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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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großen Krisen stets dadurch wieder ein Stück äußerer Umhüllung abgestreift und
sich auf sein innerstes Wesen besonnen hat, daß es zurückkehrte zu der reinen
Quelle seines Ursprungs, so wird man vielleicht einst auch von unserer Zeit,
welche wie leine andre in diese Ursprünge geistig einzudringen bestrebt ist, sa¬
gen können, daß sie wieder einen Schritt gethan hat zur Verwirklichung des
Ideals Jesu, zur Verwirklichung der Religion des Geistes und der Humanität.




Die französische Malerei unter dem zweiten Kaiserreich.
>' > ' 3.

Neben den "Heiligen" sind es "die Ritter", in deren Verherrlichung die
officielle Malerei des kaiserlichen Frankreich vorzugsweise ihre Aufgabe zu suchen
hat; die Ritter der modernen französischen Kreuzzüge "für eine Idee", sei es
zur Rettung der europäischen Freiheit gegen den "nordischen Koloß", sei es
zur Erlösung Italiens, zur Verpflanzung der Civilisation nach China und
Aram, oder zur Wiedergeburt des "schönen Landes Mexico". Die Malerei
der nationalen kriegerischen Heldenthaten sing in den letzten Zeiten Louis
Philipps bereits an, etwas eintönig zu werden. Der Schauplatz war und
blieb ausschließlich derselbe algierische und die Kämpfe zwischen den französischen
Noihhvsen und den arabischen Weißmänteln deren malerisch interessante Seiten
durch Horace Vernet so glücklich aufgefaßt worden waren und in zahlreichen
umfassenden Darstellungen eine erschöpfende künstlerische Verwerthung gefunden
hatten, konnten kaum noch Stoff zu einer ncuoriginellen bildlichen Behandlung
bieten. Auch waren sie ihrer ganzen Natur und Bedeutung nach nicht dazu
angethan, das Interesse der Nation eigentlich tief und mächtig anzuregen. In
beides brachte der orientalische und der italienische Krieg eine eingreifende Ver¬
änderung. Die geschichtliche Malerei der Franzosen hat nicht versäumt, sich mit
Eiser der neuen in so hohem Sinn Populären Aufgaben zu bemächtigen, und
hätte dazu kaum des großartigen äußern Antriebes bedurft, der ihr durch die
dahin gehenden umfangreichen Regierungsaufträge wurde. Die ganze Gruppe
der Schlachtenmaler steht immer noch unter dem Einfluß Horace Vernets, der
für diese Gattung der Malerei erst die Wege geöffnet hat. Dennoch wird bei
dem Gefeiertsten derselben unter den lebenden Franzosen das eifrige Bestreben


großen Krisen stets dadurch wieder ein Stück äußerer Umhüllung abgestreift und
sich auf sein innerstes Wesen besonnen hat, daß es zurückkehrte zu der reinen
Quelle seines Ursprungs, so wird man vielleicht einst auch von unserer Zeit,
welche wie leine andre in diese Ursprünge geistig einzudringen bestrebt ist, sa¬
gen können, daß sie wieder einen Schritt gethan hat zur Verwirklichung des
Ideals Jesu, zur Verwirklichung der Religion des Geistes und der Humanität.




Die französische Malerei unter dem zweiten Kaiserreich.
>' > ' 3.

