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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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der Annahme fremder Gesetze und Gebräuche. (Glosse: "Der wahre Grund
des Uebels soll also darin liegen, daß man nicht alten Vorurtheilen und Exemp-
tionen einer geringen Anzahl von Staatsbürgern huldigt/') Sie hatten sich
schon glücklich gepriesen, daß die fremden Grundsätze im preußischen Staat
keinen Eingang gefunden, (Glosse: "Nicht fremde Grundsätze haben bei uns
.Eingang gefunden, sondern bessere, billigere, wodurch das Wohl aller Staats¬
bürger, nicht blos eine Kaste bezweckt wird.") und meinen nun, wenn man
nur beim Alten bleibe, würde sich der Verlust an Macht leicht ersetzen.

Die herrschende Geldnoth schreiben sie zwar ihrer eignen Unkenntniß der
öffentlichen Geschäfte zu, (Glosse: "Und doch wollt Ihr Mitregenten Eures
Königs sein!") machen aber doch die Landesbehörden dafür verantwortlich, da
diese sie in den schwierigsten Augenblicken sich selbst überlassen hätten. Ferner
will es ihnen scheinen, als ob der vielfach zu Tage getretene Mangel an Pa¬
triotismus nur davon herrühre, daß der Staat sich seinen Bürgern nicht genug
offenbare. (Glosse: "Wann offenbarte sich der Staat seinen Bürgern am mehr-
sten? Etwa in den Zeiten, die Ihr preiset, oder jetzt? Wo dieses noch nicht
vollständig geschieht, stehen politische Hindernisse entgegen. Wer sind aber die
Bürger des Staates? Doch nicht blos die Rittergutsbesitzer?")

In Bezug auf die Edicte vom 27. und 28. October sagen sie, daß ihre
bisherige Meinung, es solle bei den nothwendigen Verbesserungen auf gesetz¬
mäßigem Wege vorgegangen, das heißt, die Zustimmung der Landstände ein¬
geholt werden, dadurch zu einem bloßen Traume geworden sei. (Glosse: "Diese
unehrerbietige Aeußerung über Verordnungen Sr. Maj. des Königs verdient
die schärfste Rüge.") Durch diese Edicte würden Land und Städte ihrer bis¬
herigen einzig gesetzlichen Repräsentation beraubt, der brandenburgisch-preußische
Staat aufgelöst und alle Exemptionen und Freiheiten (Glosse: "Darin liegt es,
daß Exemptionen und Freiheiten wegfallen sollen! Hier werde der oben ge¬
rühmte Patriotismus, hier die gepriesene Selbstverleugnung nur angewendet!
-- Uebrigens sollen die Veränderungen in der Gesetzgebung und Steuerverfassung
gerade der Revolutionirung zuvorkommen, die durch Fortsetzung des Drucks der
Menge und der Befriedigung einiger Begünstigten entstehen möchte.") nicht etwa
geschenkte, sondern ursprünglich vertragsmäßige und durch königliches Wort ge¬
heiligte, mit einem Federzug vernichtet und eben dadurch jene fremden Grund¬
sätze auch in diesem Lande "zu dessen Revolutionirung eingeführt worden seien."
Habe man einmal gegen die Gesetze gehandelt, so werde es in Zukunft öfter
geschehen. Man werde sich auf das Frühere berufen und "einen jeden Ein¬
griff in das Eigenthum der Unterthanen dadurch sancti'oniren wollen, bis end¬
lich auch dem Volke die Scheu vor den Gesetzen entweichen und es Gewalt
ausüben wird, sobald es dieselbe erlangt haben wird." (Glosse: "In Ober¬
schlesien haben wir vor Kurzem erlebt, daß das Volk Gewalt wegen des guts-


Grenzbotcn III. 18K4. 62

der Annahme fremder Gesetze und Gebräuche. (Glosse: „Der wahre Grund
des Uebels soll also darin liegen, daß man nicht alten Vorurtheilen und Exemp-
tionen einer geringen Anzahl von Staatsbürgern huldigt/') Sie hatten sich
schon glücklich gepriesen, daß die fremden Grundsätze im preußischen Staat
keinen Eingang gefunden, (Glosse: „Nicht fremde Grundsätze haben bei uns
.Eingang gefunden, sondern bessere, billigere, wodurch das Wohl aller Staats¬
bürger, nicht blos eine Kaste bezweckt wird.") und meinen nun, wenn man
nur beim Alten bleibe, würde sich der Verlust an Macht leicht ersetzen.

Die herrschende Geldnoth schreiben sie zwar ihrer eignen Unkenntniß der
öffentlichen Geschäfte zu, (Glosse: „Und doch wollt Ihr Mitregenten Eures
Königs sein!") machen aber doch die Landesbehörden dafür verantwortlich, da
diese sie in den schwierigsten Augenblicken sich selbst überlassen hätten. Ferner
will es ihnen scheinen, als ob der vielfach zu Tage getretene Mangel an Pa¬
triotismus nur davon herrühre, daß der Staat sich seinen Bürgern nicht genug
offenbare. (Glosse: „Wann offenbarte sich der Staat seinen Bürgern am mehr-
sten? Etwa in den Zeiten, die Ihr preiset, oder jetzt? Wo dieses noch nicht
vollständig geschieht, stehen politische Hindernisse entgegen. Wer sind aber die
Bürger des Staates? Doch nicht blos die Rittergutsbesitzer?")

