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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Und hier am Brummn ist dein Stand, da sollst du schießen.

(Zu Tell.)

Vater.

(Wolf will den Knaben hinführen.)

Teil:

Zurück, rühr meinen Knaben nicht an! Ich will ihn schon stellen.

Komm, Wilhelm!


Knabe:

Warum sind so viel Leut da, Vater?


Tell:

Sie wollen sehn, wie ich dir einen Apfel vom Kopf wegschießen

kann. Du mußt jetzt recht fest stehen.

Ich will schon stehn.


Knabe:
Tell:

Du darfst dich nicht fürchten.

Ich fürchte mich nicht.


Knabe.-
Tell:

Aber nur fest und gerade! den Kopf nicht bewegt!

Nicht so viel!


Knabe:
(macht mit dem Finger eine unmerkliche Bewegung)

Tell:

Komm, in Gottes Namen!

In Schillers Tell, 3. Act, 3. Scene soll sich Teils Knabe vor dem Schuß
die Augen verbinden lassen, und spricht etwas zu vorlaut und gebrüstet:


Warum die Augen! denket ihr. ich fürchte
Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest
Erwarten und nicht zucken mit den Wimpern.
Frisch, Vater, zeigs, daß du ein Schütze bist,
Dem Wüthrich zum Verdruße schieß und triff!

Die Empfindung hätte hier dem Dichter vorzuschreiben, den grausamen Schuß
nicht vor den Augen des Zuschauers abdrücken zu lassen. Schiller läßt daher
in diesem Momente den Landvogt durch Berthas Fürbitte bestürmen und zugleich
durch Rudenz in einen heftigen Wortwechsel verwickelt werden, inzwischen dann
den Schuß ungesehen fallen. Selbstvergessen aber giebt hier Ambühl die Hand¬
lung folgender Maßen an: "Tell führt den Knaben auf die Seite des Theaters,
wo er nicht gesehen werden kann. Der Spießknecht Wolf geht mit dem Apfel
nach. Das Volk ist still in banger Erwartung. Tell kommt zurück, drückt den
Hut ins Auge, stellt sich an den Brunnen, spannt, zielt und schießt; ein all¬
gemeines Ah! und Geklatsch hinten nach." Nach dem Schusse will Tell ohne
Weiteres heim. Der Vogt hält ihn auf mit der Frage um den Zweck des ins
(Voller gesteckten zweiten Pfeils. Er erhält darauf die bedrohliche Antwort und
läßt den Schützen abermals gefangen abführen. Der Volkshaufe droht, vor die
Burg zu ziehen und den Gefangnen mit Gewalt herauszuholen. Landammann
Attinghausen hält die Masse zurück und verspricht, auf der Stelle selbst ins
Schloß zu gehen.

Vierter Aufzug.

Tell in Ketten soll Geständnisse über seine Mitverbündeten ablegen, trotzt
und wird nach zwecklosem Wortwechsel wieder ins Gefängniß zurückgebracht.
Attinghausen verlangt im Namen des Gesetzes des Gefangenen Loslassung,


Und hier am Brummn ist dein Stand, da sollst du schießen.

(Zu Tell.)

Vater.

(Wolf will den Knaben hinführen.)

Teil:

Zurück, rühr meinen Knaben nicht an! Ich will ihn schon stellen.

Komm, Wilhelm!


Knabe:

Warum sind so viel Leut da, Vater?


Tell:

Sie wollen sehn, wie ich dir einen Apfel vom Kopf wegschießen

kann. Du mußt jetzt recht fest stehen.

Ich will schon stehn.


Knabe:
Tell:

Du darfst dich nicht fürchten.

Ich fürchte mich nicht.


Knabe.-
Tell:

Aber nur fest und gerade! den Kopf nicht bewegt!

Nicht so viel!


Knabe:
(macht mit dem Finger eine unmerkliche Bewegung)

Tell:

Komm, in Gottes Namen!

In Schillers Tell, 3. Act, 3. Scene soll sich Teils Knabe vor dem Schuß
die Augen verbinden lassen, und spricht etwas zu vorlaut und gebrüstet:


Warum die Augen! denket ihr. ich fürchte
Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest
Erwarten und nicht zucken mit den Wimpern.
Frisch, Vater, zeigs, daß du ein Schütze bist,
Dem Wüthrich zum Verdruße schieß und triff!

