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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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seine Besuche bei dessen Mutter fortsetzte. Endlich kam er zu seinem Zweck
nachdem er sich Mtesa als Schütze empfohlen und seinen obersten Minister durch
ein Geschenk von Perlen und Kupferarmbändern gewonnen. Er erhielt jetzt
eine Anzahl Hütten mit einem Bananengarten, die im vornehmsten Stadttheil
an der Hauptstraße lagen. Doch hatte er fortwährend mit allerlei Intriguen
zu kämpfen, der König zeigte sich überaus veränderlich und launenhaft, er und
seine Mutter verlangten alles von seinem Besitz, was ihnen in die Augen stach,
als weiteres Geschenk, man versah seine Leute nicht hinreichend mit Lebens¬
mitteln und wies sie aus Plünderung der Unterthanen an, und nur selten ge¬
lang es, Mtesa zu einer Unterhaltung über das zu bewegen, was Speke vor
allem am Herzen lag, seine Weiterreise und die dazu nöthigen Maßregeln.

Dagegen hatte er reichliche Gelegenheit, die Gebräuche und Sitten am
Hofe weiter zu beachten. Eines Tages erhielt der Harem des Königs be¬
trächtlichen Zuwachs. Zwanzig nackte Jungfrauen, Töchter von Unterthanen
Mtesas, alle mit Fett glänzend bestrichen und jede ein Stück Bastzeug als Fei¬
genblatt vor sich haltend, marschirten in den Palasthof, während die glücklichen
Väter einmal über das andere "Nyanzig!" riefen und sich auf dem Erdboden
herumwälzten. Andere Tage zeigten die Kehrseite dieser Verhältnisse. "So
unglaublich es scheint," schreibt Speke am 26. März in sein Tagebuch, "habe
ich doch fast jeden Tag. seitdem ich meinen Wohnort veränderte, eine, zwei oder
drei dieser unglücklichen Palastfrauen zur Hinrichtung fortschleppen sehen, an
einer Hand mit einem Strick gebunden und durch einen der Leibwache fort¬
geführt, wobei sie aus ihrem Wege zu frühzeitigem Tode mit höchster Stimme
und in größter Verzweiflung: "Hai Minange!" (O mein Herr) "Kbkacka!'
(Mein König) oder "Hai Nyawo!" (O meine Mutter) ausrief. Niemand wagte
eine Hand zu ihrer Errettung zu rühren oder Fürbitte für sie einzulegen. Ge¬
wiß ist, daß oft nichts anderes als eine Verletzung der Hofetiquette sie hatte
zum Tode verurtheilen lassen."

Heirathen oder Hochzeiten giebt es in Uganda nicht. Wenigstens sind sie
mit keinen Ceremonien verbunden. Begeht ein Unterthan, der eine hübsche
Tochter hat, ein Versehen, so kann er sich beim Könige durch Hingabe des
Mädchens von der Strafe befreien. Uebrigens nennt sich die königliche Familie selbst
..Kinderräuber", da sie jedem Wakungu (Beamten) seine Kinder nehmen darf, eine
Befugniß, die sie durch Tragen eines Kranzes von Weinblättern bisweilen
ausdrückt. Hat ein benachbarter Fürst eine Tochter, welche der König be¬
gehrenswerth findet, so kann dieser sie als Tribut verlangen. Die Wakungu
werden vom König je nach Verdienst mit Frauen versorgt, die entweder im
Kriege erbeutet oder verbrecherischen Beamten weggenommen sind. Man be¬
trachtet diese Weiber indeß nicht gerade als Sache, obwohl man sie bei schlechter
Aufführung vertauscht oder in die Sklaverei verkauft.


seine Besuche bei dessen Mutter fortsetzte. Endlich kam er zu seinem Zweck
nachdem er sich Mtesa als Schütze empfohlen und seinen obersten Minister durch
ein Geschenk von Perlen und Kupferarmbändern gewonnen. Er erhielt jetzt
eine Anzahl Hütten mit einem Bananengarten, die im vornehmsten Stadttheil
an der Hauptstraße lagen. Doch hatte er fortwährend mit allerlei Intriguen
zu kämpfen, der König zeigte sich überaus veränderlich und launenhaft, er und
seine Mutter verlangten alles von seinem Besitz, was ihnen in die Augen stach,
als weiteres Geschenk, man versah seine Leute nicht hinreichend mit Lebens¬
mitteln und wies sie aus Plünderung der Unterthanen an, und nur selten ge¬
lang es, Mtesa zu einer Unterhaltung über das zu bewegen, was Speke vor
allem am Herzen lag, seine Weiterreise und die dazu nöthigen Maßregeln.

Dagegen hatte er reichliche Gelegenheit, die Gebräuche und Sitten am
Hofe weiter zu beachten. Eines Tages erhielt der Harem des Königs be¬
trächtlichen Zuwachs. Zwanzig nackte Jungfrauen, Töchter von Unterthanen
Mtesas, alle mit Fett glänzend bestrichen und jede ein Stück Bastzeug als Fei¬
genblatt vor sich haltend, marschirten in den Palasthof, während die glücklichen
Väter einmal über das andere „Nyanzig!" riefen und sich auf dem Erdboden
herumwälzten. Andere Tage zeigten die Kehrseite dieser Verhältnisse. „So
unglaublich es scheint," schreibt Speke am 26. März in sein Tagebuch, „habe
ich doch fast jeden Tag. seitdem ich meinen Wohnort veränderte, eine, zwei oder
drei dieser unglücklichen Palastfrauen zur Hinrichtung fortschleppen sehen, an
einer Hand mit einem Strick gebunden und durch einen der Leibwache fort¬
geführt, wobei sie aus ihrem Wege zu frühzeitigem Tode mit höchster Stimme
und in größter Verzweiflung: „Hai Minange!" (O mein Herr) „Kbkacka!'
(Mein König) oder „Hai Nyawo!" (O meine Mutter) ausrief. Niemand wagte
eine Hand zu ihrer Errettung zu rühren oder Fürbitte für sie einzulegen. Ge¬
wiß ist, daß oft nichts anderes als eine Verletzung der Hofetiquette sie hatte
zum Tode verurtheilen lassen."

Heirathen oder Hochzeiten giebt es in Uganda nicht. Wenigstens sind sie
mit keinen Ceremonien verbunden. Begeht ein Unterthan, der eine hübsche
Tochter hat, ein Versehen, so kann er sich beim Könige durch Hingabe des
Mädchens von der Strafe befreien. Uebrigens nennt sich die königliche Familie selbst
..Kinderräuber", da sie jedem Wakungu (Beamten) seine Kinder nehmen darf, eine
Befugniß, die sie durch Tragen eines Kranzes von Weinblättern bisweilen
ausdrückt. Hat ein benachbarter Fürst eine Tochter, welche der König be¬
gehrenswerth findet, so kann dieser sie als Tribut verlangen. Die Wakungu
werden vom König je nach Verdienst mit Frauen versorgt, die entweder im
Kriege erbeutet oder verbrecherischen Beamten weggenommen sind. Man be¬
trachtet diese Weiber indeß nicht gerade als Sache, obwohl man sie bei schlechter
Aufführung vertauscht oder in die Sklaverei verkauft.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/386>, abgerufen am 28.09.2024.