Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und Schlachten, große Räuberbanden und Piratenflotten, sondern zu jeder
Zeit konnte man wandern und schiffen vom Aufgang bis zum Niedergang.

Dazu kam ein überaus großartiges Straßensystem, welches die ganze alte
Welt, soweit sie dem Kaiser Unterthan war, umfaßte. Wegekarten und Ver¬
zeichnisse, auf denen Richtungen der Straßen, Entfernungen, Stationen und
Nachtquartiere angegeben waren, erleichterten den Verkehr in hohem Grade.
Die Staatspost, nach einem altpersischen Vorbild geschaffen, konnte allerdings
nur selten von andern Personen als solchen, die im Staatsdienst reisten, be¬
nutzt werden. Dafür schlössen sich ihr aber allenthalben, wo das Bedürfniß
vorhanden war, Privatunternehmungen an. Die Vermiether von Wagen und
Zugthieren bildeten in mehren Städten Italiens Innungen, und da in den
Städten selbst wenig gefahren wurde, so muß ihr Haupterwerb aus der Beför¬
derung von Reisenden geflossen sein. Sie konnten entweder den Wagen- und
Pferdewechsel von Station zu Station besorgen oder gleich den heutigen Vet-
turinen die Reisenden mit demselben Fuhrwerk aus weitere Strecken befördern.
Mit der Staatspost legte man bei längeren Touren einschließlich alles Auf¬
enthalts eine geographische Meile in der Stunde zurück; man gelangte von
Antiochia bis Konstantinopel -- ungefähr 1S0 Meilen -- in nicht ganz sechs
Tagen. Couriere reisten sehr viel rascher; denn Jcelus, der die Nachricht von
Neros Ermordung an Galba nach Spanien brachte, legte die Strecke von
Tarraco bis Clunia -- circa 66 Meilen -- in nicht ganz 36 Stunden zurück,
und der Bote, welcher die Kunde von Maximins Sturz von Aquileja nach Rom
trug, langte "mit gewechselten Pferden" am vierten Tag an seinem Ziele an,
er muß, wenn er ganz zu Lande reiste (vielleicht im Sattel) 26 bis 28 Meilen
den Tag gemacht haben. Gewöhnliche Reisende, die natürlich übernachteten,
brauchten zu Wagen zwei- bis dreimal so viel Zeit. Rüstige Fußgänger reisten
nicht viel langsamer als sie.

Seefahrten waren allerdings fast ganz auf die jZeit zwischen Mitte März
und Ende October beschränkt; später zogen Maschinen die Schiffe aufs Trockene,
und nur nothgedrungen setzte sich jemand den Gefahren einer winterlichen See¬
reise aus. Schiffbrüchige verfielen nicht selten dem Strandrecht, obwohl dies
durch die Gesetze verpönt war, ja es kam, wie bis in die neueste Zeit an der
Küste der nordfriesischen Inseln, vor, daß man durch falsche Signale das
Stranden von Fahrzeugen herbeiführte. Mit besonders günstigem Winde legte
ein Schiff in einem Tage 30 Meilen zurück, eine gute Durchschnittsfahrt wird
es gewesen sein, wenn man deren 25 am Tage machte. Von Ostia aus er¬
reichte man bei schnellster Fahrt Gades am siebenten, das diesseitige Spanien
am vierten, das narbonensische Gallien am dritten, Afrika schon am zweiten
Tage. Die alexandnnischen Schiffe galten für die am schnellsten segelnden und


und Schlachten, große Räuberbanden und Piratenflotten, sondern zu jeder
Zeit konnte man wandern und schiffen vom Aufgang bis zum Niedergang.

Dazu kam ein überaus großartiges Straßensystem, welches die ganze alte
Welt, soweit sie dem Kaiser Unterthan war, umfaßte. Wegekarten und Ver¬
zeichnisse, auf denen Richtungen der Straßen, Entfernungen, Stationen und
Nachtquartiere angegeben waren, erleichterten den Verkehr in hohem Grade.
Die Staatspost, nach einem altpersischen Vorbild geschaffen, konnte allerdings
nur selten von andern Personen als solchen, die im Staatsdienst reisten, be¬
nutzt werden. Dafür schlössen sich ihr aber allenthalben, wo das Bedürfniß
vorhanden war, Privatunternehmungen an. Die Vermiether von Wagen und
Zugthieren bildeten in mehren Städten Italiens Innungen, und da in den
Städten selbst wenig gefahren wurde, so muß ihr Haupterwerb aus der Beför¬
derung von Reisenden geflossen sein. Sie konnten entweder den Wagen- und
Pferdewechsel von Station zu Station besorgen oder gleich den heutigen Vet-
turinen die Reisenden mit demselben Fuhrwerk aus weitere Strecken befördern.
Mit der Staatspost legte man bei längeren Touren einschließlich alles Auf¬
enthalts eine geographische Meile in der Stunde zurück; man gelangte von
Antiochia bis Konstantinopel — ungefähr 1S0 Meilen — in nicht ganz sechs
Tagen. Couriere reisten sehr viel rascher; denn Jcelus, der die Nachricht von
Neros Ermordung an Galba nach Spanien brachte, legte die Strecke von
Tarraco bis Clunia — circa 66 Meilen — in nicht ganz 36 Stunden zurück,
und der Bote, welcher die Kunde von Maximins Sturz von Aquileja nach Rom
trug, langte „mit gewechselten Pferden" am vierten Tag an seinem Ziele an,
er muß, wenn er ganz zu Lande reiste (vielleicht im Sattel) 26 bis 28 Meilen
den Tag gemacht haben. Gewöhnliche Reisende, die natürlich übernachteten,
brauchten zu Wagen zwei- bis dreimal so viel Zeit. Rüstige Fußgänger reisten
nicht viel langsamer als sie.