Die Empfindung hätte hier dem Dichter vorzuschreiben, den grausamen Schuß
nicht vor den Augen des Zuschauers abdrücken zu lassen. Schiller läßt daher
in diesem Momente den Landvogt durch Berthas Fürbitte bestürmen und zugleich
durch Rudenz in einen heftigen Wortwechsel verwickelt werden, inzwischen dann
den Schuß ungesehen fallen. Selbstvergessen aber giebt hier Ambühl die Hand¬
lung folgender Maßen an: „Tell führt den Knaben auf die Seite des Theaters,
wo er nicht gesehen werden kann. Der Spießknecht Wolf geht mit dem Apfel
nach. Das Volk ist still in banger Erwartung. Tell kommt zurück, drückt den
Hut ins Auge, stellt sich an den Brunnen, spannt, zielt und schießt; ein all¬
gemeines Ah! und Geklatsch hinten nach." Nach dem Schusse will Tell ohne
Weiteres heim. Der Vogt hält ihn auf mit der Frage um den Zweck des ins
(Voller gesteckten zweiten Pfeils. Er erhält darauf die bedrohliche Antwort und
läßt den Schützen abermals gefangen abführen. Der Volkshaufe droht, vor die
Burg zu ziehen und den Gefangnen mit Gewalt herauszuholen. Landammann
Attinghausen hält die Masse zurück und verspricht, auf der Stelle selbst ins
Schloß zu gehen.

Vierter Aufzug.

Tell in Ketten soll Geständnisse über seine Mitverbündeten ablegen, trotzt
und wird nach zwecklosem Wortwechsel wieder ins Gefängniß zurückgebracht.
Attinghausen verlangt im Namen des Gesetzes des Gefangenen Loslassung,


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[0274] Und hier am Brummn ist dein Stand, da sollst du schießen. (Zu Tell.) Vater. (Wolf will den Knaben hinführen.) Teil: Zurück, rühr meinen Knaben nicht an! Ich will ihn schon stellen. Komm, Wilhelm! Knabe: Warum sind so viel Leut da, Vater? Tell: Sie wollen sehn, wie ich dir einen Apfel vom Kopf wegschießen kann. Du mußt jetzt recht fest stehen. Ich will schon stehn. Knabe: Tell: Du darfst dich nicht fürchten. Ich fürchte mich nicht. Knabe.- Tell: Aber nur fest und gerade! den Kopf nicht bewegt! Nicht so viel! Knabe: (macht mit dem Finger eine unmerkliche Bewegung) Tell: Komm, in Gottes Namen! In Schillers Tell, 3. Act, 3. Scene soll sich Teils Knabe vor dem Schuß die Augen verbinden lassen, und spricht etwas zu vorlaut und gebrüstet: Warum die Augen! denket ihr. ich fürchte Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest Erwarten und nicht zucken mit den Wimpern. Frisch, Vater, zeigs, daß du ein Schütze bist, Dem Wüthrich zum Verdruße schieß und triff! Die Empfindung hätte hier dem Dichter vorzuschreiben, den grausamen Schuß nicht vor den Augen des Zuschauers abdrücken zu lassen. Schiller läßt daher in diesem Momente den Landvogt durch Berthas Fürbitte bestürmen und zugleich durch Rudenz in einen heftigen Wortwechsel verwickelt werden, inzwischen dann den Schuß ungesehen fallen. Selbstvergessen aber giebt hier Ambühl die Hand¬ lung folgender Maßen an: „Tell führt den Knaben auf die Seite des Theaters, wo er nicht gesehen werden kann. Der Spießknecht Wolf geht mit dem Apfel nach. Das Volk ist still in banger Erwartung. Tell kommt zurück, drückt den Hut ins Auge, stellt sich an den Brunnen, spannt, zielt und schießt; ein all¬ gemeines Ah! und Geklatsch hinten nach." Nach dem Schusse will Tell ohne Weiteres heim. Der Vogt hält ihn auf mit der Frage um den Zweck des ins (Voller gesteckten zweiten Pfeils. Er erhält darauf die bedrohliche Antwort und läßt den Schützen abermals gefangen abführen. Der Volkshaufe droht, vor die Burg zu ziehen und den Gefangnen mit Gewalt herauszuholen. Landammann Attinghausen hält die Masse zurück und verspricht, auf der Stelle selbst ins Schloß zu gehen. Vierter Aufzug. Tell in Ketten soll Geständnisse über seine Mitverbündeten ablegen, trotzt und wird nach zwecklosem Wortwechsel wieder ins Gefängniß zurückgebracht. Attinghausen verlangt im Namen des Gesetzes des Gefangenen Loslassung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/274>, abgerufen am 28.09.2024.