Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in einer Minute vier Kühe erlegt hatte, die im Palasthof herumgingen. "Großer
Applaus," so erzählt er, "folgte dieser wundervollen Vorstellung, und die Kühe
erhielten meine Leute. Der König lud nun einen der Karabiner, die ich ihm
gegeben, überreichte ihn mit gespanntem Hahn einem Pagen und befahl ihm.
in den äußern Hof zu gehen und einen Menschen niederzuschießen. Dies ge¬
schah sofort, und der kleine Kerl verkündete seinen Erfolg mit einer Vergnügt-
heit, wie wenn er ein Vogelnest ausgenommen, eine Forelle gefangen oder ir¬
gendeinen andern Knabenstreich ausgeführt hätte."

Der König wurde durch fernere Zusammenkünfte immer gnädiger. Speke
durfte ihm bei einer derselben eine spanische Fliege anlegen, er durfte mit ihm
allein sein, ja sogar Früchte mit ihm essen, nur auf seinem Stuhl ließ man ihn
nicht wieder sitzen, doch wurde ihm dafür ein Bündel Gras von der Art zum
Sitz gegeben, wie es nur der König zu seinem Sessel verwenden durfte. Mtesa
versprach. Spekes Pläne wegen Verbindung der auf dem Nil heraufkommenden
Engländer mit seiner Expedition zu fördern, er begriff, daß die Weißen ihm
nützlich sein könnten, er gestattete ihm jetzt auch, der Königin Mutter seine
Aufwartung zu machen, die nach Mtesa die einflußreichste Person bei Hofe war.
und die in einem ähnlichen Palast wie ihr Sohn eine Halde Stunde Weges
von diesem residilte.

Mit abgenommenen Hut, den Regenschirm über sich ausgespannt, trat
Speke hier ein, um zunächst seine Geschenke, die in Messing- und Kupferdrath-
rollcn. dreißig blauen Eipcrle", einem Bündel kleiner Perlen und sechzehn Ellen
Zitz bestanden, zu überreichen und dann sich als Arzt an Ihrer Majestät zu
versuchen.

Die Königin, sie hieß Nyamasore und war eine fette Schönheit von etwa
fünfundvierzig Jahren, saß. einfach mit einem Bastgewand bekleidet, auf einem
Teppich, mit ihrem Ellbogen auf einem Bastkissen ruhend. Vor dem Eingang,
den ein Vorhang verhüllte, waren Stäbe aufgestellt, auf deren Spitzen Näpfe
mit Zaubcrpulvcr steckten. Innerhalb der Hütte befanden sich vier Zauberwciver
oder Geisteraustreibcrinnen. Neben Nyamasore stand ein alter abgegriffner
Klappspiegel. Die Königin betrachtete sich den Fremden eine Weile, dann ließ
sie Musikanten kommen, Pombe-Bier wurde kredenzt, man rauchte und trank,
und Nyamasore wurde immer aufgeräumter und zutraulicher. Die Gesellschaft
wurde dann hinausvefohlen, nur einige Vertraute blieben mit Speke. seinem
Dolmetscher und der Königin zurück, und nun begann die ärztliche Consultation
damit, daß Nyamasore ein Bündel glattgearbeiteter Stäbe nahm und, sich mit
dreien davon an Speke wendend, erklärte, daß sie drei Klagen habe. "Dieser
Stab," fuhr sie fort, "stellt meinen Magen vor, der mir viel Beschwerde macht;
dieser zweite ist meine Leber, die mir Schmerzen über den ganzen Körper ver¬
ursacht, und dieser dritte ist mein Herz; denn ich träume des Nachts beständig


in einer Minute vier Kühe erlegt hatte, die im Palasthof herumgingen. „Großer
Applaus," so erzählt er, „folgte dieser wundervollen Vorstellung, und die Kühe
erhielten meine Leute. Der König lud nun einen der Karabiner, die ich ihm
gegeben, überreichte ihn mit gespanntem Hahn einem Pagen und befahl ihm.
in den äußern Hof zu gehen und einen Menschen niederzuschießen. Dies ge¬
schah sofort, und der kleine Kerl verkündete seinen Erfolg mit einer Vergnügt-
heit, wie wenn er ein Vogelnest ausgenommen, eine Forelle gefangen oder ir¬
gendeinen andern Knabenstreich ausgeführt hätte."

Der König wurde durch fernere Zusammenkünfte immer gnädiger. Speke
durfte ihm bei einer derselben eine spanische Fliege anlegen, er durfte mit ihm
allein sein, ja sogar Früchte mit ihm essen, nur auf seinem Stuhl ließ man ihn
nicht wieder sitzen, doch wurde ihm dafür ein Bündel Gras von der Art zum
Sitz gegeben, wie es nur der König zu seinem Sessel verwenden durfte. Mtesa
versprach. Spekes Pläne wegen Verbindung der auf dem Nil heraufkommenden
Engländer mit seiner Expedition zu fördern, er begriff, daß die Weißen ihm
nützlich sein könnten, er gestattete ihm jetzt auch, der Königin Mutter seine
Aufwartung zu machen, die nach Mtesa die einflußreichste Person bei Hofe war.
und die in einem ähnlichen Palast wie ihr Sohn eine Halde Stunde Weges
von diesem residilte.

