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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Hier ist dieser Söldnerdialvg erfolgreicher und für den Zweck des Stückes
mehr aufklärend, als dasselbe Zwiegespräch zwischen Frießhcirdt und Leuthold
in Schillers Teil 3. Act, 3. Scene. Schillers Frießhardt ist hier Ambühls
zweiter, am Wasserwerk und Subordination hängender Söldner; während
Ambühls erster Söldner, wie Schillers Spießknecht Leuthold, müde ist dieses
Aufspürerdienstes, der eines Neitermanncs unwürdig, so wenig Lohn beim
Vogte und so viel Lebensgefahr unter dem Volte mit sich dringt.

Zweite Scene. Geßler erscheint am Marktplatz mil dem Ritter von Ospen-
that, welcher zugleich Thalvogt in Urseren ist- Man erfährt Geßlers Plane.
Die Burg Zwing-Uri steht fertig gebaut und hat bereits Besatzung, welche
man bei der nächsten Gelegenheit gegen das Volk losschlagen lassen wird.
Nur setzt dieses allen Reizungen und Neuerungen bisher einen alles lähmen¬
den, alles verzögernden passiven Widerstand entgegen. Es bezahlt die alten
und neuen Abgaben, jedoch unter stetem Protest am kaiserlichen Hofe und vor
dem Vogtsgerichte. Man muß daher einmal den Stolz der Massen durch
Spott reizen, um die Stärke der Opposition kennen zu lernen. Wenn am
heutigen Kirchweihfeste die Leute von überall her auf diesem Platze zusammen¬
strömen, werden die Köpfe beim Anblicke dieses aufgepflanzten Hutes sich er¬
hitzen, die Unzufriedenen, die heimlich Verbündeten werden sich laut machen.
Die Wachen haben gemessenen Befehl, leicht kommt es zu einem Conflict.
Ein solcher läßt sich zum Aufruhr stempeln, dies giebt ein Recht, Privilegien
und Gesetze zu suspendiren, kaiserliche Kriegsvölker ins Land zu ziehen. Ist
man nur einmal im Namen des deutschen Reiches hier eingerückt, so nimmt
man morgen schon im Namen des österlicher Herzogs vom Lande Besitz;
Schwyz und Unterwalden gehen dann mit in die allgemeine Rechnung.

Dritte Scene. Sobald der Vogt hinweg ist, erscheint ein Trupp Bauern
bei der Stange. Sie drücken ihr Erstaune" aus, man beginnt unzufriedene
Reden über fremdes Gericht, neuen Zoll, über den Schloßbau; Landammann
und Räthe hätten dem längst Einhalt thun sollen. Ein Ausrufer unterbricht
sie; er verkündet, man habe den hier aufgesteckten Hut ebenso zu beehren, als
ob der Kaiser oder sein Landvogt persönlich zugegen seien. Dieser Titel Land¬
vogt empört die Zuhörer, Geßler ist nur als Neichsvogt hier, sonst wäre Uri
nicht Reichsland, sondern österreichisches Unterthanenland. Man bedroht bereits
die Wachen und den Hut. Walther Fürst beschwichtiget, an das Beispiel
der Ahnen erinnernd, die so weislich der Uebergewalt auswichen und darüber
doch zuletzt ihre Rechte gewahrt hatten. Sein Wort verfängt nicht, der Tu¬
mult wächst. Attinghausen, der Landammann, erscheint, und verspricht, dieses
öffentliche Aergerniß solle vom Platze geräumt werden; aber er gebietet allen
bei ihrem geschwornen Eid, ruhig hier hinwegzugehen. Alle gehorsamen.
Inzwischen ist Tell dazu gekommen und sagt auf die Warnung der Abgehen-


Hier ist dieser Söldnerdialvg erfolgreicher und für den Zweck des Stückes
mehr aufklärend, als dasselbe Zwiegespräch zwischen Frießhcirdt und Leuthold
in Schillers Teil 3. Act, 3. Scene. Schillers Frießhardt ist hier Ambühls
zweiter, am Wasserwerk und Subordination hängender Söldner; während
Ambühls erster Söldner, wie Schillers Spießknecht Leuthold, müde ist dieses
Aufspürerdienstes, der eines Neitermanncs unwürdig, so wenig Lohn beim
Vogte und so viel Lebensgefahr unter dem Volte mit sich dringt.

Zweite Scene. Geßler erscheint am Marktplatz mil dem Ritter von Ospen-
that, welcher zugleich Thalvogt in Urseren ist- Man erfährt Geßlers Plane.
Die Burg Zwing-Uri steht fertig gebaut und hat bereits Besatzung, welche
man bei der nächsten Gelegenheit gegen das Volk losschlagen lassen wird.
Nur setzt dieses allen Reizungen und Neuerungen bisher einen alles lähmen¬
den, alles verzögernden passiven Widerstand entgegen. Es bezahlt die alten
und neuen Abgaben, jedoch unter stetem Protest am kaiserlichen Hofe und vor
dem Vogtsgerichte. Man muß daher einmal den Stolz der Massen durch
Spott reizen, um die Stärke der Opposition kennen zu lernen. Wenn am
heutigen Kirchweihfeste die Leute von überall her auf diesem Platze zusammen¬
strömen, werden die Köpfe beim Anblicke dieses aufgepflanzten Hutes sich er¬
hitzen, die Unzufriedenen, die heimlich Verbündeten werden sich laut machen.
Die Wachen haben gemessenen Befehl, leicht kommt es zu einem Conflict.
Ein solcher läßt sich zum Aufruhr stempeln, dies giebt ein Recht, Privilegien
und Gesetze zu suspendiren, kaiserliche Kriegsvölker ins Land zu ziehen. Ist
man nur einmal im Namen des deutschen Reiches hier eingerückt, so nimmt
man morgen schon im Namen des österlicher Herzogs vom Lande Besitz;
Schwyz und Unterwalden gehen dann mit in die allgemeine Rechnung.

