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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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und Schraubenkorvetten zählte -- freilich nur auf dem Papier. Aber nicht der
zehnte Theil des Versprochenen wurde erfüllt, ja man setzte selbst den dringend¬
sten Anforderungen des Prinzen Lauigfeit oder gar directe Weigerung entgegen,
wahrscheinlich weil man durch allzueifrige Förderung der Absichten des Erzherzogs
sich die Unzufriedenheit anderer hochstehender Personen zuzuziehen fürchtete.
Dennoch wurde in dieser Zeit der Bau des "Kaiser", des "Erzherzog Friedrich"
und mehrer andern guten Schiffe begonnen. Die Marine galt als ein Theil
des Heeres, indem sie Befehle von dem Armccobercvmmando in Wien erhielt,
die Admiräle und Capitäne unter den Generalen und Stabsoffizieren der Armee
rangirten und Offiziere der letzteren sehr häusig zur Marine und umgekehrt ver¬
setzt wurden; dagegen war das Flottillencorps ein von der Marine ganz ge¬
trennter Körper, daher auch die Flvtillen auf den verschiedenen Binnengewässern
unter einer besonderen Verwaltung standen.

Die traurigen Erfahrungen des Jahres 1839 übten auch auf die Ent¬
wicklung der Marine einen nachtheiligen Einfluß. Das Sparsystem mußte,
wie in allen anderen Zweigen der Verwaltung, zur Anwendung kommen; nur
geschah es leider gewöhnlich am unrechten Orte und in übertriebener Weise.
Um den Anforderungen des Erzherzogs, welche man überhaupt nicht zu er¬
füllen geneigt war, nicht directen Widerstand entgegensetzen zu müssen, entfernte
man den Prinzen von der Administration fast ganz und setzte über dieselbe unter
dem Titel eines Marineininisterö in der Person des Grafen Wickcnburg einen
Mann, der hierzu ohne alle Befähigung, und dessen Nachgiebigkeit und Will-
äfhrigkeit gegen die Anforderungen des Parlaments überdies fast unbeschränkt war.
Die Herren Redner im Reichstage, welchen von ihren Wählern die Herbeiführung
möglichst großer Ersparungen aufgetragen worden war, entledigten sich dieses Auf¬
trags mit mehr Eifer als Sachkenntniß, der Minister war leicht eingeschüchtert,
und es kam schließlich ör> weit, daß geraume Zeit hindurch sogar die Existenz
der östreichischen Flotte in Frage stand.

Indessen überstand die Marine die Gefahr, freilich auf Kosten ihrer Ent¬
wickelung zu wirklicher Seetüchtigkeit. Die Panzerschiffe, deren Erbauung man
1861 beschlossen und mit Eifer in die Hand genommen hatte, lagen unvollendet
auf den Werften , und mit Noth und Mühe brachte man endlich in anderthalb
Jahren ein Fahrzeug dieser Art zu Stande, während man anfänglich in der
gleichen Zeit drei derselben vom Stapel gelassen hatte. Der Bau anderer Schiffe
unterblieb gänzlich.

Dennoch hätte die östreichische Marine auf einen achtunggebietenderen
Stand gebracht werden können, wenn die wirklich bewilligten Gelder nicht zum
größten Theile von den Arsenal- und Hafenbauten in Anspruch genommen
worden wären. Daß solche Bauten nicht zu vermeiden waren, wenn man sich
nicht ganz auf die Leistungsfähigkeit einiger Privatwerftcn verlassen und alle


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und Schraubenkorvetten zählte — freilich nur auf dem Papier. Aber nicht der
zehnte Theil des Versprochenen wurde erfüllt, ja man setzte selbst den dringend¬
sten Anforderungen des Prinzen Lauigfeit oder gar directe Weigerung entgegen,
wahrscheinlich weil man durch allzueifrige Förderung der Absichten des Erzherzogs
sich die Unzufriedenheit anderer hochstehender Personen zuzuziehen fürchtete.
Dennoch wurde in dieser Zeit der Bau des „Kaiser", des „Erzherzog Friedrich"
und mehrer andern guten Schiffe begonnen. Die Marine galt als ein Theil
des Heeres, indem sie Befehle von dem Armccobercvmmando in Wien erhielt,
die Admiräle und Capitäne unter den Generalen und Stabsoffizieren der Armee
rangirten und Offiziere der letzteren sehr häusig zur Marine und umgekehrt ver¬
setzt wurden; dagegen war das Flottillencorps ein von der Marine ganz ge¬
trennter Körper, daher auch die Flvtillen auf den verschiedenen Binnengewässern
unter einer besonderen Verwaltung standen.

Die traurigen Erfahrungen des Jahres 1839 übten auch auf die Ent¬
wicklung der Marine einen nachtheiligen Einfluß. Das Sparsystem mußte,
wie in allen anderen Zweigen der Verwaltung, zur Anwendung kommen; nur
geschah es leider gewöhnlich am unrechten Orte und in übertriebener Weise.
Um den Anforderungen des Erzherzogs, welche man überhaupt nicht zu er¬
füllen geneigt war, nicht directen Widerstand entgegensetzen zu müssen, entfernte
man den Prinzen von der Administration fast ganz und setzte über dieselbe unter
dem Titel eines Marineininisterö in der Person des Grafen Wickcnburg einen
Mann, der hierzu ohne alle Befähigung, und dessen Nachgiebigkeit und Will-
äfhrigkeit gegen die Anforderungen des Parlaments überdies fast unbeschränkt war.
Die Herren Redner im Reichstage, welchen von ihren Wählern die Herbeiführung
möglichst großer Ersparungen aufgetragen worden war, entledigten sich dieses Auf¬
trags mit mehr Eifer als Sachkenntniß, der Minister war leicht eingeschüchtert,
und es kam schließlich ör> weit, daß geraume Zeit hindurch sogar die Existenz
der östreichischen Flotte in Frage stand.

Indessen überstand die Marine die Gefahr, freilich auf Kosten ihrer Ent¬
wickelung zu wirklicher Seetüchtigkeit. Die Panzerschiffe, deren Erbauung man
1861 beschlossen und mit Eifer in die Hand genommen hatte, lagen unvollendet
auf den Werften , und mit Noth und Mühe brachte man endlich in anderthalb
Jahren ein Fahrzeug dieser Art zu Stande, während man anfänglich in der
gleichen Zeit drei derselben vom Stapel gelassen hatte. Der Bau anderer Schiffe
unterblieb gänzlich.

Dennoch hätte die östreichische Marine auf einen achtunggebietenderen
Stand gebracht werden können, wenn die wirklich bewilligten Gelder nicht zum
größten Theile von den Arsenal- und Hafenbauten in Anspruch genommen
worden wären. Daß solche Bauten nicht zu vermeiden waren, wenn man sich
nicht ganz auf die Leistungsfähigkeit einiger Privatwerftcn verlassen und alle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/331>, abgerufen am 20.10.2024.