Mit abgenommenen Hut, den Regenschirm über sich ausgespannt, trat
Speke hier ein, um zunächst seine Geschenke, die in Messing- und Kupferdrath-
rollcn. dreißig blauen Eipcrle», einem Bündel kleiner Perlen und sechzehn Ellen
Zitz bestanden, zu überreichen und dann sich als Arzt an Ihrer Majestät zu
versuchen.

Die Königin, sie hieß Nyamasore und war eine fette Schönheit von etwa
fünfundvierzig Jahren, saß. einfach mit einem Bastgewand bekleidet, auf einem
Teppich, mit ihrem Ellbogen auf einem Bastkissen ruhend. Vor dem Eingang,
den ein Vorhang verhüllte, waren Stäbe aufgestellt, auf deren Spitzen Näpfe
mit Zaubcrpulvcr steckten. Innerhalb der Hütte befanden sich vier Zauberwciver
oder Geisteraustreibcrinnen. Neben Nyamasore stand ein alter abgegriffner
Klappspiegel. Die Königin betrachtete sich den Fremden eine Weile, dann ließ
sie Musikanten kommen, Pombe-Bier wurde kredenzt, man rauchte und trank,
und Nyamasore wurde immer aufgeräumter und zutraulicher. Die Gesellschaft
wurde dann hinausvefohlen, nur einige Vertraute blieben mit Speke. seinem
Dolmetscher und der Königin zurück, und nun begann die ärztliche Consultation
damit, daß Nyamasore ein Bündel glattgearbeiteter Stäbe nahm und, sich mit
dreien davon an Speke wendend, erklärte, daß sie drei Klagen habe. „Dieser
Stab," fuhr sie fort, „stellt meinen Magen vor, der mir viel Beschwerde macht;
dieser zweite ist meine Leber, die mir Schmerzen über den ganzen Körper ver¬
ursacht, und dieser dritte ist mein Herz; denn ich träume des Nachts beständig


