Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den: "Ich habe schon alles vernommen, der Landvogt hat euch nur zum
Besten, er wußte im voraus, daß ihr alle davon laufen würdet. Er ist nur
furchtbar, weil man ihn fürchtet; hätten die Leute Muth, so würde er zittern.
Nein, das soll man nicht sagen, daß er mit seinem Hut die Männer wie
Spatzen wegscheucht!" Tell geht seines gewohnten Weges über den Platz
unterläßt die gebotene Begrüßung, wird festgenommen und von der Wache
abgeführt.

Zweiter Aufzug.

Des Vogtes Verhör mit Tell bleibt ohne Ergebniß, man läßt deshalb
Teils Knaben heimlich herbeiholen. Inzwischen schildert ein Waffenknecht die
waghalsigen Thaten des Gefangenen bei Scestürmen und Überschwemmungen,
berichtet von nächtlichen Zusammenkünften der Bauern, auch die Flüchtlinge
Staufacher und Melchthal aus den Nachbarländern seien dabei bemerkt worden.
Tell, zum andern Male ins Verhör geführt, ist außer Stand, über das
angebliche Complot und die Verschworenen Aufschluß zu geben. Geßler stampft
mit dem Fuße, auf dieses" Zeichen wird Teils Knabe hereingebracht und dem
Schützen schließlich die bekannte Aufgabe gestellt. Um nicht Gefangener zu
bleiben, entschließt er sich zum Schusse und wird heimgeschickt, seine Armbrust
zu holen, der Knabe verbleibt als Pfand bei der Wache zurück.'

Dritter Auf.zug.

Altdorfer Marktplatz, neben dem Rathhaus der Brunnen, hinten der Hut
auf der Stange, quer über die Bühne Schranken.

Die Verbündeten Staufacher, Fürst und Melchthal beklagen Teils vor¬
eilige Kühnheit; denn durch sie ist der Landvogt und das Volk zur Unzeit
gereizt. Ein wilder Volksaufruhr wäre jetzt zwecklos. Erst diese Nacht kann
die allgemeine Zusammenkunft am nulli stattfinden, erst nach der dort ge¬
troffenen Abrede kann man sich zugleich in den drei Ländern erheben. Also
muß man, während nun der Schuß geschehen soll, hier am Platze bleiben und
die Leute zur Ruhe mahnen. Tell kommt mit seiner Armbrust frei über den
Platz her und stellt sich in die Schranken. Einige bemitleiden ihn, er be¬
ruhigt sie mit seinem Schützenglück und seiner Entschlossenheit; Andere drängen
sich schaulustig herzu und wissen keinen andern Rath als zu beten. Geßler
weist das Schußziel an.


Geßler:

Nun Tell, wie es scheint, bist du entschlossen, den Schuß zu thun?
'


Tell:

Ich muß. Ihr zwingt michdazu.


Geßler:

Du sagtest, so lange man Muth hat, giebt es keine Gefahr. Jetzt

hast du Gelegenheit, deinem Weidspruch Ehre zu machen.

Ihr sollt hernach spotten, Herr. Wo ist mein Junge?


Tell:
Geßler:
(zum Spießknecht Wolf):
(Wolf tritt mit dem Knaben

Hieher!

hervor.)

Dort soll er sich an die Nathhausmauer hinstellen, das Gesicht gegen den


Grenzboten III. 1864. 34

den: „Ich habe schon alles vernommen, der Landvogt hat euch nur zum
Besten, er wußte im voraus, daß ihr alle davon laufen würdet. Er ist nur
furchtbar, weil man ihn fürchtet; hätten die Leute Muth, so würde er zittern.
Nein, das soll man nicht sagen, daß er mit seinem Hut die Männer wie
Spatzen wegscheucht!" Tell geht seines gewohnten Weges über den Platz
unterläßt die gebotene Begrüßung, wird festgenommen und von der Wache
abgeführt.

Zweiter Aufzug.

Des Vogtes Verhör mit Tell bleibt ohne Ergebniß, man läßt deshalb
Teils Knaben heimlich herbeiholen. Inzwischen schildert ein Waffenknecht die
waghalsigen Thaten des Gefangenen bei Scestürmen und Überschwemmungen,
berichtet von nächtlichen Zusammenkünften der Bauern, auch die Flüchtlinge
Staufacher und Melchthal aus den Nachbarländern seien dabei bemerkt worden.
Tell, zum andern Male ins Verhör geführt, ist außer Stand, über das
angebliche Complot und die Verschworenen Aufschluß zu geben. Geßler stampft
mit dem Fuße, auf dieses" Zeichen wird Teils Knabe hereingebracht und dem
Schützen schließlich die bekannte Aufgabe gestellt. Um nicht Gefangener zu
bleiben, entschließt er sich zum Schusse und wird heimgeschickt, seine Armbrust
zu holen, der Knabe verbleibt als Pfand bei der Wache zurück.'

