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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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war. in denen sie sich gebildet hatte. (Glosse Hardenbergs: "Wohl jene" Zei-ten
der verflossene" Jahrhunderte, aber nicht den gegenwärtigen, die so sehr ver¬
schieden sind, nicht den Zeiten des preußischen Königreichs!") Wir hatten eine
Folge von weisen und wohlwollenden Regenten in einer Folge von Jahren des
Glücks und Wohlstandes; wir überließen uns ihrer weisen Führung mit dem
unbeschränktesten vertrauen, und die Formen unsrer Verfassung fanden keine
Gelegenheit hervorzutreten. (Glosse: "Die preußischen Regenten seit mehr als
einem Jahrhundert würden dieses Hervortreten veralteter, nicht mehr passender
Formen auch nicht gestattet haben.") deswegen, weil niemand ihrer zur Er¬
haltung seines Glücks und bürgerlichen Wohlstandes bedürfte, ja sie wären
vielleicht ganz in Vergessenheit gerathen, wenn nicht diese Regenten selbst, mehr
ans eignem wohlwollenden Antriebe, als durch unsre Stimmen vermocht, bei
allen Gelegenheiten sie beachtet hätten, wo Einrichtungen zu treffen waren,
die unsre Gerechtsame berührten/' (Glosse: "Dies ist keineswegs gegründet.
Wenn die Stände bei veuen Gesetzen und Einrichtungen um ihre Meinung be¬
fragt wurden, wo es die Regenten für gut fanden: so geschah dies bei den
wichtigsten Fällen, besonders bei Auflagen, gar nicht. Fragte Friedrich der
Zweite, als er die Regie einführte? Fragten die Könige, seine Vorfahren und
Nachfolger, in so vielen andern Fällen?") "Mir fügten uns also jedesmal mit
Freuden in die Vorschläge der Regierung (Vorschläge und der alte Fritz oder
sein Vater!) und kehlen solchergestalt ruhig unter einer beglückten Vormund¬
schaft."

Dann rechnen die Stände vor, wie sie im letzten Kriege, während ihre
Provinz in den Händen des Feindes und ihre Söhne oder Brüder unter den
Fahnen des Königs (Glosse Hardenbergs: "Bei den Unterschriebnen paßt dies
auf Wenige und steht hier überhaupt am unrechten Orte") in den entferntesten
Provinzen versammelt gewesen, alle Angelegenheiten selbst besorgen gemußt.
Sie rühmen sich, mit Aufopferung ihres Vermögens die Besitzungen des Königs
erhalten zu haben. (Glosse: "Wie? Mit Aufopferung Eures Vermögens? --
Ihr kittet durch den .Krieg und leidet noch durch den Druck der Zeitumstände.
Ihr machtet große Schulden auf die Provinz, aber wo opfertet Ihr Euer Ver¬
mögen? Das. was auf die Ausschreibungen von Euch gezahlt wurde, und
wobei der sogenannte contribuable Stand den Prägravationen nicht entging,
war so beträchtlich nicht. Ganz anders waren die Aufopferungen Preußens
und Schlesiens.") Sie führen a", wie sie das alte Grundgesetz der Kurmark,
die Unveränderlichkeit der Domäne", mit Freuden gelöst hätten, wie man ihnen
aber trotzdem in ihrer Noth nicht zu Hilfe gekommen sei. Sie hegen die Ueber¬
zeugung, daß pecnniäre Opfer jetzt zwar unvermeidlich seien, daß aber nichts
verloren sei, so lange die Gesetze des Landes und die Heiligkeit der Verträge
aufrecht erhalten würden. Der Grund des Uebels, fahren sie fort, liege in


war. in denen sie sich gebildet hatte. (Glosse Hardenbergs: „Wohl jene» Zei-ten
der verflossene» Jahrhunderte, aber nicht den gegenwärtigen, die so sehr ver¬
schieden sind, nicht den Zeiten des preußischen Königreichs!") Wir hatten eine
Folge von weisen und wohlwollenden Regenten in einer Folge von Jahren des
Glücks und Wohlstandes; wir überließen uns ihrer weisen Führung mit dem
unbeschränktesten vertrauen, und die Formen unsrer Verfassung fanden keine
Gelegenheit hervorzutreten. (Glosse: „Die preußischen Regenten seit mehr als
einem Jahrhundert würden dieses Hervortreten veralteter, nicht mehr passender
Formen auch nicht gestattet haben.") deswegen, weil niemand ihrer zur Er¬
haltung seines Glücks und bürgerlichen Wohlstandes bedürfte, ja sie wären
vielleicht ganz in Vergessenheit gerathen, wenn nicht diese Regenten selbst, mehr
ans eignem wohlwollenden Antriebe, als durch unsre Stimmen vermocht, bei
allen Gelegenheiten sie beachtet hätten, wo Einrichtungen zu treffen waren,
die unsre Gerechtsame berührten/' (Glosse: „Dies ist keineswegs gegründet.
Wenn die Stände bei veuen Gesetzen und Einrichtungen um ihre Meinung be¬
fragt wurden, wo es die Regenten für gut fanden: so geschah dies bei den
wichtigsten Fällen, besonders bei Auflagen, gar nicht. Fragte Friedrich der
Zweite, als er die Regie einführte? Fragten die Könige, seine Vorfahren und
Nachfolger, in so vielen andern Fällen?") „Mir fügten uns also jedesmal mit
Freuden in die Vorschläge der Regierung (Vorschläge und der alte Fritz oder
sein Vater!) und kehlen solchergestalt ruhig unter einer beglückten Vormund¬
schaft."

Dann rechnen die Stände vor, wie sie im letzten Kriege, während ihre
Provinz in den Händen des Feindes und ihre Söhne oder Brüder unter den
Fahnen des Königs (Glosse Hardenbergs: „Bei den Unterschriebnen paßt dies
auf Wenige und steht hier überhaupt am unrechten Orte") in den entferntesten
Provinzen versammelt gewesen, alle Angelegenheiten selbst besorgen gemußt.
Sie rühmen sich, mit Aufopferung ihres Vermögens die Besitzungen des Königs
erhalten zu haben. (Glosse: „Wie? Mit Aufopferung Eures Vermögens? —
Ihr kittet durch den .Krieg und leidet noch durch den Druck der Zeitumstände.
Ihr machtet große Schulden auf die Provinz, aber wo opfertet Ihr Euer Ver¬
mögen? Das. was auf die Ausschreibungen von Euch gezahlt wurde, und
wobei der sogenannte contribuable Stand den Prägravationen nicht entging,
war so beträchtlich nicht. Ganz anders waren die Aufopferungen Preußens
und Schlesiens.") Sie führen a», wie sie das alte Grundgesetz der Kurmark,
die Unveränderlichkeit der Domäne», mit Freuden gelöst hätten, wie man ihnen
aber trotzdem in ihrer Noth nicht zu Hilfe gekommen sei. Sie hegen die Ueber¬
zeugung, daß pecnniäre Opfer jetzt zwar unvermeidlich seien, daß aber nichts
verloren sei, so lange die Gesetze des Landes und die Heiligkeit der Verträge
aufrecht erhalten würden. Der Grund des Uebels, fahren sie fort, liege in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/416>, abgerufen am 28.09.2024.