In Bezug auf die Edicte vom 27. und 28. October sagen sie, daß ihre
bisherige Meinung, es solle bei den nothwendigen Verbesserungen auf gesetz¬
mäßigem Wege vorgegangen, das heißt, die Zustimmung der Landstände ein¬
geholt werden, dadurch zu einem bloßen Traume geworden sei. (Glosse: „Diese
unehrerbietige Aeußerung über Verordnungen Sr. Maj. des Königs verdient
die schärfste Rüge.") Durch diese Edicte würden Land und Städte ihrer bis¬
herigen einzig gesetzlichen Repräsentation beraubt, der brandenburgisch-preußische
Staat aufgelöst und alle Exemptionen und Freiheiten (Glosse: „Darin liegt es,
daß Exemptionen und Freiheiten wegfallen sollen! Hier werde der oben ge¬
rühmte Patriotismus, hier die gepriesene Selbstverleugnung nur angewendet!
— Uebrigens sollen die Veränderungen in der Gesetzgebung und Steuerverfassung
gerade der Revolutionirung zuvorkommen, die durch Fortsetzung des Drucks der
Menge und der Befriedigung einiger Begünstigten entstehen möchte.") nicht etwa
geschenkte, sondern ursprünglich vertragsmäßige und durch königliches Wort ge¬
heiligte, mit einem Federzug vernichtet und eben dadurch jene fremden Grund¬
sätze auch in diesem Lande „zu dessen Revolutionirung eingeführt worden seien."
Habe man einmal gegen die Gesetze gehandelt, so werde es in Zukunft öfter
geschehen. Man werde sich auf das Frühere berufen und „einen jeden Ein¬
griff in das Eigenthum der Unterthanen dadurch sancti'oniren wollen, bis end¬
lich auch dem Volke die Scheu vor den Gesetzen entweichen und es Gewalt
ausüben wird, sobald es dieselbe erlangt haben wird." (Glosse: „In Ober¬
schlesien haben wir vor Kurzem erlebt, daß das Volk Gewalt wegen des guts-


Grenzbotcn III. 18K4. 62
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[0417] der Annahme fremder Gesetze und Gebräuche. (Glosse: „Der wahre Grund des Uebels soll also darin liegen, daß man nicht alten Vorurtheilen und Exemp- tionen einer geringen Anzahl von Staatsbürgern huldigt/') Sie hatten sich schon glücklich gepriesen, daß die fremden Grundsätze im preußischen Staat keinen Eingang gefunden, (Glosse: „Nicht fremde Grundsätze haben bei uns .Eingang gefunden, sondern bessere, billigere, wodurch das Wohl aller Staats¬ bürger, nicht blos eine Kaste bezweckt wird.") und meinen nun, wenn man nur beim Alten bleibe, würde sich der Verlust an Macht leicht ersetzen. Die herrschende Geldnoth schreiben sie zwar ihrer eignen Unkenntniß der öffentlichen Geschäfte zu, (Glosse: „Und doch wollt Ihr Mitregenten Eures Königs sein!") machen aber doch die Landesbehörden dafür verantwortlich, da diese sie in den schwierigsten Augenblicken sich selbst überlassen hätten. Ferner will es ihnen scheinen, als ob der vielfach zu Tage getretene Mangel an Pa¬ triotismus nur davon herrühre, daß der Staat sich seinen Bürgern nicht genug offenbare. (Glosse: „Wann offenbarte sich der Staat seinen Bürgern am mehr- sten? Etwa in den Zeiten, die Ihr preiset, oder jetzt? Wo dieses noch nicht vollständig geschieht, stehen politische Hindernisse entgegen. Wer sind aber die Bürger des Staates? Doch nicht blos die Rittergutsbesitzer?") In Bezug auf die Edicte vom 27. und 28. October sagen sie, daß ihre bisherige Meinung, es solle bei den nothwendigen Verbesserungen auf gesetz¬ mäßigem Wege vorgegangen, das heißt, die Zustimmung der Landstände ein¬ geholt werden, dadurch zu einem bloßen Traume geworden sei. (Glosse: „Diese unehrerbietige Aeußerung über Verordnungen Sr. Maj. des Königs verdient die schärfste Rüge.") Durch diese Edicte würden Land und Städte ihrer bis¬ herigen einzig gesetzlichen Repräsentation beraubt, der brandenburgisch-preußische Staat aufgelöst und alle Exemptionen und Freiheiten (Glosse: „Darin liegt es, daß Exemptionen und Freiheiten wegfallen sollen! Hier werde der oben ge¬ rühmte Patriotismus, hier die gepriesene Selbstverleugnung nur angewendet! — Uebrigens sollen die Veränderungen in der Gesetzgebung und Steuerverfassung gerade der Revolutionirung zuvorkommen, die durch Fortsetzung des Drucks der Menge und der Befriedigung einiger Begünstigten entstehen möchte.") nicht etwa geschenkte, sondern ursprünglich vertragsmäßige und durch königliches Wort ge¬ heiligte, mit einem Federzug vernichtet und eben dadurch jene fremden Grund¬ sätze auch in diesem Lande „zu dessen Revolutionirung eingeführt worden seien." Habe man einmal gegen die Gesetze gehandelt, so werde es in Zukunft öfter geschehen. Man werde sich auf das Frühere berufen und „einen jeden Ein¬ griff in das Eigenthum der Unterthanen dadurch sancti'oniren wollen, bis end¬ lich auch dem Volke die Scheu vor den Gesetzen entweichen und es Gewalt ausüben wird, sobald es dieselbe erlangt haben wird." (Glosse: „In Ober¬ schlesien haben wir vor Kurzem erlebt, daß das Volk Gewalt wegen des guts- Grenzbotcn III. 18K4. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/417>, abgerufen am 28.09.2024.