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189479"/>
          <p xml:id="ID_1552" prev="#ID_1551"> in einer Minute vier Kühe erlegt hatte, die im Palasthof herumgingen. &#x201E;Großer<lb/>
Applaus," so erzählt er, &#x201E;folgte dieser wundervollen Vorstellung, und die Kühe<lb/>
erhielten meine Leute. Der König lud nun einen der Karabiner, die ich ihm<lb/>
gegeben, überreichte ihn mit gespanntem Hahn einem Pagen und befahl ihm.<lb/>
in den äußern Hof zu gehen und einen Menschen niederzuschießen. Dies ge¬<lb/>
schah sofort, und der kleine Kerl verkündete seinen Erfolg mit einer Vergnügt-<lb/>
heit, wie wenn er ein Vogelnest ausgenommen, eine Forelle gefangen oder ir¬<lb/>
gendeinen andern Knabenstreich ausgeführt hätte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1553"> Der König wurde durch fernere Zusammenkünfte immer gnädiger. Speke<lb/>
durfte ihm bei einer derselben eine spanische Fliege anlegen, er durfte mit ihm<lb/>
allein sein, ja sogar Früchte mit ihm essen, nur auf seinem Stuhl ließ man ihn<lb/>
nicht wieder sitzen, doch wurde ihm dafür ein Bündel Gras von der Art zum<lb/>
Sitz gegeben, wie es nur der König zu seinem Sessel verwenden durfte. Mtesa<lb/>
versprach. Spekes Pläne wegen Verbindung der auf dem Nil heraufkommenden<lb/>
Engländer mit seiner Expedition zu fördern, er begriff, daß die Weißen ihm<lb/>
nützlich sein könnten, er gestattete ihm jetzt auch, der Königin Mutter seine<lb/>
Aufwartung zu machen, die nach Mtesa die einflußreichste Person bei Hofe war.<lb/>
und die in einem ähnlichen Palast wie ihr Sohn eine Halde Stunde Weges<lb/>
von diesem residilte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1554"> Mit abgenommenen Hut, den Regenschirm über sich ausgespannt, trat<lb/>
Speke hier ein, um zunächst seine Geschenke, die in Messing- und Kupferdrath-<lb/>
rollcn. dreißig blauen Eipcrle», einem Bündel kleiner Perlen und sechzehn Ellen<lb/>
Zitz bestanden, zu überreichen und dann sich als Arzt an Ihrer Majestät zu<lb/>
versuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1555" next="#ID_1556"> Die Königin, sie hieß Nyamasore und war eine fette Schönheit von etwa<lb/>
fünfundvierzig Jahren, saß. einfach mit einem Bastgewand bekleidet, auf einem<lb/>
Teppich, mit ihrem Ellbogen auf einem Bastkissen ruhend. Vor dem Eingang,<lb/>
den ein Vorhang verhüllte, waren Stäbe aufgestellt, auf deren Spitzen Näpfe<lb/>
mit Zaubcrpulvcr steckten. Innerhalb der Hütte befanden sich vier Zauberwciver<lb/>
oder Geisteraustreibcrinnen. Neben Nyamasore stand ein alter abgegriffner<lb/>
Klappspiegel. Die Königin betrachtete sich den Fremden eine Weile, dann ließ<lb/>
sie Musikanten kommen, Pombe-Bier wurde kredenzt, man rauchte und trank,<lb/>
und Nyamasore wurde immer aufgeräumter und zutraulicher. Die Gesellschaft<lb/>
wurde dann hinausvefohlen, nur einige Vertraute blieben mit Speke. seinem<lb/>
Dolmetscher und der Königin zurück, und nun begann die ärztliche Consultation<lb/>
damit, daß Nyamasore ein Bündel glattgearbeiteter Stäbe nahm und, sich mit<lb/>
dreien davon an Speke wendend, erklärte, daß sie drei Klagen habe. &#x201E;Dieser<lb/>
Stab," fuhr sie fort, &#x201E;stellt meinen Magen vor, der mir viel Beschwerde macht;<lb/>
dieser zweite ist meine Leber, die mir Schmerzen über den ganzen Körper ver¬<lb/>
ursacht, und dieser dritte ist mein Herz; denn ich träume des Nachts beständig</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0384] in einer Minute vier Kühe erlegt hatte, die im Palasthof herumgingen. „Großer Applaus," so erzählt er, „folgte dieser wundervollen Vorstellung, und die Kühe erhielten meine Leute. Der König lud nun einen der Karabiner, die ich ihm gegeben, überreichte ihn mit gespanntem Hahn einem Pagen und befahl ihm. in den äußern Hof zu gehen und einen Menschen niederzuschießen. Dies ge¬ schah sofort, und der kleine Kerl verkündete seinen Erfolg mit einer Vergnügt- heit, wie wenn er ein Vogelnest ausgenommen, eine Forelle gefangen oder ir¬ gendeinen andern Knabenstreich ausgeführt hätte." Der König wurde durch fernere Zusammenkünfte immer gnädiger. Speke durfte ihm bei einer derselben eine spanische Fliege anlegen, er durfte mit ihm allein sein, ja sogar Früchte mit ihm essen, nur auf seinem Stuhl ließ man ihn nicht wieder sitzen, doch wurde ihm dafür ein Bündel Gras von der Art zum Sitz gegeben, wie es nur der König zu seinem Sessel verwenden durfte. Mtesa versprach. Spekes Pläne wegen Verbindung der auf dem Nil heraufkommenden Engländer mit seiner Expedition zu fördern, er begriff, daß die Weißen ihm nützlich sein könnten, er gestattete ihm jetzt auch, der Königin Mutter seine Aufwartung zu machen, die nach Mtesa die einflußreichste Person bei Hofe war. und die in einem ähnlichen Palast wie ihr Sohn eine Halde Stunde Weges von diesem residilte. Mit abgenommenen Hut, den Regenschirm über sich ausgespannt, trat Speke hier ein, um zunächst seine Geschenke, die in Messing- und Kupferdrath- rollcn. dreißig blauen Eipcrle», einem Bündel kleiner Perlen und sechzehn Ellen Zitz bestanden, zu überreichen und dann sich als Arzt an Ihrer Majestät zu versuchen. Die Königin, sie hieß Nyamasore und war eine fette Schönheit von etwa fünfundvierzig Jahren, saß. einfach mit einem Bastgewand bekleidet, auf einem Teppich, mit ihrem Ellbogen auf einem Bastkissen ruhend. Vor dem Eingang, den ein Vorhang verhüllte, waren Stäbe aufgestellt, auf deren Spitzen Näpfe mit Zaubcrpulvcr steckten. Innerhalb der Hütte befanden sich vier Zauberwciver oder Geisteraustreibcrinnen. Neben Nyamasore stand ein alter abgegriffner Klappspiegel. Die Königin betrachtete sich den Fremden eine Weile, dann ließ sie Musikanten kommen, Pombe-Bier wurde kredenzt, man rauchte und trank, und Nyamasore wurde immer aufgeräumter und zutraulicher. Die Gesellschaft wurde dann hinausvefohlen, nur einige Vertraute blieben mit Speke. seinem Dolmetscher und der Königin zurück, und nun begann die ärztliche Consultation damit, daß Nyamasore ein Bündel glattgearbeiteter Stäbe nahm und, sich mit dreien davon an Speke wendend, erklärte, daß sie drei Klagen habe. „Dieser Stab," fuhr sie fort, „stellt meinen Magen vor, der mir viel Beschwerde macht; dieser zweite ist meine Leber, die mir Schmerzen über den ganzen Körper ver¬ ursacht, und dieser dritte ist mein Herz; denn ich träume des Nachts beständig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/384
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/384>, abgerufen am 28.09.2024.