischen und dem künftigen Schleswig-holsteinischen
Heere fester und inniger geknüpft würde, als die Knegsverfassung des deutschen
Bundes es bedingt. Eine Schleswig-holsteinische Armee von der oben angeführten
Kriegsstärke, beseelt von dem kriegerischen Geiste, der das preußische Heer aus-


Herzogthümer in Deutschland einzunehmen haben: Die Meisten leben in den
Tag hinein, sie denken, es genüge, wenn wir nur unsern Herzog bekommen,
später werde sich alles Andere wohl von selbst finden. Indeß so verhält sich
die Sache nicht. Wenn die Mittel- und Kleinstaaten Deutschlands die An¬
erkennung des Herzogs hätten durchsetzen können, so wäre die Constituirung
eines Kleinstaats Schleswig-Holstein in der Weise aller übrigen Kleinstaaten
möglich gewesen. Sie besitzen aber nicht die Macht dazu. Gegenwärtig ist die
Anerkennung des Herzogs in Deutschland von den beiden Großmächten abhängig
und vor allem von Preußen. Daher scheint uns der Weg des Particularismus
unmöglich zu sein, und es bleibt nur entweder die Annexion oder der Anschluß
an Preußen übrig. Wenn dieser nicht gelingt, so droht jene. Die Annexions¬
politik gewinnt überall um so viel mehr Anhänger und wird unausbleiblicher,
je weniger man sich entschließt, -aus dem Wege des Anschlusses an Preußen
vorzugehen.

Wir fügen dem hinzu, daß die Zeit des Balancirens zwischen den Parteien
und des vagen Redens von Opfern, die man Deutschland bringen wolle, von
deutscher Gesinnung, die bekanntermaßen jetzt alle Welt haben will, vorbei
und die Zeit der Wahl gekommen ist.

An einer andern Stelle sagt das kieler Blatt: „der innige Anschluß der
Herzogthümer an Preußen ist eine politische Nothwendigkeit." „Wollen wir
uns klar machen, in welcher Form der Anschluß stattzufinden haben wird, so
sind uns durch die thatsächlichen Verhältnisse wie durch die von der nationalen
Partei schon vor Jahren aufgestellten Grundsätze einige wesentliche Anhaltspunkte
gegeben. Der Krieg von 1864 hat wiederum gelehrt, daß Preußen durch einen
beinahe funfzigjährigen Frieden von der rastlosen Schlagfntigkeit, die es in den
Befreiungskriegen bewährt, nichts verloren hat. Diese Schlagfertigkeit zu erhalten
und möglichst zu schärfen hat nicht nur Preußen, sondern ganz Deutschland,
vor allem aber, aus naheliegenden Gründen, Schleswig-Holstein ein besonderes
Interesse.

Und wer wollte läugnen, daß die Herzogthümer die Mittel dazu besitzen.
Schleswig-Holstein hat in den Jahren 18S0 und 1851 unter schwierigen Ver¬
hältnissen eine Armee von mehr als vierzigtausend Mann gegen den Feind
gestellt und unterhalten. Es würde jetzt, wenn ungetheilt, im Nothfalle das¬
selbe vermögen und jedenfalls einen guten Theil dieser Macht stets schlagfertig
erhalten können. Dazu würde aber gehören, daß man sich an die erste deutsche
Militärmacht anlehnte und in geeigneter Weise dafür sorgte, daß die Bundes¬
genossenschaft zwischen dem preußischen und dem künftigen Schleswig-holsteinischen
Heere fester und inniger geknüpft würde, als die Knegsverfassung des deutschen
Bundes es bedingt. Eine Schleswig-holsteinische Armee von der oben angeführten
Kriegsstärke, beseelt von dem kriegerischen Geiste, der das preußische Heer aus-


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[0068] Herzogthümer in Deutschland einzunehmen haben: Die Meisten leben in den Tag hinein, sie denken, es genüge, wenn wir nur unsern Herzog bekommen, später werde sich alles Andere wohl von selbst finden. Indeß so verhält sich die Sache nicht. Wenn die Mittel- und Kleinstaaten Deutschlands die An¬ erkennung des Herzogs hätten durchsetzen können, so wäre die Constituirung eines Kleinstaats Schleswig-Holstein in der Weise aller übrigen Kleinstaaten möglich gewesen. Sie besitzen aber nicht die Macht dazu. Gegenwärtig ist die Anerkennung des Herzogs in Deutschland von den beiden Großmächten abhängig und vor allem von Preußen. Daher scheint uns der Weg des Particularismus unmöglich zu sein, und es bleibt nur entweder die Annexion oder der Anschluß an Preußen übrig. Wenn dieser nicht gelingt, so droht jene. Die Annexions¬ politik gewinnt überall um so viel mehr Anhänger und wird unausbleiblicher, je weniger man sich entschließt, -aus dem Wege des Anschlusses an Preußen vorzugehen. Wir fügen dem hinzu, daß die Zeit des Balancirens zwischen den Parteien und des vagen Redens von Opfern, die man Deutschland bringen wolle, von deutscher Gesinnung, die bekanntermaßen jetzt alle Welt haben will, vorbei und die Zeit der Wahl gekommen ist. An einer andern Stelle sagt das kieler Blatt: „der innige Anschluß der Herzogthümer an Preußen ist eine politische Nothwendigkeit." „Wollen wir uns klar machen, in welcher Form der Anschluß stattzufinden haben wird, so sind uns durch die thatsächlichen Verhältnisse wie durch die von der nationalen Partei schon vor Jahren aufgestellten Grundsätze einige wesentliche Anhaltspunkte gegeben. Der Krieg von 1864 hat wiederum gelehrt, daß Preußen durch einen beinahe funfzigjährigen Frieden von der rastlosen Schlagfntigkeit, die es in den Befreiungskriegen bewährt, nichts verloren hat. Diese Schlagfertigkeit zu erhalten und möglichst zu schärfen hat nicht nur Preußen, sondern ganz Deutschland, vor allem aber, aus naheliegenden Gründen, Schleswig-Holstein ein besonderes Interesse. Und wer wollte läugnen, daß die Herzogthümer die Mittel dazu besitzen. Schleswig-Holstein hat in den Jahren 18S0 und 1851 unter schwierigen Ver¬ hältnissen eine Armee von mehr als vierzigtausend Mann gegen den Feind gestellt und unterhalten. Es würde jetzt, wenn ungetheilt, im Nothfalle das¬ selbe vermögen und jedenfalls einen guten Theil dieser Macht stets schlagfertig erhalten können. Dazu würde aber gehören, daß man sich an die erste deutsche Militärmacht anlehnte und in geeigneter Weise dafür sorgte, daß die Bundes¬ genossenschaft zwischen dem preußischen und dem künftigen Schleswig-holsteinischen Heere fester und inniger geknüpft würde, als die Knegsverfassung des deutschen Bundes es bedingt. Eine Schleswig-holsteinische Armee von der oben angeführten Kriegsstärke, beseelt von dem kriegerischen Geiste, der das preußische Heer aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/68>, abgerufen am 28.09.2024.