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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Haltung der Waffen und Munitions- und Kriegsvorräthe wenigstens unter ge¬
wöhnlichen Umständen nur einen geringen Theil des Armeebudgets in Anspruch
nimmt, tritt der Aufwand für das Personal einer Flotte gegen die ungeheuren
Summen für Erbauung, Instandhaltung und Ausrüstung der Schiffe, für
Arsenale, Schiffswerften und Hafenbauten sehr zurück, und so möge schon aus
diesem Grunde hier zuerst die Betrachtung des Materials der östreichischen
Marine ihren Platz finden.

Der Umstand, daß die Flotte Oestreichs erst wieder neu geschaffen werden
mußte, hätte für dieselbe in mancher Beziehung von großem Vortheil sein
können. Denn während man in anderen Staaten aus Rücksicht aus das bereits
vorhandene und meist sehr werthvolle Material den Fortschritten, welche die
Schiffsbaukunst in den letzten anderthalb Decennien machte, nur zögernd folgen
konnte, hätte die östreichische Marine den in der nautischen Technik sich vor-
bereitenden Umschwung mit Freude begrüßen können, da es ihr, die ja erst im
Entstehen war, frei stand, nach irgendwelchem Systeme zu bauen und immer
auf der Höhe der Wissenschaft zu bleiben. Außer einigen Segelschiffen, die
entweder schon zur Kassirung reif oder für eine zweckmäßige Umgestaltung ge
eignet waren, einigen unbedeutenden Raddampfern und eurer Menge sogenannter
Perlchen exisiirten leine östreichischen Kriegsschiffe, wohl aber fand sich in den
verschiedenen Arsenälen ein nicht unbeträchtlicher Borrath von Schlffsbaumateria-
lien und Ausrüstungsgegenständen,

Gleichwohl baute man, obgleich Schraubenbampfer und gemischte Schiffe
zu dieser Zeit in der englischen, französischen und nordamerikanischen Marine
bereits zahlreich vertreten waren, noch mehre Raddampfer und gewöhnliche
Segelschiffe und verwendete viel Zeit und Geld auf die Herstellung einer un-
verhältnißmäßig großen Anzahl kleiner Schiffe, wie wenn man eine Art Scheeren-
flotte hatte errichten wollen. Bis zum Jahr 18S4 existirte nur ein einziges
östreichisches Schraubcndampfschiff, das Dampfaviso "Seemöve" von zwei Ka¬
nonen. Dagegen hatte man nahe an siebzig winzige Segelschiffe und Nad¬
dampfer auf dem Meere und einige Dutzend auf der Donau, dem Po, den
lombardischen Seen und in den Lagunen. Man wollte vielleicht durch die Zahl
der Schiffe imponiren. Die Schiffe "Schwarzenberg" und "Novara" wurden als
Segelschiffe zu eben dieser Zeit gebaut.

In diesem Beil fuhr man fort zu wirthschaften, bis das Seewesen unter
die Leitung des Erzherzogs Maximilian, des nunmehrigen Kaisers von Mexiko,
kam. Hiermit schien der maritimen Entwicklung Oestreichs eine schöne Zukunft
gewiß zu sein. Denn der Prinz hatte ebensoviel Neigung als Talent für dieses
Fach der Verwaltung, und man überbot anfangs noch die ersten ziemlich über¬
schwenglichen Projecte desselben, so daß die östreichische Flotte bald mehre Divi¬
sionen und jede Division wieder mehre Linienschiffe, große Fregatten, Segel-


Haltung der Waffen und Munitions- und Kriegsvorräthe wenigstens unter ge¬
wöhnlichen Umständen nur einen geringen Theil des Armeebudgets in Anspruch
nimmt, tritt der Aufwand für das Personal einer Flotte gegen die ungeheuren
Summen für Erbauung, Instandhaltung und Ausrüstung der Schiffe, für
Arsenale, Schiffswerften und Hafenbauten sehr zurück, und so möge schon aus
diesem Grunde hier zuerst die Betrachtung des Materials der östreichischen
Marine ihren Platz finden.

Der Umstand, daß die Flotte Oestreichs erst wieder neu geschaffen werden
mußte, hätte für dieselbe in mancher Beziehung von großem Vortheil sein
können. Denn während man in anderen Staaten aus Rücksicht aus das bereits
vorhandene und meist sehr werthvolle Material den Fortschritten, welche die
Schiffsbaukunst in den letzten anderthalb Decennien machte, nur zögernd folgen
konnte, hätte die östreichische Marine den in der nautischen Technik sich vor-
bereitenden Umschwung mit Freude begrüßen können, da es ihr, die ja erst im
Entstehen war, frei stand, nach irgendwelchem Systeme zu bauen und immer
auf der Höhe der Wissenschaft zu bleiben. Außer einigen Segelschiffen, die
entweder schon zur Kassirung reif oder für eine zweckmäßige Umgestaltung ge
eignet waren, einigen unbedeutenden Raddampfern und eurer Menge sogenannter
Perlchen exisiirten leine östreichischen Kriegsschiffe, wohl aber fand sich in den
verschiedenen Arsenälen ein nicht unbeträchtlicher Borrath von Schlffsbaumateria-
lien und Ausrüstungsgegenständen,