Seefahrten waren allerdings fast ganz auf die jZeit zwischen Mitte März
und Ende October beschränkt; später zogen Maschinen die Schiffe aufs Trockene,
und nur nothgedrungen setzte sich jemand den Gefahren einer winterlichen See¬
reise aus. Schiffbrüchige verfielen nicht selten dem Strandrecht, obwohl dies
durch die Gesetze verpönt war, ja es kam, wie bis in die neueste Zeit an der
Küste der nordfriesischen Inseln, vor, daß man durch falsche Signale das
Stranden von Fahrzeugen herbeiführte. Mit besonders günstigem Winde legte
ein Schiff in einem Tage 30 Meilen zurück, eine gute Durchschnittsfahrt wird
es gewesen sein, wenn man deren 25 am Tage machte. Von Ostia aus er¬
reichte man bei schnellster Fahrt Gades am siebenten, das diesseitige Spanien
am vierten, das narbonensische Gallien am dritten, Afrika schon am zweiten
Tage. Die alexandnnischen Schiffe galten für die am schnellsten segelnden und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189385"/>
          <p xml:id="ID_1185" prev="#ID_1184"> und Schlachten, große Räuberbanden und Piratenflotten, sondern zu jeder<lb/>
Zeit konnte man wandern und schiffen vom Aufgang bis zum Niedergang.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1186"> Dazu kam ein überaus großartiges Straßensystem, welches die ganze alte<lb/>
Welt, soweit sie dem Kaiser Unterthan war, umfaßte. Wegekarten und Ver¬<lb/>
zeichnisse, auf denen Richtungen der Straßen, Entfernungen, Stationen und<lb/>
Nachtquartiere angegeben waren, erleichterten den Verkehr in hohem Grade.<lb/>
Die Staatspost, nach einem altpersischen Vorbild geschaffen, konnte allerdings<lb/>
nur selten von andern Personen als solchen, die im Staatsdienst reisten, be¬<lb/>
nutzt werden. Dafür schlössen sich ihr aber allenthalben, wo das Bedürfniß<lb/>
vorhanden war, Privatunternehmungen an. Die Vermiether von Wagen und<lb/>
Zugthieren bildeten in mehren Städten Italiens Innungen, und da in den<lb/>
Städten selbst wenig gefahren wurde, so muß ihr Haupterwerb aus der Beför¬<lb/>
derung von Reisenden geflossen sein. Sie konnten entweder den Wagen- und<lb/>
Pferdewechsel von Station zu Station besorgen oder gleich den heutigen Vet-<lb/>
turinen die Reisenden mit demselben Fuhrwerk aus weitere Strecken befördern.<lb/>
Mit der Staatspost legte man bei längeren Touren einschließlich alles Auf¬<lb/>
enthalts eine geographische Meile in der Stunde zurück; man gelangte von<lb/>
Antiochia bis Konstantinopel &#x2014; ungefähr 1S0 Meilen &#x2014; in nicht ganz sechs<lb/>
Tagen. Couriere reisten sehr viel rascher; denn Jcelus, der die Nachricht von<lb/>
Neros Ermordung an Galba nach Spanien brachte, legte die Strecke von<lb/>
Tarraco bis Clunia &#x2014; circa 66 Meilen &#x2014; in nicht ganz 36 Stunden zurück,<lb/>
und der Bote, welcher die Kunde von Maximins Sturz von Aquileja nach Rom<lb/>
trug, langte &#x201E;mit gewechselten Pferden" am vierten Tag an seinem Ziele an,<lb/>
er muß, wenn er ganz zu Lande reiste (vielleicht im Sattel) 26 bis 28 Meilen<lb/>
den Tag gemacht haben. Gewöhnliche Reisende, die natürlich übernachteten,<lb/>
brauchten zu Wagen zwei- bis dreimal so viel Zeit. Rüstige Fußgänger reisten<lb/>
nicht viel langsamer als sie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1187" next="#ID_1188"> Seefahrten waren allerdings fast ganz auf die jZeit zwischen Mitte März<lb/>
und Ende October beschränkt; später zogen Maschinen die Schiffe aufs Trockene,<lb/>
und nur nothgedrungen setzte sich jemand den Gefahren einer winterlichen See¬<lb/>
reise aus. Schiffbrüchige verfielen nicht selten dem Strandrecht, obwohl dies<lb/>
durch die Gesetze verpönt war, ja es kam, wie bis in die neueste Zeit an der<lb/>
