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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Zu Weihnachten giebt es Stollen, Bretzeln, Hörnchen und in Ehrenfrie¬
dersdorf sogenannte "Christkinder", ein Gebäck, welches in der Form dem
Nickelszopse gleicht. Arme ziehen umlM und singen vor den Häusern Weih-
nachtslieder. wofür sie beschenkt werde". Bei der Bescheerung spielt neben dem
altheidnischen lichterbesteckten Tannenbaum auch die ..Christgeburt" eine Rolle,
welche an verschiedenen Orten verschiedene Namen hat, bei den Einen Christ-
garten, Paradiesgarten oder Bethlehem, bei den Andern wie im benachbarten
Böhmen Krippe heißt und sich entweder als Zubehör des Weihnachtsbaums
am Fuße desselben oder als besonderes Schaustück in einer Ecke der Stube auf
einem Tische befindet. Im ersiern Fall ist eS, ein mit Moos belegtes, von ei¬
nem Zaun umgebues Bret. An der einen Seite steht ein Stall, zu dem vom
Eingang aus ein mit Sand bestreuter Weg führt, und in welchem sich das
Christkind in der Krippe und Maria und Joseph befinden. Davor stehen die
heiligen drei Könige, von denen der eine weiß, der andere braun, der dritte ein
schwarzer Neger ist. Der Engel, mit Draht an einen Baum befestigt, schwebt
darüber. Dem Stall gegenüber bemerkt mau die Hirten mit ihren Heerden.
Ist die Christgeburt besonders aufgestellt, so ist sie gewöhnlich etwa anderthalb
Ellen vom Fußboden an eine der Stubeuwände angebaut und mit Moos, glän¬
zenden Steinen, Glas, Erzen und Flittergold geschmückt. Unten ist der Stall,
in welchem man außer den heiligen Personen auch Ochs und Esel erblickt, "die
dem Christkindel den ausgehenden Odem wieder eingeblasen haben." Seitwärts
stehen die Hirten mit ihren Schafen, denen der Engel Gabriel erscheint. Im
Hintergrunde ist Sand gestreut, und durch diese künstliche Wüste kommen die
"drei Weisen aus Mohrenland" gezogen. Die Terrasse oben enthält verschie¬
dene Gruppen, meist aus der biblischen Geschichte, Darstellungen der messiamschcn
Weissagungen, des Paradieses, der Kindheitsgeschichte Jesu u. d. in. Ganz
oben sieht man einige Häuser, welche die Stadt Bethlehem bedeuten sollen, und
darüber schwebt der Stern des Jahres Eins.

Häufig sind bei der Bescheerung auch die sogenannten Pyramiden, vom
Volke "Pergametten" genannt, die entweder einfach nur aus vier mit buntem aus--
geschulteren Papier bekleideten, oben in einer Spitze zusammentreffenden, unten
durch Querhölzer verbundenen Stäben gemacht, oben mit einem Fähnchen ver¬
ziert und mit Tutter für Talglichtchcn versehen oder von sehr kunstvollem Bau
sind. Letztere bestehen in der Regel aus vier "Platten" oder Stockwerken, die
um einen senkrechten Stab befestigt sind. An der Spitze des letzteren sind zwei
Flügel angebracht, welche sich durch die Wärme der auf die eigentliche Pyramide
gesteckten Lichter drehen und so das Ganze in Bewegung setzen. Auf den Platten
stehen Gruppen von Figürchen, welche die verschiedenen Perioden der Kirchen¬
geschichte darstellen sollen. Die unterste zeigt die Geburt Christi, die nächste ist
mit Höhlen von flimmernden Gestein bedeckt, in denen kleine Holzmännchen


Zu Weihnachten giebt es Stollen, Bretzeln, Hörnchen und in Ehrenfrie¬
dersdorf sogenannte „Christkinder", ein Gebäck, welches in der Form dem
Nickelszopse gleicht. Arme ziehen umlM und singen vor den Häusern Weih-
nachtslieder. wofür sie beschenkt werde». Bei der Bescheerung spielt neben dem
altheidnischen lichterbesteckten Tannenbaum auch die ..Christgeburt" eine Rolle,
welche an verschiedenen Orten verschiedene Namen hat, bei den Einen Christ-
garten, Paradiesgarten oder Bethlehem, bei den Andern wie im benachbarten
Böhmen Krippe heißt und sich entweder als Zubehör des Weihnachtsbaums
am Fuße desselben oder als besonderes Schaustück in einer Ecke der Stube auf
einem Tische befindet. Im ersiern Fall ist eS, ein mit Moos belegtes, von ei¬
nem Zaun umgebues Bret. An der einen Seite steht ein Stall, zu dem vom
Eingang aus ein mit Sand bestreuter Weg führt, und in welchem sich das
Christkind in der Krippe und Maria und Joseph befinden. Davor stehen die
heiligen drei Könige, von denen der eine weiß, der andere braun, der dritte ein
schwarzer Neger ist. Der Engel, mit Draht an einen Baum befestigt, schwebt
darüber. Dem Stall gegenüber bemerkt mau die Hirten mit ihren Heerden.
Ist die Christgeburt besonders aufgestellt, so ist sie gewöhnlich etwa anderthalb
Ellen vom Fußboden an eine der Stubeuwände angebaut und mit Moos, glän¬
zenden Steinen, Glas, Erzen und Flittergold geschmückt. Unten ist der Stall,
in welchem man außer den heiligen Personen auch Ochs und Esel erblickt, „die
dem Christkindel den ausgehenden Odem wieder eingeblasen haben." Seitwärts
stehen die Hirten mit ihren Schafen, denen der Engel Gabriel erscheint. Im
Hintergrunde ist Sand gestreut, und durch diese künstliche Wüste kommen die
„drei Weisen aus Mohrenland" gezogen. Die Terrasse oben enthält verschie¬
dene Gruppen, meist aus der biblischen Geschichte, Darstellungen der messiamschcn
Weissagungen, des Paradieses, der Kindheitsgeschichte Jesu u. d. in. Ganz
oben sieht man einige Häuser, welche die Stadt Bethlehem bedeuten sollen, und
darüber schwebt der Stern des Jahres Eins.