Neben den „Heiligen" sind es „die Ritter", in deren Verherrlichung die
officielle Malerei des kaiserlichen Frankreich vorzugsweise ihre Aufgabe zu suchen
hat; die Ritter der modernen französischen Kreuzzüge „für eine Idee", sei es
zur Rettung der europäischen Freiheit gegen den „nordischen Koloß", sei es
zur Erlösung Italiens, zur Verpflanzung der Civilisation nach China und
Aram, oder zur Wiedergeburt des „schönen Landes Mexico". Die Malerei
der nationalen kriegerischen Heldenthaten sing in den letzten Zeiten Louis
Philipps bereits an, etwas eintönig zu werden. Der Schauplatz war und
blieb ausschließlich derselbe algierische und die Kämpfe zwischen den französischen
Noihhvsen und den arabischen Weißmänteln deren malerisch interessante Seiten
durch Horace Vernet so glücklich aufgefaßt worden waren und in zahlreichen
umfassenden Darstellungen eine erschöpfende künstlerische Verwerthung gefunden
hatten, konnten kaum noch Stoff zu einer ncuoriginellen bildlichen Behandlung
bieten. Auch waren sie ihrer ganzen Natur und Bedeutung nach nicht dazu
angethan, das Interesse der Nation eigentlich tief und mächtig anzuregen. In
beides brachte der orientalische und der italienische Krieg eine eingreifende Ver¬
änderung. Die geschichtliche Malerei der Franzosen hat nicht versäumt, sich mit
Eiser der neuen in so hohem Sinn Populären Aufgaben zu bemächtigen, und
hätte dazu kaum des großartigen äußern Antriebes bedurft, der ihr durch die
dahin gehenden umfangreichen Regierungsaufträge wurde. Die ganze Gruppe
der Schlachtenmaler steht immer noch unter dem Einfluß Horace Vernets, der
für diese Gattung der Malerei erst die Wege geöffnet hat. Dennoch wird bei
dem Gefeiertsten derselben unter den lebenden Franzosen das eifrige Bestreben


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[0470] großen Krisen stets dadurch wieder ein Stück äußerer Umhüllung abgestreift und sich auf sein innerstes Wesen besonnen hat, daß es zurückkehrte zu der reinen Quelle seines Ursprungs, so wird man vielleicht einst auch von unserer Zeit, welche wie leine andre in diese Ursprünge geistig einzudringen bestrebt ist, sa¬ gen können, daß sie wieder einen Schritt gethan hat zur Verwirklichung des Ideals Jesu, zur Verwirklichung der Religion des Geistes und der Humanität. Die französische Malerei unter dem zweiten Kaiserreich. >' > ' 3. Neben den „Heiligen" sind es „die Ritter", in deren Verherrlichung die officielle Malerei des kaiserlichen Frankreich vorzugsweise ihre Aufgabe zu suchen hat; die Ritter der modernen französischen Kreuzzüge „für eine Idee", sei es zur Rettung der europäischen Freiheit gegen den „nordischen Koloß", sei es zur Erlösung Italiens, zur Verpflanzung der Civilisation nach China und Aram, oder zur Wiedergeburt des „schönen Landes Mexico". Die Malerei der nationalen kriegerischen Heldenthaten sing in den letzten Zeiten Louis Philipps bereits an, etwas eintönig zu werden. Der Schauplatz war und blieb ausschließlich derselbe algierische und die Kämpfe zwischen den französischen Noihhvsen und den arabischen Weißmänteln deren malerisch interessante Seiten durch Horace Vernet so glücklich aufgefaßt worden waren und in zahlreichen umfassenden Darstellungen eine erschöpfende künstlerische Verwerthung gefunden hatten, konnten kaum noch Stoff zu einer ncuoriginellen bildlichen Behandlung bieten. Auch waren sie ihrer ganzen Natur und Bedeutung nach nicht dazu angethan, das Interesse der Nation eigentlich tief und mächtig anzuregen. In beides brachte der orientalische und der italienische Krieg eine eingreifende Ver¬ änderung. Die geschichtliche Malerei der Franzosen hat nicht versäumt, sich mit Eiser der neuen in so hohem Sinn Populären Aufgaben zu bemächtigen, und hätte dazu kaum des großartigen äußern Antriebes bedurft, der ihr durch die dahin gehenden umfangreichen Regierungsaufträge wurde. Die ganze Gruppe der Schlachtenmaler steht immer noch unter dem Einfluß Horace Vernets, der für diese Gattung der Malerei erst die Wege geöffnet hat. Dennoch wird bei dem Gefeiertsten derselben unter den lebenden Franzosen das eifrige Bestreben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/470>, abgerufen am 28.09.2024.