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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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der Präsident des Geheimemaths, Herr v. Neurath, besonders nahe, eine
ehrenwerthe, aber stockadlige, Oestreich ergebene Persönlichkeit. Herr v. Neurath
war nun zwar schon die Seele der Negierung des früheren Königs, seinem
Einfluß war z, V. namentlich die Haltung Würtembergs in der Zollvereinsfrage
zu verdanken. Aber es folgt daraus noch keineswegs, daß nun einfach alles
beim Alten bleibt. Die Minister hatten zuletzt ihre festeste Stütze doch nur
darin, daß der angeworbene .König seine Räthe nicht mehr wechseln wollte.
Herr v, Neurath stand nicht immer zum Besten mit Herrn v. Linden. Und so
lag die Vermuthung nahe, daß unter den Auspicien des Herrn v. Neurath
nunmehr ein reines Adelsnnnisterium das bisherige, trotz Linden und Hügel
doch wesentlich bürgerliche Ministerium ablösen werde. An Candidaten zu
diesem Zutunftsministcrium fehlt es nicht. Die Jugendfreunde des Königs
warten auf große Dinge, und es soll gegenwärtig am Hof ein erbauliches
Nennen, ein wahres Weltjäger nach den noch gar nicht erledigten Portefeuilles
sein. Ich weiß nicht, mit welchem Rechte die öffentliche Meinung den Namen
des Freiherrn v. Varnbühler mit diesen auf die Landcsbeglückung abzielenden
Bestrebungen in Verbindung bringt. In jedem Falle bildet diese glatte, ge¬
wandte Diplomatennatur, bekanntlich auch eine Celebrität des seligen Neform-
vereins. den Uebergang zu einer zweiten Gruppe von Politikern, welche gleich¬
falls -- mit Recht oder Unrecht -- in dem Verdachte stehen, daß sie des Winkes
harren, der sie zu den höchsten Stellen berufen soll. Es ist dies eine kleine,
nicht eben beliebte Fraction, die sich seit kurzer Zeit in das öffentliche Leben
hcrvorgedrängt hat, meist jüngere Beamte, talentvoll, nicht ohne die nöthige
Dosis von Ehrgeiz, deren eventuelle Politik nach innen sich als aufgeklärte
Bureaukratie, nach außen als Neformvcrcinspolitik bezeichnen ließ. Im Volke
würde ein Ministerium. aus dieser wie aus jener Gruppe gebildet, gleich wenig
Anklang finden. Und es ist außer dem Umstand, daß so vieler von allen
Seiten sich hcrzudrängende Rath einige Ueberlegung erheischt und die Wahl
schwer macht, doch auch vielleicht einiges Bedenken vor unpopulären Schritten,
was bis jetzt von dem Versuch mit neuen Ministern zurückgehalten hat. Die
klugen Rathgeber der Krone können sich doch kaum der Wahrnehmung ver¬
schließen, daß gerade der jetzige Moment am wenigsten dazu angethan ist,
ernste Conflicte zwischen Negierung und Ständen zu provociren. Man konnte
in den letzten Jahren recht gut die Erfahrung machen, daß ein leidliches Ver¬
hältniß zwischen diesen beiden Factoren hergestellt die beste Stütze für die
Mittelstaaten ist. Daher ist es auch zu erklären, daß dieselben Minister, welche
in den fünfziger Jahren die Reaction über das Land verhängten, in den letzten
Jahren immer geschmeidiger und gefügiger geworden und jedem drohenden Conflict
durch kluges Nachgeben ausgewichen sind. Auch in der Schleswig-holsteinischen
Frage hat sich die Regierung wenigstens zu verschiedenen Malen den Dank


der Präsident des Geheimemaths, Herr v. Neurath, besonders nahe, eine
ehrenwerthe, aber stockadlige, Oestreich ergebene Persönlichkeit. Herr v. Neurath
war nun zwar schon die Seele der Negierung des früheren Königs, seinem
Einfluß war z, V. namentlich die Haltung Würtembergs in der Zollvereinsfrage
zu verdanken. Aber es folgt daraus noch keineswegs, daß nun einfach alles
beim Alten bleibt. Die Minister hatten zuletzt ihre festeste Stütze doch nur
darin, daß der angeworbene .König seine Räthe nicht mehr wechseln wollte.
Herr v, Neurath stand nicht immer zum Besten mit Herrn v. Linden. Und so
lag die Vermuthung nahe, daß unter den Auspicien des Herrn v. Neurath
nunmehr ein reines Adelsnnnisterium das bisherige, trotz Linden und Hügel
doch wesentlich bürgerliche Ministerium ablösen werde. An Candidaten zu
diesem Zutunftsministcrium fehlt es nicht. Die Jugendfreunde des Königs
warten auf große Dinge, und es soll gegenwärtig am Hof ein erbauliches
Nennen, ein wahres Weltjäger nach den noch gar nicht erledigten Portefeuilles
sein. Ich weiß nicht, mit welchem Rechte die öffentliche Meinung den Namen
des Freiherrn v. Varnbühler mit diesen auf die Landcsbeglückung abzielenden
Bestrebungen in Verbindung bringt. In jedem Falle bildet diese glatte, ge¬
wandte Diplomatennatur, bekanntlich auch eine Celebrität des seligen Neform-
vereins. den Uebergang zu einer zweiten Gruppe von Politikern, welche gleich¬
falls — mit Recht oder Unrecht — in dem Verdachte stehen, daß sie des Winkes
harren, der sie zu den höchsten Stellen berufen soll. Es ist dies eine kleine,
nicht eben beliebte Fraction, die sich seit kurzer Zeit in das öffentliche Leben
hcrvorgedrängt hat, meist jüngere Beamte, talentvoll, nicht ohne die nöthige
Dosis von Ehrgeiz, deren eventuelle Politik nach innen sich als aufgeklärte
Bureaukratie, nach außen als Neformvcrcinspolitik bezeichnen ließ. Im Volke
würde ein Ministerium. aus dieser wie aus jener Gruppe gebildet, gleich wenig
Anklang finden. Und es ist außer dem Umstand, daß so vieler von allen
Seiten sich hcrzudrängende Rath einige Ueberlegung erheischt und die Wahl
schwer macht, doch auch vielleicht einiges Bedenken vor unpopulären Schritten,
was bis jetzt von dem Versuch mit neuen Ministern zurückgehalten hat. Die
klugen Rathgeber der Krone können sich doch kaum der Wahrnehmung ver¬
schließen, daß gerade der jetzige Moment am wenigsten dazu angethan ist,
ernste Conflicte zwischen Negierung und Ständen zu provociren. Man konnte
in den letzten Jahren recht gut die Erfahrung machen, daß ein leidliches Ver¬
hältniß zwischen diesen beiden Factoren hergestellt die beste Stütze für die
Mittelstaaten ist. Daher ist es auch zu erklären, daß dieselben Minister, welche
in den fünfziger Jahren die Reaction über das Land verhängten, in den letzten
Jahren immer geschmeidiger und gefügiger geworden und jedem drohenden Conflict
durch kluges Nachgeben ausgewichen sind. Auch in der Schleswig-holsteinischen
Frage hat sich die Regierung wenigstens zu verschiedenen Malen den Dank


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/224>, abgerufen am 28.09.2024.