Dritter Auf.zug.

Altdorfer Marktplatz, neben dem Rathhaus der Brunnen, hinten der Hut
auf der Stange, quer über die Bühne Schranken.

Die Verbündeten Staufacher, Fürst und Melchthal beklagen Teils vor¬
eilige Kühnheit; denn durch sie ist der Landvogt und das Volk zur Unzeit
gereizt. Ein wilder Volksaufruhr wäre jetzt zwecklos. Erst diese Nacht kann
die allgemeine Zusammenkunft am nulli stattfinden, erst nach der dort ge¬
troffenen Abrede kann man sich zugleich in den drei Ländern erheben. Also
muß man, während nun der Schuß geschehen soll, hier am Platze bleiben und
die Leute zur Ruhe mahnen. Tell kommt mit seiner Armbrust frei über den
Platz her und stellt sich in die Schranken. Einige bemitleiden ihn, er be¬
ruhigt sie mit seinem Schützenglück und seiner Entschlossenheit; Andere drängen
sich schaulustig herzu und wissen keinen andern Rath als zu beten. Geßler
weist das Schußziel an.


Geßler:

Nun Tell, wie es scheint, bist du entschlossen, den Schuß zu thun?
'


Tell:

Ich muß. Ihr zwingt michdazu.


Geßler:

Du sagtest, so lange man Muth hat, giebt es keine Gefahr. Jetzt

hast du Gelegenheit, deinem Weidspruch Ehre zu machen.

Ihr sollt hernach spotten, Herr. Wo ist mein Junge?


Tell:
Geßler:
(zum Spießknecht Wolf):
(Wolf tritt mit dem Knaben

Hieher!

hervor.)

