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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Und ebenso wie ihr fast einmüthiger Wille spricht auch' ihre Nationalität
dafür, daß sie bei Deutschland verbleiben. Schon daß sie seit Jahrhunderten
sich in Kirche und Schule der deutschen Schriftsprache bedienen, und daß selbst
die Fanatiker im Danisiren niemals auf den Gedanken kamen, ihnen dieselbe
zu nehmen, ist dafür entscheidend. Aber auch sonst leidet es keinen Zweifel,
daß diese Nord- oder Strandsriescn ein deutscher Stamm sind.

Das Friesische weicht allerdings vom Hochdeutschen im Klang der Worte
bedeutend ab und ist selbst von dem holsteinischen Platt ziemlich verschieden.
Es hat ferner einige dänische Ausdrücke aufgenommen. Die SaKfügung aber
ist die deutsche, und die große Mehrzahl der Wörter läßt sich auf norddeutsche
oder angelsächsische Wurzeln zurückführen.

Als Beispiel dafür diene die friesische Version des hessischen Märchens
von Frau Holle bei Grimm, wobei indeß zu bemerken ist, daß das friesische
Idiom sich in mehre Mundarten spaltet, welche so sehr von einander abweichen,
daß man bei Volksfesten sich genöthigt sah, die für alle bestimmten Reden hoch¬
deutsch zu halten. Namentlich ist der Dialekt der Inselfricsen beträchtlich von
dem auf dem "Fastewall", d. h. dem Festland gebräuchlichen verschieden, der
besonders im Süden viele plattdeutsche Vocabeln aufgenommen hat. Das
reinste Friesisch wird nacb Einigen aus Föhr, nach Andern auf Aurum, der
westlichsten von den Inseln, gesprochen, und von hier ist die folgende Probe.

Letj Ehlki an grad Ehlki fiat bi suas tu spcmnan. Do saal grad Edle^
san Rook un suas, an Letj- Ehlki sprong üneftcr. Do wicir a suas onnar
so widj en sed sol suol Steggclkar.

Letj Ehlki ging sardar. Hai kam tu an ehalt Bagvhn. A Bagohn fad:
"Ragi mi ans ap, ik du ti so sol warm Bruat us man idj acht." Letj Ehlki
neun bal rant an thonkat. (Andre Version: Ik wol ti wat skidj.) Hat neun
rant me turag. Do kam hat tu an Apalbuum, die hiugat fol suol Frucht
an fad: "skvddi mi man an idj so sol us man mese, nein ut me so sol us
wat." Letj Ehlki thonkat an nam mau an letjan Apal. Nu kam hat tu an
Kuh. A Kiih fad: "Moll'i mi ans, do stät so sol warm Moll ha us man
drank acht." Hat thonkat an nam man letjat för a äragst Thast, am a fardar
hat kam, a hicitar det würd. Un a Firans ölig hat mög sol Sjüllags, diar
altamal Hain toll wuk. Man hat thogt: "Ik san je, rik annog an brük man
letjat. Hat kam turag me a Rook tu sin Sastar. Hat statt ub ham, dat hat
ütj a Wonnersuas eg muar me nimman sed.

Grat Ehlki sprong sallaw un suas. Hat kam tu a Bagohn, hat kam
tu a Buum, hat kam tu a Kuh. A Bagvhn sad: "Nagi mi ans ap, ik du
ti so sol warm Bruat us man idj acht." A Apalbuum sad'. "Stoddi mi man
an idj so sol us-man acht." A Kuh sad! "Molti mi ans, do fest so sol warm
Moll ha us man drank acht." Hat san mög muar Smocks, diar ham lokal an


Und ebenso wie ihr fast einmüthiger Wille spricht auch' ihre Nationalität
dafür, daß sie bei Deutschland verbleiben. Schon daß sie seit Jahrhunderten
sich in Kirche und Schule der deutschen Schriftsprache bedienen, und daß selbst
die Fanatiker im Danisiren niemals auf den Gedanken kamen, ihnen dieselbe
zu nehmen, ist dafür entscheidend. Aber auch sonst leidet es keinen Zweifel,
daß diese Nord- oder Strandsriescn ein deutscher Stamm sind.

Das Friesische weicht allerdings vom Hochdeutschen im Klang der Worte
bedeutend ab und ist selbst von dem holsteinischen Platt ziemlich verschieden.
Es hat ferner einige dänische Ausdrücke aufgenommen. Die SaKfügung aber
ist die deutsche, und die große Mehrzahl der Wörter läßt sich auf norddeutsche
oder angelsächsische Wurzeln zurückführen.

Als Beispiel dafür diene die friesische Version des hessischen Märchens
von Frau Holle bei Grimm, wobei indeß zu bemerken ist, daß das friesische
Idiom sich in mehre Mundarten spaltet, welche so sehr von einander abweichen,
daß man bei Volksfesten sich genöthigt sah, die für alle bestimmten Reden hoch¬
deutsch zu halten. Namentlich ist der Dialekt der Inselfricsen beträchtlich von
dem auf dem „Fastewall", d. h. dem Festland gebräuchlichen verschieden, der
besonders im Süden viele plattdeutsche Vocabeln aufgenommen hat. Das
reinste Friesisch wird nacb Einigen aus Föhr, nach Andern auf Aurum, der
westlichsten von den Inseln, gesprochen, und von hier ist die folgende Probe.

Letj Ehlki an grad Ehlki fiat bi suas tu spcmnan. Do saal grad Edle^
san Rook un suas, an Letj- Ehlki sprong üneftcr. Do wicir a suas onnar
so widj en sed sol suol Steggclkar.

Letj Ehlki ging sardar. Hai kam tu an ehalt Bagvhn. A Bagohn fad:
„Ragi mi ans ap, ik du ti so sol warm Bruat us man idj acht." Letj Ehlki
neun bal rant an thonkat. (Andre Version: Ik wol ti wat skidj.) Hat neun
rant me turag. Do kam hat tu an Apalbuum, die hiugat fol suol Frucht
an fad: „skvddi mi man an idj so sol us man mese, nein ut me so sol us
wat." Letj Ehlki thonkat an nam mau an letjan Apal. Nu kam hat tu an
Kuh. A Kiih fad: „Moll'i mi ans, do stät so sol warm Moll ha us man
drank acht." Hat thonkat an nam man letjat för a äragst Thast, am a fardar
hat kam, a hicitar det würd. Un a Firans ölig hat mög sol Sjüllags, diar
altamal Hain toll wuk. Man hat thogt: „Ik san je, rik annog an brük man
letjat. Hat kam turag me a Rook tu sin Sastar. Hat statt ub ham, dat hat
ütj a Wonnersuas eg muar me nimman sed.

Grat Ehlki sprong sallaw un suas. Hat kam tu a Bagohn, hat kam
tu a Buum, hat kam tu a Kuh. A Bagvhn sad: „Nagi mi ans ap, ik du
ti so sol warm Bruat us man idj acht." A Apalbuum sad'. „Stoddi mi man
an idj so sol us-man acht." A Kuh sad! „Molti mi ans, do fest so sol warm
Moll ha us man drank acht." Hat san mög muar Smocks, diar ham lokal an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/29>, abgerufen am 28.09.2024.