Küste der nordfriesischen Inseln, vor, daß man durch falsche Signale das<lb/>
Stranden von Fahrzeugen herbeiführte. Mit besonders günstigem Winde legte<lb/>
ein Schiff in einem Tage 30 Meilen zurück, eine gute Durchschnittsfahrt wird<lb/>
es gewesen sein, wenn man deren 25 am Tage machte. Von Ostia aus er¬<lb/>
reichte man bei schnellster Fahrt Gades am siebenten, das diesseitige Spanien<lb/>
am vierten, das narbonensische Gallien am dritten, Afrika schon am zweiten<lb/>
Tage. Die alexandnnischen Schiffe galten für die am schnellsten segelnden und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0290] und Schlachten, große Räuberbanden und Piratenflotten, sondern zu jeder Zeit konnte man wandern und schiffen vom Aufgang bis zum Niedergang. Dazu kam ein überaus großartiges Straßensystem, welches die ganze alte Welt, soweit sie dem Kaiser Unterthan war, umfaßte. Wegekarten und Ver¬ zeichnisse, auf denen Richtungen der Straßen, Entfernungen, Stationen und Nachtquartiere angegeben waren, erleichterten den Verkehr in hohem Grade. Die Staatspost, nach einem altpersischen Vorbild geschaffen, konnte allerdings nur selten von andern Personen als solchen, die im Staatsdienst reisten, be¬ nutzt werden. Dafür schlössen sich ihr aber allenthalben, wo das Bedürfniß vorhanden war, Privatunternehmungen an. Die Vermiether von Wagen und Zugthieren bildeten in mehren Städten Italiens Innungen, und da in den Städten selbst wenig gefahren wurde, so muß ihr Haupterwerb aus der Beför¬ derung von Reisenden geflossen sein. Sie konnten entweder den Wagen- und Pferdewechsel von Station zu Station besorgen oder gleich den heutigen Vet- turinen die Reisenden mit demselben Fuhrwerk aus weitere Strecken befördern. Mit der Staatspost legte man bei längeren Touren einschließlich alles Auf¬ enthalts eine geographische Meile in der Stunde zurück; man gelangte von Antiochia bis Konstantinopel — ungefähr 1S0 Meilen — in nicht ganz sechs Tagen. Couriere reisten sehr viel rascher; denn Jcelus, der die Nachricht von Neros Ermordung an Galba nach Spanien brachte, legte die Strecke von Tarraco bis Clunia — circa 66 Meilen — in nicht ganz 36 Stunden zurück, und der Bote, welcher die Kunde von Maximins Sturz von Aquileja nach Rom trug, langte „mit gewechselten Pferden" am vierten Tag an seinem Ziele an, er muß, wenn er ganz zu Lande reiste (vielleicht im Sattel) 26 bis 28 Meilen den Tag gemacht haben. Gewöhnliche Reisende, die natürlich übernachteten, brauchten zu Wagen zwei- bis dreimal so viel Zeit. Rüstige Fußgänger reisten nicht viel langsamer als sie. Seefahrten waren allerdings fast ganz auf die jZeit zwischen Mitte März und Ende October beschränkt; später zogen Maschinen die Schiffe aufs Trockene, und nur nothgedrungen setzte sich jemand den Gefahren einer winterlichen See¬ reise aus. Schiffbrüchige verfielen nicht selten dem Strandrecht, obwohl dies durch die Gesetze verpönt war, ja es kam, wie bis in die neueste Zeit an der Küste der nordfriesischen Inseln, vor, daß man durch falsche Signale das Stranden von Fahrzeugen herbeiführte. Mit besonders günstigem Winde legte ein Schiff in einem Tage 30 Meilen zurück, eine gute Durchschnittsfahrt wird es gewesen sein, wenn man deren 25 am Tage machte. Von Ostia aus er¬ reichte man bei schnellster Fahrt Gades am siebenten, das diesseitige Spanien am vierten, das narbonensische Gallien am dritten, Afrika schon am zweiten Tage. Die alexandnnischen Schiffe galten für die am schnellsten segelnden und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/290
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/290>, abgerufen am 28.09.2024.