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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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müsse. Als er dann bei seiner letzten Anwesenheit das Gegentheil erfuhr,
kostete es große Mühe, ihm auszureden, daß General Rios keine Heraus¬
forderung beabsichtigt habe, und ihn zü überzeugen, daß er das Ausbleiben
desselben vom Stelldichein nicht für eine Beleidigung nehmen dürfe.

Ebenso schnell, wie nach dem Abbruch der ersten Friedensverhandlungen
die Stimmung der benachbarten Stämme in Feindseligkeiten umgeschlagen war,
erfolgte jetzt der Umschlag nach der anderen Seite; ein Beweis, daß sie den
Befehlen der Negierung doch bereitwilliger gehorchten, als diese nach dem
Gefecht an der Samsa vorgegeben hatte. Unmittelbar nach dem Abschluß des
Friedens trat die spanische Armee den Rückmarsch hinter die Demarcationslinie
des Bussecha an, auch dies Mal, wie Goeben schon öfter zu seiner Verwunderung
bemerkt hatte, ohne die im Felde üblichen Vorsichtsmaßregeln. Trotzdem wurde
sie nicht im Mindesten belästigt, obgleich sie unterwegs auf ganze Schaaren
von bewaffneten Fußgängern stießen, die sich bereits vom Heere getrennt hatten
und ihre Heimath in den wilden Küstengebirgen wieder aufsuchten. Oft kreuzten
sie die spanischen Marschcolonnen, ohne das geringste Mißtrauen zu zeigen;
manchmal blieben sie auch, auf ihre langen Flinten gestützt, am Wege stehen
und riefen den vorüberziehenden Bataillonen einen freundlichen Gruß zu. Von
dem allgemeinen Vertrauen angesteckt, ritten die preußischen Offiziere ganz allein
den Truppen voraus und fanden zu ihrer Verwunderung die vom ersten und
zweiten Corps vor Tetuan angelegten Verschanzungen von Kabylen besetzt. Ohne
Scheu ritten sie unter denselben herum und betrachteten sich die fremdartigen
Gestalten mit der seltsamen, die Sammellust des Waffenlicbhabers reizenden Aus¬
rüstung; wie denn auch die Kabylen die europäischen Waffen mit großem
Interesse besahen und wohl auch betasteten. Gern hätten die Preußen einige
schöne Waffenstücke erworben, die übrigens ziemlich selten waren, aber nur
Wenige zeigten Lust zu einem Geschäft, und als man durch Zeichen über den
Ankauf einer schön damascirten Flinte schon so gut wie einig geworden war,
zerschlug sich der Handel wieder, da der Besitzer das ihm in Ermangelung von
Silbergeld dargebotene Goldstück nicht annehmen wollte, obgleich es den ver¬
langten Preis an Werth um einige Duros überstieg.

Die Mehrzahl der Bewaffneten, welche die preußischen Offiziere bei dieser
Gelegenheit vor sich sahen,, waren Berbern, mit den dieser Race eigenthümlichen,
scharf geschnittenen Zügen und dunkelbrauner, oft sogar olivenbrauner Gesichts¬
farbe, so wie schwarzem Haar und Bart. Doch sah man auch nicht Wenige
mit braunem und selbst rothem Haar und Bart, wie eine unverbürgte Sage
behauptet, Nachkommen der vor Alters eingewanderten Vandalen. Außer den
Berbern bemerkte man aber auch noch in ziemlicher Anzahl Mulatten von allen
Schattirungen und selbst kohlschwarze Neger. Alle aber waren von kräftigem
Körperbau und weit größer, als es in der Regel die Spanier sind. Alle trugen


müsse. Als er dann bei seiner letzten Anwesenheit das Gegentheil erfuhr,
kostete es große Mühe, ihm auszureden, daß General Rios keine Heraus¬
forderung beabsichtigt habe, und ihn zü überzeugen, daß er das Ausbleiben
desselben vom Stelldichein nicht für eine Beleidigung nehmen dürfe.

Ebenso schnell, wie nach dem Abbruch der ersten Friedensverhandlungen
die Stimmung der benachbarten Stämme in Feindseligkeiten umgeschlagen war,
erfolgte jetzt der Umschlag nach der anderen Seite; ein Beweis, daß sie den
Befehlen der Negierung doch bereitwilliger gehorchten, als diese nach dem
Gefecht an der Samsa vorgegeben hatte. Unmittelbar nach dem Abschluß des
Friedens trat die spanische Armee den Rückmarsch hinter die Demarcationslinie
des Bussecha an, auch dies Mal, wie Goeben schon öfter zu seiner Verwunderung
bemerkt hatte, ohne die im Felde üblichen Vorsichtsmaßregeln. Trotzdem wurde
sie nicht im Mindesten belästigt, obgleich sie unterwegs auf ganze Schaaren
von bewaffneten Fußgängern stießen, die sich bereits vom Heere getrennt hatten
und ihre Heimath in den wilden Küstengebirgen wieder aufsuchten. Oft kreuzten
sie die spanischen Marschcolonnen, ohne das geringste Mißtrauen zu zeigen;
manchmal blieben sie auch, auf ihre langen Flinten gestützt, am Wege stehen
und riefen den vorüberziehenden Bataillonen einen freundlichen Gruß zu. Von
dem allgemeinen Vertrauen angesteckt, ritten die preußischen Offiziere ganz allein
den Truppen voraus und fanden zu ihrer Verwunderung die vom ersten und
zweiten Corps vor Tetuan angelegten Verschanzungen von Kabylen besetzt. Ohne
Scheu ritten sie unter denselben herum und betrachteten sich die fremdartigen
Gestalten mit der seltsamen, die Sammellust des Waffenlicbhabers reizenden Aus¬
rüstung; wie denn auch die Kabylen die europäischen Waffen mit großem
Interesse besahen und wohl auch betasteten. Gern hätten die Preußen einige
schöne Waffenstücke erworben, die übrigens ziemlich selten waren, aber nur
Wenige zeigten Lust zu einem Geschäft, und als man durch Zeichen über den
Ankauf einer schön damascirten Flinte schon so gut wie einig geworden war,
zerschlug sich der Handel wieder, da der Besitzer das ihm in Ermangelung von
Silbergeld dargebotene Goldstück nicht annehmen wollte, obgleich es den ver¬
langten Preis an Werth um einige Duros überstieg.

Die Mehrzahl der Bewaffneten, welche die preußischen Offiziere bei dieser
Gelegenheit vor sich sahen,, waren Berbern, mit den dieser Race eigenthümlichen,
scharf geschnittenen Zügen und dunkelbrauner, oft sogar olivenbrauner Gesichts¬
farbe, so wie schwarzem Haar und Bart. Doch sah man auch nicht Wenige
mit braunem und selbst rothem Haar und Bart, wie eine unverbürgte Sage
behauptet, Nachkommen der vor Alters eingewanderten Vandalen. Außer den
Berbern bemerkte man aber auch noch in ziemlicher Anzahl Mulatten von allen
Schattirungen und selbst kohlschwarze Neger. Alle aber waren von kräftigem
Körperbau und weit größer, als es in der Regel die Spanier sind. Alle trugen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/156>, abgerufen am 28.09.2024.