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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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von Sumci, meinem verstorbenen Gemahl, und das ist nicht angenehm." Speke
erwiderte, böse Träume und Schlaflosigkeit seien die gewöhnliche Klage der
Wittwen; sie könnte nur durch Wiederverheirathung geheilt werden, indeß wolle
er ihre Zunge und ihren Puls einmal untersuchen. Die anwesenden Hofleute
riefen, dies könne nicht ohne Erlaubniß des Königs geschehen. Nyamasore
aber sprang zornig auf, schrie, sie werde sich von einem solchen bloßen Bürsch-
chen nicht erst Rath holen, und stellte sich sofort zur Untersuchung, worauf sie
von Speke zwei Pillen empfing und den Rath erhielt, bis auf Weiteres nicht
soviel Pombe zu trinken und weniger zu essen als gewöhnlich.

Nach dem Curircn nahm sie die Geschenke in Empfang, die sie in förm¬
liche Ekstase versetzten, und die sie sofort mit einem schön gearbeiteten Pombe-
saugrohr. Ringen von Giraffcnhaar, einer Kuh, getrockneten Fischen und meh¬
ren Krügen Pombe erwiderte. Dann ließ sie sich Spekcs Zeichenbuch zeigen,
welches sie und die Zauberweiber sehr ergötzte, betrachtete Spekes Ringe und
seine Uhr, die sie Lubciri, d. h. Gottheit oder Dämon oder magisches Ding
nannte, und äußerte schließlich beim Abschied den Wunsch, den interessanten Be¬
such recht bald wiederzusehen, sie habe ihn sehr gern, ganz außerordentlich gern,
gar nicht zu sagen, wie sehr.

Speke kam denn auch bald wieder, machte fernere Geschenke und stieg da¬
durch in der Gunst der dicken Dame immer höher. Man war äußerst lustig
bei solchen Zusammenkünften, und es wurde dabei gewaltig getrunken. Die
Königin sang, durch den Geist des Pombe und durch das Geschenk einer Schar¬
lachdecke in das höchste Entzücken versetzt, ihre Räthe und Hofleute sielen im
Chor ein. Man trank wieder, zuletzt aus großen Trögen, wobei die Königin
mit gutem Beispiel voranging, man sang von Neuem. Trommler lärmten,
ein Hofnarr machte mit grober heiserer Stimme seine Späße. Plötzlich spran¬
gen der Premierminister und sämmtliche Hofleute auf, ergriffen ihre Stäbe,
schwuren, die Königin sei in den Weißen Mann verliebt, liefen hinaus, kamen
wieder, zielten nach der Königin wie mit Speeren und thaten, als ob sie die¬
selbe wegen ihrer Lie^be zu Speke ums Leben bringen wollten, in Wirklichkeit
aber wollten sie damit nur ihre Ergebenheit bezeugen. Nyamasore stellte sich,
als ob ihr dies gleichgiltig sei, ihre Züge aber verriethen, daß es ihr wohl¬
that. Auch war sie wirklich in den Fremden verliebt, und dieser ließ ihr mer¬
ken, daß auch er stark für sie empfände. Wenn er auch mit seinem Körper
Von ihr wegginge, äußerte er beim Abschied, so würde doch sein Herz bei ihr
bleiben.

Diese Intimität mußte beim König natürlich Eifersucht erwecken. Speke
hatte sie indeß nur gesucht, um Mtesa weniger ceremoniös zu machen und ihn
namentlich dahin zu bringen, ihm eine Hütte in seiner unmittelbaren Nähe ein¬
zuräumen. Mehrmals schlug er Einladungen des Königs aus, wogegen er


Grenzboten III. 18V4. 48

von Sumci, meinem verstorbenen Gemahl, und das ist nicht angenehm." Speke
erwiderte, böse Träume und Schlaflosigkeit seien die gewöhnliche Klage der
Wittwen; sie könnte nur durch Wiederverheirathung geheilt werden, indeß wolle
er ihre Zunge und ihren Puls einmal untersuchen. Die anwesenden Hofleute
riefen, dies könne nicht ohne Erlaubniß des Königs geschehen. Nyamasore
aber sprang zornig auf, schrie, sie werde sich von einem solchen bloßen Bürsch-
chen nicht erst Rath holen, und stellte sich sofort zur Untersuchung, worauf sie
von Speke zwei Pillen empfing und den Rath erhielt, bis auf Weiteres nicht
soviel Pombe zu trinken und weniger zu essen als gewöhnlich.

Nach dem Curircn nahm sie die Geschenke in Empfang, die sie in förm¬
liche Ekstase versetzten, und die sie sofort mit einem schön gearbeiteten Pombe-
saugrohr. Ringen von Giraffcnhaar, einer Kuh, getrockneten Fischen und meh¬
ren Krügen Pombe erwiderte. Dann ließ sie sich Spekcs Zeichenbuch zeigen,
welches sie und die Zauberweiber sehr ergötzte, betrachtete Spekes Ringe und
seine Uhr, die sie Lubciri, d. h. Gottheit oder Dämon oder magisches Ding
nannte, und äußerte schließlich beim Abschied den Wunsch, den interessanten Be¬
such recht bald wiederzusehen, sie habe ihn sehr gern, ganz außerordentlich gern,
gar nicht zu sagen, wie sehr.