Gleichwohl baute man, obgleich Schraubenbampfer und gemischte Schiffe
zu dieser Zeit in der englischen, französischen und nordamerikanischen Marine
bereits zahlreich vertreten waren, noch mehre Raddampfer und gewöhnliche
Segelschiffe und verwendete viel Zeit und Geld auf die Herstellung einer un-
verhältnißmäßig großen Anzahl kleiner Schiffe, wie wenn man eine Art Scheeren-
flotte hatte errichten wollen. Bis zum Jahr 18S4 existirte nur ein einziges
östreichisches Schraubcndampfschiff, das Dampfaviso „Seemöve" von zwei Ka¬
nonen. Dagegen hatte man nahe an siebzig winzige Segelschiffe und Nad¬
dampfer auf dem Meere und einige Dutzend auf der Donau, dem Po, den
lombardischen Seen und in den Lagunen. Man wollte vielleicht durch die Zahl
der Schiffe imponiren. Die Schiffe „Schwarzenberg" und „Novara" wurden als
Segelschiffe zu eben dieser Zeit gebaut.

In diesem Beil fuhr man fort zu wirthschaften, bis das Seewesen unter
die Leitung des Erzherzogs Maximilian, des nunmehrigen Kaisers von Mexiko,
kam. Hiermit schien der maritimen Entwicklung Oestreichs eine schöne Zukunft
gewiß zu sein. Denn der Prinz hatte ebensoviel Neigung als Talent für dieses
Fach der Verwaltung, und man überbot anfangs noch die ersten ziemlich über¬
schwenglichen Projecte desselben, so daß die östreichische Flotte bald mehre Divi¬
sionen und jede Division wieder mehre Linienschiffe, große Fregatten, Segel-


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[0330] Haltung der Waffen und Munitions- und Kriegsvorräthe wenigstens unter ge¬ wöhnlichen Umständen nur einen geringen Theil des Armeebudgets in Anspruch nimmt, tritt der Aufwand für das Personal einer Flotte gegen die ungeheuren Summen für Erbauung, Instandhaltung und Ausrüstung der Schiffe, für Arsenale, Schiffswerften und Hafenbauten sehr zurück, und so möge schon aus diesem Grunde hier zuerst die Betrachtung des Materials der östreichischen Marine ihren Platz finden. Der Umstand, daß die Flotte Oestreichs erst wieder neu geschaffen werden mußte, hätte für dieselbe in mancher Beziehung von großem Vortheil sein können. Denn während man in anderen Staaten aus Rücksicht aus das bereits vorhandene und meist sehr werthvolle Material den Fortschritten, welche die Schiffsbaukunst in den letzten anderthalb Decennien machte, nur zögernd folgen konnte, hätte die östreichische Marine den in der nautischen Technik sich vor- bereitenden Umschwung mit Freude begrüßen können, da es ihr, die ja erst im Entstehen war, frei stand, nach irgendwelchem Systeme zu bauen und immer auf der Höhe der Wissenschaft zu bleiben. Außer einigen Segelschiffen, die entweder schon zur Kassirung reif oder für eine zweckmäßige Umgestaltung ge eignet waren, einigen unbedeutenden Raddampfern und eurer Menge sogenannter Perlchen exisiirten leine östreichischen Kriegsschiffe, wohl aber fand sich in den verschiedenen Arsenälen ein nicht unbeträchtlicher Borrath von Schlffsbaumateria- lien und Ausrüstungsgegenständen, Gleichwohl baute man, obgleich Schraubenbampfer und gemischte Schiffe zu dieser Zeit in der englischen, französischen und nordamerikanischen Marine bereits zahlreich vertreten waren, noch mehre Raddampfer und gewöhnliche Segelschiffe und verwendete viel Zeit und Geld auf die Herstellung einer un- verhältnißmäßig großen Anzahl kleiner Schiffe, wie wenn man eine Art Scheeren- flotte hatte errichten wollen. Bis zum Jahr 18S4 existirte nur ein einziges östreichisches Schraubcndampfschiff, das Dampfaviso „Seemöve" von zwei Ka¬ nonen. Dagegen hatte man nahe an siebzig winzige Segelschiffe und Nad¬ dampfer auf dem Meere und einige Dutzend auf der Donau, dem Po, den lombardischen Seen und in den Lagunen. Man wollte vielleicht durch die Zahl der Schiffe imponiren. Die Schiffe „Schwarzenberg" und „Novara" wurden als Segelschiffe zu eben dieser Zeit gebaut. In diesem Beil fuhr man fort zu wirthschaften, bis das Seewesen unter die Leitung des Erzherzogs Maximilian, des nunmehrigen Kaisers von Mexiko, kam. Hiermit schien der maritimen Entwicklung Oestreichs eine schöne Zukunft gewiß zu sein. Denn der Prinz hatte ebensoviel Neigung als Talent für dieses Fach der Verwaltung, und man überbot anfangs noch die ersten ziemlich über¬ schwenglichen Projecte desselben, so daß die östreichische Flotte bald mehre Divi¬ sionen und jede Division wieder mehre Linienschiffe, große Fregatten, Segel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/330>, abgerufen am 28.09.2024.