Dort soll er sich an die Nathhausmauer hinstellen, das Gesicht gegen den


Grenzboten III. 1864. 34
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189368"/>
            <p xml:id="ID_1057" prev="#ID_1056"> den: &#x201E;Ich habe schon alles vernommen, der Landvogt hat euch nur zum<lb/>
Besten, er wußte im voraus, daß ihr alle davon laufen würdet. Er ist nur<lb/>
furchtbar, weil man ihn fürchtet; hätten die Leute Muth, so würde er zittern.<lb/>
Nein, das soll man nicht sagen, daß er mit seinem Hut die Männer wie<lb/>
Spatzen wegscheucht!" Tell geht seines gewohnten Weges über den Platz<lb/>
unterläßt die gebotene Begrüßung, wird festgenommen und von der Wache<lb/>
abgeführt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1058"> Zweiter Aufzug.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1059"> Des Vogtes Verhör mit Tell bleibt ohne Ergebniß, man läßt deshalb<lb/>
Teils Knaben heimlich herbeiholen. Inzwischen schildert ein Waffenknecht die<lb/>
waghalsigen Thaten des Gefangenen bei Scestürmen und Überschwemmungen,<lb/>
berichtet von nächtlichen Zusammenkünften der Bauern, auch die Flüchtlinge<lb/>
Staufacher und Melchthal aus den Nachbarländern seien dabei bemerkt worden.<lb/>
Tell, zum andern Male ins Verhör geführt, ist außer Stand, über das<lb/>
angebliche Complot und die Verschworenen Aufschluß zu geben. Geßler stampft<lb/>
mit dem Fuße, auf dieses" Zeichen wird Teils Knabe hereingebracht und dem<lb/>
Schützen schließlich die bekannte Aufgabe gestellt. Um nicht Gefangener zu<lb/>
bleiben, entschließt er sich zum Schusse und wird heimgeschickt, seine Armbrust<lb/>
zu holen, der Knabe verbleibt als Pfand bei der Wache zurück.'</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1060"> Dritter Auf.zug.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1061"> Altdorfer Marktplatz, neben dem Rathhaus der Brunnen, hinten der Hut<lb/>
auf der Stange, quer über die Bühne Schranken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1062"> Die Verbündeten Staufacher, Fürst und Melchthal beklagen Teils vor¬<lb/>
eilige Kühnheit; denn durch sie ist der Landvogt und das Volk zur Unzeit<lb/>
gereizt. Ein wilder Volksaufruhr wäre jetzt zwecklos. Erst diese Nacht kann<lb/>
die allgemeine Zusammenkunft am nulli stattfinden, erst nach der dort ge¬<lb/>
troffenen Abrede kann man sich zugleich in den drei Ländern erheben. Also<lb/>
muß man, während nun der Schuß geschehen soll, hier am Platze bleiben und<lb/>
die Leute zur Ruhe mahnen. Tell kommt mit seiner Armbrust frei über den<lb/>
Platz her und stellt sich in die Schranken. Einige bemitleiden ihn, er be¬<lb/>
ruhigt sie mit seinem Schützenglück und seiner Entschlossenheit; Andere drängen<lb/>
sich schaulustig herzu und wissen keinen andern Rath als zu beten. Geßler<lb/>
weist das Schußziel an.</p><lb/>
            <note type="speaker"> Geßler:</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1063"> Nun Tell, wie es scheint, bist du entschlossen, den Schuß zu thun?<lb/>
'</p><lb/>
            <note type="speaker"> Tell: </note><lb/>
            <p xml:id="ID_1064"> Ich muß. Ihr zwingt michdazu.</p><lb/>
            <note type="speaker"> Geßler: </note><lb/>
            <p xml:id="ID_1065" next="#ID_1066"> Du sagtest, so lange man Muth hat, giebt es keine Gefahr. Jetzt</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1066" prev="#ID_1065"> hast du Gelegenheit, deinem Weidspruch Ehre zu machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1067"> Ihr sollt hernach spotten, Herr.  Wo ist mein Junge?</p><lb/>
            <note type="speaker"> Tell:</note><lb/>
            <note type="speaker"> Geßler: </note><lb/>
            <stage> (zum Spießknecht Wolf):</stage><lb/>
            <stage> (Wolf tritt mit dem Knaben</stage><lb/>
            <p xml:id="ID_1068"> Hieher! </p><lb/>
            <stage> hervor.) </stage><lb/>
            <p xml:id="ID_1069"> Dort soll er sich an die Nathhausmauer hinstellen, das Gesicht gegen den</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1864. 34</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0273] den: „Ich habe schon alles vernommen, der Landvogt hat euch nur zum Besten, er wußte im voraus, daß ihr alle davon laufen würdet. Er ist nur furchtbar, weil man ihn fürchtet; hätten die Leute Muth, so würde er zittern. Nein, das soll man nicht sagen, daß er mit seinem Hut die Männer wie Spatzen wegscheucht!" Tell geht seines gewohnten Weges über den Platz unterläßt die gebotene Begrüßung, wird festgenommen und von der Wache abgeführt. Zweiter Aufzug. Des Vogtes Verhör mit Tell bleibt ohne Ergebniß, man läßt deshalb Teils Knaben heimlich herbeiholen. Inzwischen schildert ein Waffenknecht die waghalsigen Thaten des Gefangenen bei Scestürmen und Überschwemmungen, berichtet von nächtlichen Zusammenkünften der Bauern, auch die Flüchtlinge Staufacher und Melchthal aus den Nachbarländern seien dabei bemerkt worden. Tell, zum andern Male ins Verhör geführt, ist außer Stand, über das angebliche Complot und die Verschworenen Aufschluß zu geben. Geßler stampft mit dem Fuße, auf dieses" Zeichen wird Teils Knabe hereingebracht und dem Schützen schließlich die bekannte Aufgabe gestellt. Um nicht Gefangener zu bleiben, entschließt er sich zum Schusse und wird heimgeschickt, seine Armbrust zu holen, der Knabe verbleibt als Pfand bei der Wache zurück.' Dritter Auf.zug. Altdorfer Marktplatz, neben dem Rathhaus der Brunnen, hinten der Hut auf der Stange, quer über die Bühne Schranken. Die Verbündeten Staufacher, Fürst und Melchthal beklagen Teils vor¬ eilige Kühnheit; denn durch sie ist der Landvogt und das Volk zur Unzeit gereizt. Ein wilder Volksaufruhr wäre jetzt zwecklos. Erst diese Nacht kann die allgemeine Zusammenkunft am nulli stattfinden, erst nach der dort ge¬ troffenen Abrede kann man sich zugleich in den drei Ländern erheben. Also muß man, während nun der Schuß geschehen soll, hier am Platze bleiben und die Leute zur Ruhe mahnen. Tell kommt mit seiner Armbrust frei über den Platz her und stellt sich in die Schranken. Einige bemitleiden ihn, er be¬ ruhigt sie mit seinem Schützenglück und seiner Entschlossenheit; Andere drängen sich schaulustig herzu und wissen keinen andern Rath als zu beten. Geßler weist das Schußziel an. Geßler: Nun Tell, wie es scheint, bist du entschlossen, den Schuß zu thun? ' Tell: Ich muß. Ihr zwingt michdazu. Geßler: Du sagtest, so lange man Muth hat, giebt es keine Gefahr. Jetzt hast du Gelegenheit, deinem Weidspruch Ehre zu machen. Ihr sollt hernach spotten, Herr. Wo ist mein Junge? Tell: Geßler: (zum Spießknecht Wolf): (Wolf tritt mit dem Knaben Hieher! hervor.) Dort soll er sich an die Nathhausmauer hinstellen, das Gesicht gegen den Grenzboten III. 1864. 34

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/273
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/273>, abgerufen am 28.09.2024.