Dritte Scene. Sobald der Vogt hinweg ist, erscheint ein Trupp Bauern
bei der Stange. Sie drücken ihr Erstaune» aus, man beginnt unzufriedene
Reden über fremdes Gericht, neuen Zoll, über den Schloßbau; Landammann
und Räthe hätten dem längst Einhalt thun sollen. Ein Ausrufer unterbricht
sie; er verkündet, man habe den hier aufgesteckten Hut ebenso zu beehren, als
ob der Kaiser oder sein Landvogt persönlich zugegen seien. Dieser Titel Land¬
vogt empört die Zuhörer, Geßler ist nur als Neichsvogt hier, sonst wäre Uri
nicht Reichsland, sondern österreichisches Unterthanenland. Man bedroht bereits
die Wachen und den Hut. Walther Fürst beschwichtiget, an das Beispiel
der Ahnen erinnernd, die so weislich der Uebergewalt auswichen und darüber
doch zuletzt ihre Rechte gewahrt hatten. Sein Wort verfängt nicht, der Tu¬
mult wächst. Attinghausen, der Landammann, erscheint, und verspricht, dieses
öffentliche Aergerniß solle vom Platze geräumt werden; aber er gebietet allen
bei ihrem geschwornen Eid, ruhig hier hinwegzugehen. Alle gehorsamen.
Inzwischen ist Tell dazu gekommen und sagt auf die Warnung der Abgehen-


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[0272] Hier ist dieser Söldnerdialvg erfolgreicher und für den Zweck des Stückes mehr aufklärend, als dasselbe Zwiegespräch zwischen Frießhcirdt und Leuthold in Schillers Teil 3. Act, 3. Scene. Schillers Frießhardt ist hier Ambühls zweiter, am Wasserwerk und Subordination hängender Söldner; während Ambühls erster Söldner, wie Schillers Spießknecht Leuthold, müde ist dieses Aufspürerdienstes, der eines Neitermanncs unwürdig, so wenig Lohn beim Vogte und so viel Lebensgefahr unter dem Volte mit sich dringt. Zweite Scene. Geßler erscheint am Marktplatz mil dem Ritter von Ospen- that, welcher zugleich Thalvogt in Urseren ist- Man erfährt Geßlers Plane. Die Burg Zwing-Uri steht fertig gebaut und hat bereits Besatzung, welche man bei der nächsten Gelegenheit gegen das Volk losschlagen lassen wird. Nur setzt dieses allen Reizungen und Neuerungen bisher einen alles lähmen¬ den, alles verzögernden passiven Widerstand entgegen. Es bezahlt die alten und neuen Abgaben, jedoch unter stetem Protest am kaiserlichen Hofe und vor dem Vogtsgerichte. Man muß daher einmal den Stolz der Massen durch Spott reizen, um die Stärke der Opposition kennen zu lernen. Wenn am heutigen Kirchweihfeste die Leute von überall her auf diesem Platze zusammen¬ strömen, werden die Köpfe beim Anblicke dieses aufgepflanzten Hutes sich er¬ hitzen, die Unzufriedenen, die heimlich Verbündeten werden sich laut machen. Die Wachen haben gemessenen Befehl, leicht kommt es zu einem Conflict. Ein solcher läßt sich zum Aufruhr stempeln, dies giebt ein Recht, Privilegien und Gesetze zu suspendiren, kaiserliche Kriegsvölker ins Land zu ziehen. Ist man nur einmal im Namen des deutschen Reiches hier eingerückt, so nimmt man morgen schon im Namen des österlicher Herzogs vom Lande Besitz; Schwyz und Unterwalden gehen dann mit in die allgemeine Rechnung. Dritte Scene. Sobald der Vogt hinweg ist, erscheint ein Trupp Bauern bei der Stange. Sie drücken ihr Erstaune» aus, man beginnt unzufriedene Reden über fremdes Gericht, neuen Zoll, über den Schloßbau; Landammann und Räthe hätten dem längst Einhalt thun sollen. Ein Ausrufer unterbricht sie; er verkündet, man habe den hier aufgesteckten Hut ebenso zu beehren, als ob der Kaiser oder sein Landvogt persönlich zugegen seien. Dieser Titel Land¬ vogt empört die Zuhörer, Geßler ist nur als Neichsvogt hier, sonst wäre Uri nicht Reichsland, sondern österreichisches Unterthanenland. Man bedroht bereits die Wachen und den Hut. Walther Fürst beschwichtiget, an das Beispiel der Ahnen erinnernd, die so weislich der Uebergewalt auswichen und darüber doch zuletzt ihre Rechte gewahrt hatten. Sein Wort verfängt nicht, der Tu¬ mult wächst. Attinghausen, der Landammann, erscheint, und verspricht, dieses öffentliche Aergerniß solle vom Platze geräumt werden; aber er gebietet allen bei ihrem geschwornen Eid, ruhig hier hinwegzugehen. Alle gehorsamen. Inzwischen ist Tell dazu gekommen und sagt auf die Warnung der Abgehen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/272>, abgerufen am 28.09.2024.