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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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wurden sechs Referenten und ebensoviele Nationalrepräsentanten, nämlich zwei
aus jedem der drei Kreise, aufgestellt, die der Obercommandant, der sich durch
sein leidenschaftloscs Benehmen das unbeschränkte Zutrauen der Nation verdient
zu haben schmeichelte, nach seinem besten Ermessen ernannte. Als Grund dafür
ward angeführt, daß "bei den langwierigen Förmlichkeiten einer vorzunehmenden
Wahl das gemeine Beste auffallend gefährdet würde". Dieser Rath von
Patrioten besorgte vom 1. September bis zum 21. October die laufenden Ge¬
schäfte und zwar ohne Beisein des Obercommandanten, der sich dabei nur durch
einen seiner passeircr Bauern und bei der letzten Sitzung auch durch den nach¬
maligen Jesuitenprotector Joseph v. Giovanelli vertreten ließ. In einigen
Angelegenheiten ging Hofer auch unmittelbar selbst vor, oder entschied gegen
die Ansicht seiner Vertrauten, beides "geschah namentlich in geistlichen Dingen.
Die frommen Diener der Kirche gingen früh und spät unangemeldet bei ihm
ein und aus und durften stets seiner Willfährigkeit versichert sein. Nichts
spricht dies besser aus als die Zuschrift, die er schon am 21. August, also noch
vor der Einsetzung der Landesadministration, an die "Hochwürdigen Seel¬
sorger in Tirol" zu erlassen für nöthig hielt, sie bezeichnet, wenn auch von
dritter Hand, jedoch gewiß ganz in seinem Sinne geschrieben, wie vielleicht kein
anderes Actenstück die unterwürfige und knechtische Haltung, die er ihnen gegen¬
über einnahm. Nur "mit der ihrem Stande gebührenden Hochachtung" wagt
er es "seine Stimme zu ihnen zu erheben", und giebt dem Unendlichen vor¬
züglich deshalb öffentlich die Ehre alles Gelingens der Unternehmungen, "weil
Sie es gerne hören". Zumeist liegt ihm sein Gelöbniß am Herzen, "die
christliche Religion nach seinen Kräften zu befördern", schon die Bekanntgebung
dieser Absicht an die "Hochwürdigen" gehört ihm mit zu den Bemühungen es
zu erfüllen. "Hochachtungsvoll" fordert er sie "mit aller Rücksicht aus kirchliche
Gewalt und Ansehen" aus, "nach der Ihnen gegebenen Gewalt die öffentlichen
Gebete so wie die Danksagungen zu verstärken", und bittet sie schließlich "mit
ungeheuchelter Ehrfurcht vor kirchlichem Ansehen", "die Hindernisse des Guten zu
schwächen, die Gefahren für die christliche Religion zu entfernen und die An¬
hänglichkeit daran zu beleben."

- So schmeichelhaft diese Zuschrift war, mochte es den geistlichen Beiständen
des Obercommandanten doch nicht ganz genehm sein, daß die Anordnung einer
Feier des eigentlich nur durch und für die Kirche errungenen Sieges von ihnen
ausgehe; wenigstens ist es auffallend, daß Hofer selbst zwei Tage nach obigem
Erlaß, worin er die Veranstaltung öffentlicher Gebete ausdrücklich der kirchlichen
Gewalt vorbehält, zum Dank für die wunderbarliche Errettung des Vaterlandes
und zur Erflehung ferneren Waffenglücks auf den 3. September in jeder Seel-
sorgskirche ein zehnstündiges Gebet mit Hochamt, passender Kanzelrede und
1s venin anordnete und zugleich befahl, "alle Gottesdienste wie vorhin (als


wurden sechs Referenten und ebensoviele Nationalrepräsentanten, nämlich zwei
aus jedem der drei Kreise, aufgestellt, die der Obercommandant, der sich durch
sein leidenschaftloscs Benehmen das unbeschränkte Zutrauen der Nation verdient
zu haben schmeichelte, nach seinem besten Ermessen ernannte. Als Grund dafür
ward angeführt, daß „bei den langwierigen Förmlichkeiten einer vorzunehmenden
Wahl das gemeine Beste auffallend gefährdet würde". Dieser Rath von
Patrioten besorgte vom 1. September bis zum 21. October die laufenden Ge¬
schäfte und zwar ohne Beisein des Obercommandanten, der sich dabei nur durch
einen seiner passeircr Bauern und bei der letzten Sitzung auch durch den nach¬
maligen Jesuitenprotector Joseph v. Giovanelli vertreten ließ. In einigen
Angelegenheiten ging Hofer auch unmittelbar selbst vor, oder entschied gegen
die Ansicht seiner Vertrauten, beides »geschah namentlich in geistlichen Dingen.
Die frommen Diener der Kirche gingen früh und spät unangemeldet bei ihm
ein und aus und durften stets seiner Willfährigkeit versichert sein. Nichts
spricht dies besser aus als die Zuschrift, die er schon am 21. August, also noch
vor der Einsetzung der Landesadministration, an die „Hochwürdigen Seel¬
sorger in Tirol" zu erlassen für nöthig hielt, sie bezeichnet, wenn auch von
dritter Hand, jedoch gewiß ganz in seinem Sinne geschrieben, wie vielleicht kein
anderes Actenstück die unterwürfige und knechtische Haltung, die er ihnen gegen¬
über einnahm. Nur „mit der ihrem Stande gebührenden Hochachtung" wagt
er es „seine Stimme zu ihnen zu erheben", und giebt dem Unendlichen vor¬
züglich deshalb öffentlich die Ehre alles Gelingens der Unternehmungen, „weil
Sie es gerne hören". Zumeist liegt ihm sein Gelöbniß am Herzen, „die
christliche Religion nach seinen Kräften zu befördern", schon die Bekanntgebung
dieser Absicht an die „Hochwürdigen" gehört ihm mit zu den Bemühungen es
zu erfüllen. „Hochachtungsvoll" fordert er sie „mit aller Rücksicht aus kirchliche
Gewalt und Ansehen" aus, „nach der Ihnen gegebenen Gewalt die öffentlichen
Gebete so wie die Danksagungen zu verstärken", und bittet sie schließlich „mit
ungeheuchelter Ehrfurcht vor kirchlichem Ansehen", „die Hindernisse des Guten zu
schwächen, die Gefahren für die christliche Religion zu entfernen und die An¬
hänglichkeit daran zu beleben."

- So schmeichelhaft diese Zuschrift war, mochte es den geistlichen Beiständen
des Obercommandanten doch nicht ganz genehm sein, daß die Anordnung einer
Feier des eigentlich nur durch und für die Kirche errungenen Sieges von ihnen
ausgehe; wenigstens ist es auffallend, daß Hofer selbst zwei Tage nach obigem
Erlaß, worin er die Veranstaltung öffentlicher Gebete ausdrücklich der kirchlichen
Gewalt vorbehält, zum Dank für die wunderbarliche Errettung des Vaterlandes
und zur Erflehung ferneren Waffenglücks auf den 3. September in jeder Seel-
sorgskirche ein zehnstündiges Gebet mit Hochamt, passender Kanzelrede und
1s venin anordnete und zugleich befahl, „alle Gottesdienste wie vorhin (als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/20>, abgerufen am 28.09.2024.