Speke kam denn auch bald wieder, machte fernere Geschenke und stieg da¬
durch in der Gunst der dicken Dame immer höher. Man war äußerst lustig
bei solchen Zusammenkünften, und es wurde dabei gewaltig getrunken. Die
Königin sang, durch den Geist des Pombe und durch das Geschenk einer Schar¬
lachdecke in das höchste Entzücken versetzt, ihre Räthe und Hofleute sielen im
Chor ein. Man trank wieder, zuletzt aus großen Trögen, wobei die Königin
mit gutem Beispiel voranging, man sang von Neuem. Trommler lärmten,
ein Hofnarr machte mit grober heiserer Stimme seine Späße. Plötzlich spran¬
gen der Premierminister und sämmtliche Hofleute auf, ergriffen ihre Stäbe,
schwuren, die Königin sei in den Weißen Mann verliebt, liefen hinaus, kamen
wieder, zielten nach der Königin wie mit Speeren und thaten, als ob sie die¬
selbe wegen ihrer Lie^be zu Speke ums Leben bringen wollten, in Wirklichkeit
aber wollten sie damit nur ihre Ergebenheit bezeugen. Nyamasore stellte sich,
als ob ihr dies gleichgiltig sei, ihre Züge aber verriethen, daß es ihr wohl¬
that. Auch war sie wirklich in den Fremden verliebt, und dieser ließ ihr mer¬
ken, daß auch er stark für sie empfände. Wenn er auch mit seinem Körper
Von ihr wegginge, äußerte er beim Abschied, so würde doch sein Herz bei ihr
bleiben.

Diese Intimität mußte beim König natürlich Eifersucht erwecken. Speke
hatte sie indeß nur gesucht, um Mtesa weniger ceremoniös zu machen und ihn
namentlich dahin zu bringen, ihm eine Hütte in seiner unmittelbaren Nähe ein¬
zuräumen. Mehrmals schlug er Einladungen des Königs aus, wogegen er


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[0385] von Sumci, meinem verstorbenen Gemahl, und das ist nicht angenehm." Speke erwiderte, böse Träume und Schlaflosigkeit seien die gewöhnliche Klage der Wittwen; sie könnte nur durch Wiederverheirathung geheilt werden, indeß wolle er ihre Zunge und ihren Puls einmal untersuchen. Die anwesenden Hofleute riefen, dies könne nicht ohne Erlaubniß des Königs geschehen. Nyamasore aber sprang zornig auf, schrie, sie werde sich von einem solchen bloßen Bürsch- chen nicht erst Rath holen, und stellte sich sofort zur Untersuchung, worauf sie von Speke zwei Pillen empfing und den Rath erhielt, bis auf Weiteres nicht soviel Pombe zu trinken und weniger zu essen als gewöhnlich. Nach dem Curircn nahm sie die Geschenke in Empfang, die sie in förm¬ liche Ekstase versetzten, und die sie sofort mit einem schön gearbeiteten Pombe- saugrohr. Ringen von Giraffcnhaar, einer Kuh, getrockneten Fischen und meh¬ ren Krügen Pombe erwiderte. Dann ließ sie sich Spekcs Zeichenbuch zeigen, welches sie und die Zauberweiber sehr ergötzte, betrachtete Spekes Ringe und seine Uhr, die sie Lubciri, d. h. Gottheit oder Dämon oder magisches Ding nannte, und äußerte schließlich beim Abschied den Wunsch, den interessanten Be¬ such recht bald wiederzusehen, sie habe ihn sehr gern, ganz außerordentlich gern, gar nicht zu sagen, wie sehr. Speke kam denn auch bald wieder, machte fernere Geschenke und stieg da¬ durch in der Gunst der dicken Dame immer höher. Man war äußerst lustig bei solchen Zusammenkünften, und es wurde dabei gewaltig getrunken. Die Königin sang, durch den Geist des Pombe und durch das Geschenk einer Schar¬ lachdecke in das höchste Entzücken versetzt, ihre Räthe und Hofleute sielen im Chor ein. Man trank wieder, zuletzt aus großen Trögen, wobei die Königin mit gutem Beispiel voranging, man sang von Neuem. Trommler lärmten, ein Hofnarr machte mit grober heiserer Stimme seine Späße. Plötzlich spran¬ gen der Premierminister und sämmtliche Hofleute auf, ergriffen ihre Stäbe, schwuren, die Königin sei in den Weißen Mann verliebt, liefen hinaus, kamen wieder, zielten nach der Königin wie mit Speeren und thaten, als ob sie die¬ selbe wegen ihrer Lie^be zu Speke ums Leben bringen wollten, in Wirklichkeit aber wollten sie damit nur ihre Ergebenheit bezeugen. Nyamasore stellte sich, als ob ihr dies gleichgiltig sei, ihre Züge aber verriethen, daß es ihr wohl¬ that. Auch war sie wirklich in den Fremden verliebt, und dieser ließ ihr mer¬ ken, daß auch er stark für sie empfände. Wenn er auch mit seinem Körper Von ihr wegginge, äußerte er beim Abschied, so würde doch sein Herz bei ihr bleiben. Diese Intimität mußte beim König natürlich Eifersucht erwecken. Speke hatte sie indeß nur gesucht, um Mtesa weniger ceremoniös zu machen und ihn namentlich dahin zu bringen, ihm eine Hütte in seiner unmittelbaren Nähe ein¬ zuräumen. Mehrmals schlug er Einladungen des Königs aus, wogegen er Grenzboten III. 18V4. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/385>, abgerufen am 28.09.2024.