Häufig sind bei der Bescheerung auch die sogenannten Pyramiden, vom
Volke „Pergametten" genannt, die entweder einfach nur aus vier mit buntem aus--
geschulteren Papier bekleideten, oben in einer Spitze zusammentreffenden, unten
durch Querhölzer verbundenen Stäben gemacht, oben mit einem Fähnchen ver¬
ziert und mit Tutter für Talglichtchcn versehen oder von sehr kunstvollem Bau
sind. Letztere bestehen in der Regel aus vier „Platten" oder Stockwerken, die
um einen senkrechten Stab befestigt sind. An der Spitze des letzteren sind zwei
Flügel angebracht, welche sich durch die Wärme der auf die eigentliche Pyramide
gesteckten Lichter drehen und so das Ganze in Bewegung setzen. Auf den Platten
stehen Gruppen von Figürchen, welche die verschiedenen Perioden der Kirchen¬
geschichte darstellen sollen. Die unterste zeigt die Geburt Christi, die nächste ist
mit Höhlen von flimmernden Gestein bedeckt, in denen kleine Holzmännchen


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[0365] Zu Weihnachten giebt es Stollen, Bretzeln, Hörnchen und in Ehrenfrie¬ dersdorf sogenannte „Christkinder", ein Gebäck, welches in der Form dem Nickelszopse gleicht. Arme ziehen umlM und singen vor den Häusern Weih- nachtslieder. wofür sie beschenkt werde». Bei der Bescheerung spielt neben dem altheidnischen lichterbesteckten Tannenbaum auch die ..Christgeburt" eine Rolle, welche an verschiedenen Orten verschiedene Namen hat, bei den Einen Christ- garten, Paradiesgarten oder Bethlehem, bei den Andern wie im benachbarten Böhmen Krippe heißt und sich entweder als Zubehör des Weihnachtsbaums am Fuße desselben oder als besonderes Schaustück in einer Ecke der Stube auf einem Tische befindet. Im ersiern Fall ist eS, ein mit Moos belegtes, von ei¬ nem Zaun umgebues Bret. An der einen Seite steht ein Stall, zu dem vom Eingang aus ein mit Sand bestreuter Weg führt, und in welchem sich das Christkind in der Krippe und Maria und Joseph befinden. Davor stehen die heiligen drei Könige, von denen der eine weiß, der andere braun, der dritte ein schwarzer Neger ist. Der Engel, mit Draht an einen Baum befestigt, schwebt darüber. Dem Stall gegenüber bemerkt mau die Hirten mit ihren Heerden. Ist die Christgeburt besonders aufgestellt, so ist sie gewöhnlich etwa anderthalb Ellen vom Fußboden an eine der Stubeuwände angebaut und mit Moos, glän¬ zenden Steinen, Glas, Erzen und Flittergold geschmückt. Unten ist der Stall, in welchem man außer den heiligen Personen auch Ochs und Esel erblickt, „die dem Christkindel den ausgehenden Odem wieder eingeblasen haben." Seitwärts stehen die Hirten mit ihren Schafen, denen der Engel Gabriel erscheint. Im Hintergrunde ist Sand gestreut, und durch diese künstliche Wüste kommen die „drei Weisen aus Mohrenland" gezogen. Die Terrasse oben enthält verschie¬ dene Gruppen, meist aus der biblischen Geschichte, Darstellungen der messiamschcn Weissagungen, des Paradieses, der Kindheitsgeschichte Jesu u. d. in. Ganz oben sieht man einige Häuser, welche die Stadt Bethlehem bedeuten sollen, und darüber schwebt der Stern des Jahres Eins. Häufig sind bei der Bescheerung auch die sogenannten Pyramiden, vom Volke „Pergametten" genannt, die entweder einfach nur aus vier mit buntem aus-- geschulteren Papier bekleideten, oben in einer Spitze zusammentreffenden, unten durch Querhölzer verbundenen Stäben gemacht, oben mit einem Fähnchen ver¬ ziert und mit Tutter für Talglichtchcn versehen oder von sehr kunstvollem Bau sind. Letztere bestehen in der Regel aus vier „Platten" oder Stockwerken, die um einen senkrechten Stab befestigt sind. An der Spitze des letzteren sind zwei Flügel angebracht, welche sich durch die Wärme der auf die eigentliche Pyramide gesteckten Lichter drehen und so das Ganze in Bewegung setzen. Auf den Platten stehen Gruppen von Figürchen, welche die verschiedenen Perioden der Kirchen¬ geschichte darstellen sollen. Die unterste zeigt die Geburt Christi, die nächste ist mit Höhlen von flimmernden Gestein bedeckt, in denen kleine Holzmännchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/365>, abgerufen am 28.09.2024.