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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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besteht fort, wenn auch in veränderter Form, unter schwierigern Verhältnissen."
-- "Den Stolz auf die Bürde, edel denken, edel handeln zu müssen, wird
man würdig finden." -- "Werden doch ganze Völker getragen von belebenden
sich aus der Vorzeit erneuernden Ideen."

Nach diesen Gesichtspunkten war zu handeln, auf diese Regeln echter
Staatsweisheit hin war, wenn wir unsre Quelle recht verstehen, ein Institut
zu gründen, in welchem der Adel das "nodlssse odligs" wieder lernte, sich
auf sich selbst besann und so die alte Herrschaft über das Volt als Muster und
Zierde desselben wieder in die Hände bekam. Und siehe da, das Bedürfniß
fand Befriedigung, die Sehnsucht Erfüllung, noch war es nicht zu spät, zu
retten, was zu retten war.

Der Nachfolger Friedrich Wilhelms des Dritten war der Mann dazu. Er
stellte durch Cabinetsordre vom Is. October 1852 die altehrwürdige Johan-
niter-Bailey Brandenburg wieder her, und er schuf ihr im nächsten Jahre in
gesegneter Stunde ihr Grundgesetz -- ein Moment von hoher Bedeutung, dessen
Größe zu beschreiben unsre Feder zu schwach ist, weshalb wir unserm Johanniter
wiedergibst das Wort geben und für einige Zeit lassen müssen.

"Der Geist des Herrn aller Herren war dem holdseligen Könige Friedrich
Wilhelm dem Vierten nahe, als dieser hochbegabte Fürst -- begeistert für alles
Erhabene, ein eifriger Diener des himmlischen und ein treuer Freund des
irdischen Jerusalem, sympathisirend mit den ethischen und ästhetischen Grund¬
gedanken mittelalterlicher Größen und Herrlichkeiten -- einsam in seinem Cabi-
net saß, am Sylvesterabend 1853. Vor ihm lag das alte Nechtsrittergelübde
der Johanniter. ""Es ist ein Segen darin, es ist noch ein lebendiger Funke
darin. Fach ihn an!"" So redete die Stimme des Geistes. Eigenhändig
brachte der König das alte Gelübde in seine jetzige Form, und wenn ein
deutscher Edelmann sein Gesuch um Aufnahme unter die auf ihre alte Be¬
stimmung zurückverwiesenen Johanniter einsendet, so wird ihm zunächst jenes
von König Friedrich Wilhelm dem Vierten festgesetzte Gelübde zugesandt, damit
er sich prüfe, ob er das himmlische Jerusalem im Herzen trage (Jeremias 51,
V. 50) und das Spital Sanct Johannis, welches im irdischen Jerusalem
der kleine Anfang der Johanniterschaft war. erachten wolle als den Ausgangs¬
und Kernpunkt des wahren Johanniterthums. ""Ich schreibe euch nicht ein
neues Gebot, sondern das alte, welches ihr habt von Anfang gehabt, (Johannes
I, 2, 7)"" dachte der in Gott ruhende König in diesem ernsten Augenblick,
und indem er damit einem ehrwürdigen Rittervrdenszeichen seine ursprüngliche
Bedeutung wieder ertheilte, begnadigte der hochherzige, großgearlete Monarch
den Orden mit einem weitaus anderen, reicheren Geschenk, als es (wirklich?
etwa eine Zurückgabe der vom Staat in einer schwerbedrängten Zeit eingezogenen)
Ordenscommenden hätte sein können."


besteht fort, wenn auch in veränderter Form, unter schwierigern Verhältnissen."
— „Den Stolz auf die Bürde, edel denken, edel handeln zu müssen, wird
man würdig finden." — „Werden doch ganze Völker getragen von belebenden
sich aus der Vorzeit erneuernden Ideen."

Nach diesen Gesichtspunkten war zu handeln, auf diese Regeln echter
Staatsweisheit hin war, wenn wir unsre Quelle recht verstehen, ein Institut
zu gründen, in welchem der Adel das „nodlssse odligs" wieder lernte, sich
auf sich selbst besann und so die alte Herrschaft über das Volt als Muster und
Zierde desselben wieder in die Hände bekam. Und siehe da, das Bedürfniß
fand Befriedigung, die Sehnsucht Erfüllung, noch war es nicht zu spät, zu
retten, was zu retten war.

Der Nachfolger Friedrich Wilhelms des Dritten war der Mann dazu. Er
stellte durch Cabinetsordre vom Is. October 1852 die altehrwürdige Johan-
niter-Bailey Brandenburg wieder her, und er schuf ihr im nächsten Jahre in
gesegneter Stunde ihr Grundgesetz — ein Moment von hoher Bedeutung, dessen
Größe zu beschreiben unsre Feder zu schwach ist, weshalb wir unserm Johanniter
wiedergibst das Wort geben und für einige Zeit lassen müssen.

„Der Geist des Herrn aller Herren war dem holdseligen Könige Friedrich
Wilhelm dem Vierten nahe, als dieser hochbegabte Fürst — begeistert für alles
Erhabene, ein eifriger Diener des himmlischen und ein treuer Freund des
irdischen Jerusalem, sympathisirend mit den ethischen und ästhetischen Grund¬
gedanken mittelalterlicher Größen und Herrlichkeiten — einsam in seinem Cabi-
net saß, am Sylvesterabend 1853. Vor ihm lag das alte Nechtsrittergelübde
der Johanniter. „„Es ist ein Segen darin, es ist noch ein lebendiger Funke
darin. Fach ihn an!"" So redete die Stimme des Geistes. Eigenhändig
brachte der König das alte Gelübde in seine jetzige Form, und wenn ein
deutscher Edelmann sein Gesuch um Aufnahme unter die auf ihre alte Be¬
stimmung zurückverwiesenen Johanniter einsendet, so wird ihm zunächst jenes
von König Friedrich Wilhelm dem Vierten festgesetzte Gelübde zugesandt, damit
er sich prüfe, ob er das himmlische Jerusalem im Herzen trage (Jeremias 51,
V. 50) und das Spital Sanct Johannis, welches im irdischen Jerusalem
der kleine Anfang der Johanniterschaft war. erachten wolle als den Ausgangs¬
und Kernpunkt des wahren Johanniterthums. „„Ich schreibe euch nicht ein
neues Gebot, sondern das alte, welches ihr habt von Anfang gehabt, (Johannes
I, 2, 7)"" dachte der in Gott ruhende König in diesem ernsten Augenblick,
und indem er damit einem ehrwürdigen Rittervrdenszeichen seine ursprüngliche
Bedeutung wieder ertheilte, begnadigte der hochherzige, großgearlete Monarch
den Orden mit einem weitaus anderen, reicheren Geschenk, als es (wirklich?
etwa eine Zurückgabe der vom Staat in einer schwerbedrängten Zeit eingezogenen)
Ordenscommenden hätte sein können."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/172>, abgerufen am 20.10.2024.