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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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wir noch östreichisch waren) zu holten." Denselben Eingebungen entstammte
auch eine fernere Verordnung vom 10, September, womit alle Tanzmusik außer
bei Hochzeiten, die Verabreichung von Speise und Trank in Bier-, Wein- und
Kaffeeschänken während des feierlichen Gottesdienstes und das nächtliche Umher¬
schwärmen verboten wurde; denn nichts ärgerte die Diener des Altars mehr
als der Kaltsinn der Bayern in derlei Sachen der Kirchenzucht, auch wurde die
seelsorgliche Aussicht über die Sittenpolizei dadurch verschärft, daß "Weibs¬
personen, die außer der Ehe Mütter geworden", den Vater des Kindes dem
Pfarrer anzuzeigen verpflichtet wurden.

Neben der "Religion" lag ihm und seinen hochwürdigen Freunden zumeist
der Unterricht am Herzen, dessen Bevormundung stets eine Hauptstütze des wahren
Glaubens war. Als er Anfangs September nach Brixen kam, besuchte er zuerst
die Domkirche, dann aber sogleich den Fürstbischof, und es bedürfte blos dessen
Erinnerung an das von den Bayern aufgehobene Seminar, um den Befehl zu
dessen Räumung und Zurückstellung binnen dreimal vierundzwanzig Stunden
zu erwirken. Zugleich wurde der Generallandcsadministration aufgetragen,
seine Güter und Gefälle dem bischöflichen Verwalter einzuweihen, und dein
Rendant bedeutet, daß die Einkünfte der Pfründe von sechs theils verstorbenen
theils abwesenden Domherren für das wiederherzustellende Lyceum verwendet
werden sollten. In Bozen hob der Obercommandant die bayerische Realschule
auf und setzte die Franziscaner wieder in das dortige Gymnasium ein, in
Meran gab er die Mittelschulen nebst der sogenannten philosophischen Anstalt
den Benedictinern zurück. Hiermit noch nicht zufrieden, verlangte der Fürst¬
bischof die durchaus neue Besetzung aller Lehrkanzeln in Brixen und an der
Universität, dem Gymnasium und den deutschen Schulen zu Innsbruck, und
wiewohl die Generallandesadministration die überraschende Kühnheit hatte, diesen
Antrag als einen Eingriff in die Majestätsrcchte zu erklären, ließ sich Hofer
an seiner Zustimmung doch nicht irre machen, weil, wie er sagte, der Kaiser
von Oestreich die Gewaltschritte der bayerischen Regierung nicht als einen Zu¬
wachs landesherrlicher Rechte ansehen könne. Bei der provisorischen Ernennung
der Professoren galt ihm sodann als Hauptsache, daß er die Genehmigung,
des Ordinariats eingeholt hatte, die als freisinnig verschrieenen Lehrer enthob
er ihres Amtes, ließ sie verhaften und sandte sie nach Täufers ins Exil, auch
verbot er alle Schul- und Vorlesbücher, die nicht im Sinne der katholischen
Kirche verfaßt seien. Der Erlaß war, wie kaum zu verkennen, von einem
seiner geistlichen Helfer, F. N. Köck, verfaßt, der selbst zu den neuen Professoren
der Theologie zählte. Was aus Mangel an Geld zu seinem großen Bedauern
nicht bewirkt werden konnte, war die Herstellung der aufgehobenen Stifte des
Regulär- und Curatklerus, da die Zinsen der Fonds stockten, und wenn sie
für selbe flüssig gemacht wurden, die Mittel für die Studienanstalten fehlten,


wir noch östreichisch waren) zu holten." Denselben Eingebungen entstammte
auch eine fernere Verordnung vom 10, September, womit alle Tanzmusik außer
bei Hochzeiten, die Verabreichung von Speise und Trank in Bier-, Wein- und
Kaffeeschänken während des feierlichen Gottesdienstes und das nächtliche Umher¬
schwärmen verboten wurde; denn nichts ärgerte die Diener des Altars mehr
als der Kaltsinn der Bayern in derlei Sachen der Kirchenzucht, auch wurde die
seelsorgliche Aussicht über die Sittenpolizei dadurch verschärft, daß „Weibs¬
personen, die außer der Ehe Mütter geworden", den Vater des Kindes dem
Pfarrer anzuzeigen verpflichtet wurden.

Neben der „Religion" lag ihm und seinen hochwürdigen Freunden zumeist
der Unterricht am Herzen, dessen Bevormundung stets eine Hauptstütze des wahren
Glaubens war. Als er Anfangs September nach Brixen kam, besuchte er zuerst
die Domkirche, dann aber sogleich den Fürstbischof, und es bedürfte blos dessen
Erinnerung an das von den Bayern aufgehobene Seminar, um den Befehl zu
dessen Räumung und Zurückstellung binnen dreimal vierundzwanzig Stunden
zu erwirken. Zugleich wurde der Generallandcsadministration aufgetragen,
seine Güter und Gefälle dem bischöflichen Verwalter einzuweihen, und dein
Rendant bedeutet, daß die Einkünfte der Pfründe von sechs theils verstorbenen
theils abwesenden Domherren für das wiederherzustellende Lyceum verwendet
werden sollten. In Bozen hob der Obercommandant die bayerische Realschule
auf und setzte die Franziscaner wieder in das dortige Gymnasium ein, in
Meran gab er die Mittelschulen nebst der sogenannten philosophischen Anstalt
den Benedictinern zurück. Hiermit noch nicht zufrieden, verlangte der Fürst¬
bischof die durchaus neue Besetzung aller Lehrkanzeln in Brixen und an der
Universität, dem Gymnasium und den deutschen Schulen zu Innsbruck, und
wiewohl die Generallandesadministration die überraschende Kühnheit hatte, diesen
Antrag als einen Eingriff in die Majestätsrcchte zu erklären, ließ sich Hofer
an seiner Zustimmung doch nicht irre machen, weil, wie er sagte, der Kaiser
von Oestreich die Gewaltschritte der bayerischen Regierung nicht als einen Zu¬
wachs landesherrlicher Rechte ansehen könne. Bei der provisorischen Ernennung
der Professoren galt ihm sodann als Hauptsache, daß er die Genehmigung,
des Ordinariats eingeholt hatte, die als freisinnig verschrieenen Lehrer enthob
er ihres Amtes, ließ sie verhaften und sandte sie nach Täufers ins Exil, auch
verbot er alle Schul- und Vorlesbücher, die nicht im Sinne der katholischen
Kirche verfaßt seien. Der Erlaß war, wie kaum zu verkennen, von einem
seiner geistlichen Helfer, F. N. Köck, verfaßt, der selbst zu den neuen Professoren
der Theologie zählte. Was aus Mangel an Geld zu seinem großen Bedauern
nicht bewirkt werden konnte, war die Herstellung der aufgehobenen Stifte des
Regulär- und Curatklerus, da die Zinsen der Fonds stockten, und wenn sie
für selbe flüssig gemacht wurden, die Mittel für die Studienanstalten fehlten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/21>, abgerufen am 28.09.2024.