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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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sehr wohl ersichtlich, sich von dem Einfluß dieses Musters möglichst los zu ma¬
chen. Uton (geb. 1817), dem wenigstens von officieller Seite die unbedingt
erste Stelle auf diesem Gebiet eingeräumt ist, ein Schüler von Paul Delaroche,
mag sich an der unbefangenen, nichts als die wirkliche militärische Erscheinung
solcher blutigen Actionen geben wollenden Darstellungsweise Horace Vernets
nicht genügen lassen. Er hat im kaiserlichen Auftrag zwar den Schlachten und
Stürmen des Krimkriegs und des italienischen beigewohnt, hat die Sache an
Ort und Stelle gesehn und studirt, und bemüht sich, den realen Boden, die
Treue im Local und den wirklichen Gang der Handlung fest zu halten. Aber
er will doch auch gern im Sinn der "großen Geschichtsmalerei" componiren und
seine Gemälde solcher gewaltigen Ereignisse über den Charakter der gemalten
"Illustration zur Tagesgeschichte" hinaussehen. Das spricht sich sehr entschie¬
den in seinen ersten drei kolossalen Malakoffbildern: "die Erstürmung", "die
Kehle" und "die Cvurtine des Malaloff" aus. wo das regelrechte Componiren
und Gruppenbilden nur allzu bewußt auftritt. Eine große Befähigung dazu,
die Kühnheit, deren der Schlachtenmaler bedarf, das stürmische Feuer der Be¬
wegung, tüchtige energische Zeichnung und die Kunst, solch ungeheure Tafeln
in einem bestimmt gewählten Grundton harmonisch und wirkungsvoll durch¬
zuführen, diese wichtigen Eigenschaften besitzt er in vollem Maß. Aber neben
ihnen auch eine widerwärtige Brutalität und Rohheit der Auffassung. Das ge¬
meine, deutliche, schlächtermäßige Wesen seiner Handgemenge kann den Betrach¬
ter seiner Bilder Physisch übel machen und veranlassen, das ganze künstlerische
Genre zu verwünschen. Das Publicum aber mit seinem officiell genährten Ge¬
schmack am Blutvergießen klatscht dem gemalten Gladiatorengemetzel Beifall und
hat den Maler nicht minder gefeiert, als es der Kaiser gethan, der ihm 1857
die "?ris<z as in. tour as NsIlrlwK" mit der höchsten künstlerische" Ehre der großen
NcMiUiz ä'Iwmreur- (der für das bedeutendste Werk einer Ausstellung bewillig-
ten. nicht mit den Medaillen erster, zweiter, dritter Classe zu verwechselnden)
lohnte. Es ist eine lange Reihe von Namen, die der französischen Maler, welche
ihr Talent ausschließlich oder hauptsächlich den gleichen Stoffen widmen. Ver-
sailles hat noch immer zahllos erscheinende Säle zu füllen und jeder neue Kampf
und Sieg französischer Waffen macht Bilder davon zu einem geschätzten und be-
gehrten Artikel. Bellangö, Philippotcaux, Janet-Lange. Cvuverchel. Pils, Pro-
tais u. a., manche unter ihnen sich zum Verwechseln ähnlich, schaffen zuweilen
Vorzügliches, zuweilen recht Unbedeutendes. In den beiden letztgenann¬
ten macht sich doch eine ganz besondre künstlerische Originalität geltend. Pils,
der, von ganz abweichenden Aufgaben herkommend, spät erst (er ist 1813 ge¬
boren) sich dem militärischen Genre widmete, hat dem Krimkriege Bilder ent¬
lehnt, mit denen sich in dieser Hinsicht, an intimer Beobachtung des Charak¬
teristischen der Erscheinung und an malerischer Feinheit und Tüchtigkeit keine


sehr wohl ersichtlich, sich von dem Einfluß dieses Musters möglichst los zu ma¬
chen. Uton (geb. 1817), dem wenigstens von officieller Seite die unbedingt
erste Stelle auf diesem Gebiet eingeräumt ist, ein Schüler von Paul Delaroche,
mag sich an der unbefangenen, nichts als die wirkliche militärische Erscheinung
solcher blutigen Actionen geben wollenden Darstellungsweise Horace Vernets
nicht genügen lassen. Er hat im kaiserlichen Auftrag zwar den Schlachten und
Stürmen des Krimkriegs und des italienischen beigewohnt, hat die Sache an
Ort und Stelle gesehn und studirt, und bemüht sich, den realen Boden, die
Treue im Local und den wirklichen Gang der Handlung fest zu halten. Aber
er will doch auch gern im Sinn der „großen Geschichtsmalerei" componiren und
seine Gemälde solcher gewaltigen Ereignisse über den Charakter der gemalten
„Illustration zur Tagesgeschichte" hinaussehen. Das spricht sich sehr entschie¬
den in seinen ersten drei kolossalen Malakoffbildern: „die Erstürmung", „die
Kehle" und „die Cvurtine des Malaloff" aus. wo das regelrechte Componiren
und Gruppenbilden nur allzu bewußt auftritt. Eine große Befähigung dazu,
die Kühnheit, deren der Schlachtenmaler bedarf, das stürmische Feuer der Be¬
wegung, tüchtige energische Zeichnung und die Kunst, solch ungeheure Tafeln
in einem bestimmt gewählten Grundton harmonisch und wirkungsvoll durch¬
zuführen, diese wichtigen Eigenschaften besitzt er in vollem Maß. Aber neben
ihnen auch eine widerwärtige Brutalität und Rohheit der Auffassung. Das ge¬
meine, deutliche, schlächtermäßige Wesen seiner Handgemenge kann den Betrach¬
ter seiner Bilder Physisch übel machen und veranlassen, das ganze künstlerische
Genre zu verwünschen. Das Publicum aber mit seinem officiell genährten Ge¬
schmack am Blutvergießen klatscht dem gemalten Gladiatorengemetzel Beifall und
hat den Maler nicht minder gefeiert, als es der Kaiser gethan, der ihm 1857
die „?ris<z as in. tour as NsIlrlwK" mit der höchsten künstlerische» Ehre der großen
NcMiUiz ä'Iwmreur- (der für das bedeutendste Werk einer Ausstellung bewillig-
ten. nicht mit den Medaillen erster, zweiter, dritter Classe zu verwechselnden)
lohnte. Es ist eine lange Reihe von Namen, die der französischen Maler, welche
ihr Talent ausschließlich oder hauptsächlich den gleichen Stoffen widmen. Ver-
sailles hat noch immer zahllos erscheinende Säle zu füllen und jeder neue Kampf
und Sieg französischer Waffen macht Bilder davon zu einem geschätzten und be-
gehrten Artikel. Bellangö, Philippotcaux, Janet-Lange. Cvuverchel. Pils, Pro-
tais u. a., manche unter ihnen sich zum Verwechseln ähnlich, schaffen zuweilen
Vorzügliches, zuweilen recht Unbedeutendes. In den beiden letztgenann¬
ten macht sich doch eine ganz besondre künstlerische Originalität geltend. Pils,
der, von ganz abweichenden Aufgaben herkommend, spät erst (er ist 1813 ge¬
boren) sich dem militärischen Genre widmete, hat dem Krimkriege Bilder ent¬
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teristischen der Erscheinung und an malerischer Feinheit und Tüchtigkeit keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/471>, abgerufen am 28.09.2024.