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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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auf weite Strecken hin niederdeutsch redenden Stämmen, hin und wieder im
Norden auch Juten Platz machen mußte. Verschiedene Spuren weisen darauf
bin, daß die Ditmarscher in Holstein, die schon seit alter Zeit einen platt¬
deutschen Dialekt sprechen, friesische Elemente unter sich haben. Die Eiderstedter
ferner bedienten sich noch vor wenigen Jahrhunderten des friesischen Idioms,
während sie gegenwärtig durchgehends Plattdeutsch reden. Auch im Norden scheint
sich das Friesische früher auf dem Festland höher hinauf erstreckt zusahen, und
mit Sicherheit nachzuweisen ist, daß noch in diesem Jahrhundert eine Anzahl
von Dörfern auf der östlich an die friesischen Marschen grenzenden Geest, daß
namentlich die Kirchspiele Aventoft, Klixbüll, Leck, Joldelund, Vivi, Oidernp
und Schwesing friesisch sprachen, während jetzt hier das Platte Dänisch zur
Volkssprache geworden ist, außerdem aber auch Plattdeutsch geredet und meist
auch die deutsche Schriftsprache verstanden wird. Endlich ist zu erwähnen, daß
die Insel Nordstrand, früher durchweg von Friesen bewohnt, nach der großen
Sturmfluth von 1634, welche die Mehrzahl der hier bestehenden Köge zerstörte
und deren Bewohner in den Wellen begrub, in den Besitz von Einwanderern
aus Brabant und den Niederlanden gekommen ist, die sie noch jetzt zum größten
Theil innehaben.

Was wir jetzt, wenn die Grenzen nur nach der Sprache bemessen werden
sollen, als das Friescnland im Herzogthum Schleswig zu bezeichnen haben, ist
zunächst der schmale, durchschnittlich etwa zwei Meilen breite Marschstreisen
zwischen der Windmühle von Rodenäs bei Tondern und dem Kirchdorf Hattstedt
bei Husum, dann der östlich unmittelbar an diesen Streifen stoßende Strich des
Geestlandes, endlich die Inseln Sylt, dessen kleinere Nordhälfte indeß zu Jüt-
land gehört, Föhr, dessen Wesihälste ebenfalls in politischer Beziehung jüdisch
ist, Rom oder Romoe (im Süden jüdisch) und die sogenannten Halligen Oland, Lange-
neß. Hooge, Appellant. Grobe, Habet, Behnshallig und Norderovg. Die Bevöl¬
kerung dieses Complexes von Inseln und Festlandsbezirten beläuft sich auf 28 bis
29,000 Köpfe. Die Kirchen und Schulsprache ist allenthalben die hochdeuische.
Schließlich mag beiläufig erwähnt werden, daß sprachlich auch die zu Jütland
gehörige Insel Aurum sowie Helgoland Theile des friesischen Gebiets sind.

Die älteste Geschichte der Friesen Schleswigs ist ebenso dunkel wie die der
Angler. Chronisten wissen von allerlei Kriegen und Schlachten, großen Wasser-
fluthen und ähnlichen Ereignissen zu berichten und zwar mit genauer Angabe
des Datums. Nach ihnen hätte hundert Jahre vor Christus die Durchbrechung
des britischen Kanals und die Überschwemmung des Landes,, die dem gefolgt
sei, den Auszug der Cimbern nach Süden veranlaßt und diese letzter" seien
zum Theil Friesen gewesen. Dann melden sie- von einer Schlacht aus dem
Heverstrom, die um die Zeit von Christi Geburt stattgefunden, und in welcher
der Dcincnkönig Frode der Dritte die Friesen unter ihrem Seekönig Wieso ge-


auf weite Strecken hin niederdeutsch redenden Stämmen, hin und wieder im
Norden auch Juten Platz machen mußte. Verschiedene Spuren weisen darauf
bin, daß die Ditmarscher in Holstein, die schon seit alter Zeit einen platt¬
deutschen Dialekt sprechen, friesische Elemente unter sich haben. Die Eiderstedter
ferner bedienten sich noch vor wenigen Jahrhunderten des friesischen Idioms,
während sie gegenwärtig durchgehends Plattdeutsch reden. Auch im Norden scheint
sich das Friesische früher auf dem Festland höher hinauf erstreckt zusahen, und
mit Sicherheit nachzuweisen ist, daß noch in diesem Jahrhundert eine Anzahl
von Dörfern auf der östlich an die friesischen Marschen grenzenden Geest, daß
namentlich die Kirchspiele Aventoft, Klixbüll, Leck, Joldelund, Vivi, Oidernp
und Schwesing friesisch sprachen, während jetzt hier das Platte Dänisch zur
Volkssprache geworden ist, außerdem aber auch Plattdeutsch geredet und meist
auch die deutsche Schriftsprache verstanden wird. Endlich ist zu erwähnen, daß
die Insel Nordstrand, früher durchweg von Friesen bewohnt, nach der großen
Sturmfluth von 1634, welche die Mehrzahl der hier bestehenden Köge zerstörte
und deren Bewohner in den Wellen begrub, in den Besitz von Einwanderern
aus Brabant und den Niederlanden gekommen ist, die sie noch jetzt zum größten
Theil innehaben.

Was wir jetzt, wenn die Grenzen nur nach der Sprache bemessen werden
sollen, als das Friescnland im Herzogthum Schleswig zu bezeichnen haben, ist
zunächst der schmale, durchschnittlich etwa zwei Meilen breite Marschstreisen
zwischen der Windmühle von Rodenäs bei Tondern und dem Kirchdorf Hattstedt
bei Husum, dann der östlich unmittelbar an diesen Streifen stoßende Strich des
Geestlandes, endlich die Inseln Sylt, dessen kleinere Nordhälfte indeß zu Jüt-
land gehört, Föhr, dessen Wesihälste ebenfalls in politischer Beziehung jüdisch
ist, Rom oder Romoe (im Süden jüdisch) und die sogenannten Halligen Oland, Lange-
neß. Hooge, Appellant. Grobe, Habet, Behnshallig und Norderovg. Die Bevöl¬
kerung dieses Complexes von Inseln und Festlandsbezirten beläuft sich auf 28 bis
29,000 Köpfe. Die Kirchen und Schulsprache ist allenthalben die hochdeuische.
Schließlich mag beiläufig erwähnt werden, daß sprachlich auch die zu Jütland
gehörige Insel Aurum sowie Helgoland Theile des friesischen Gebiets sind.

Die älteste Geschichte der Friesen Schleswigs ist ebenso dunkel wie die der
Angler. Chronisten wissen von allerlei Kriegen und Schlachten, großen Wasser-
fluthen und ähnlichen Ereignissen zu berichten und zwar mit genauer Angabe
des Datums. Nach ihnen hätte hundert Jahre vor Christus die Durchbrechung
des britischen Kanals und die Überschwemmung des Landes,, die dem gefolgt
sei, den Auszug der Cimbern nach Süden veranlaßt und diese letzter» seien
zum Theil Friesen gewesen. Dann melden sie- von einer Schlacht aus dem
Heverstrom, die um die Zeit von Christi Geburt stattgefunden, und in welcher
der Dcincnkönig Frode der Dritte die Friesen unter ihrem Seekönig Wieso ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/26>, abgerufen am 28.09.2024.